SCHULREISE

Wo Musikautomaten zum Tanz aufspielen

Im Museum für Musikautomaten im solothurnischen Seewen werden Augen und Ohren verwöhnt. Schulklassen können Musikdosen, Konzertorgeln und sogar einen etwas unüblichen DJ entdecken.

Zwei Mädchen tanzen zur Musik eines alten Automaten.
Am Ende der Führung können die Jugendlichen mithilfe von Schrittfolgen am Boden zur Orgelmusik tanzen. Fotos: Claudia Baumberger

«Eins-zwei-drei, eins-zwei-drei»: Kaum ist die Führung im Museum für Musikautomaten zu Ende, hält die Jugendlichen der neunten Klasse des Gymnasiums Thuns nichts mehr zurück. Zu den mitreissenden Klängen einer selbst spielenden Orgel versuchen sie die auf den Boden geklebten Schrittfolgen nachzuahmen. Immer wieder halten sich zwei an Händen und Hüfte fest und bewegen sich gemäss den vorgegebenen Schritten tanzend zur Musik.

Das Museum besitzt Musikautomaten aus drei Jahrhunderten.

Angefangen hat alles mit einer zweitägigen Studienreise im Jura. Musiklehrer Ueli Hess besucht mit der Klasse am Ende des Ausflugs das Musikautomatenmuseum im solothurnischen Seewen. Es besitzt eine grosse Sammlung von Schweizer Musikdosen und vielfältigen mechanischen Musikautomaten aus drei Jahrhunderten.

Mehr Ausflugstipps für Klassen gibt es in der Rubrik Schulreise: bildungschweiz.ch > Schulreisen

Kultur- und Technikgeschichte

Vor der einst grössten reisenden Konzertorgel der Welt begrüsst die Museumsführerin Katharina Fritschi die Neuntklässlerinnen und Neuntklässler aus Thun. Nach ein paar allgemeinen Informationen geht es in den Blauen Saal. Da ist alles sehr edel. Die Jugendlichen dürfen es sich auf den Sofas und Sesseln gemütlich machen. Der Saal ist abgedunkelt, einzig zwei Kristallkronleuchter spenden etwas Licht. Auf die Leinwand projiziert Fritschi historische Fotos passend zur Musik aus der Musikdose, dem Plattenschrank oder dem selbst spielenden Steinway-Flügel.

Die Jugendlichen erfahren, dass die Musikdose eine Erfindung aus der Schweiz ist und Anfang des 20. Jahrhunderts ein Exportschlager war, der eng mit der Uhrenindustrie verbunden war. Ende 2020 wurden die Musikdosen gar in die Liste der lebendigen Traditionen der UNESCO aufgenommen. Wegen dem starken Bezug zur Schweiz passt es, dass die Sammlung des Musikautomatenmuseums heute der Schweizerischen Eidgenossenschaft gehört.

Klatsch und Tratsch in früheren Zeiten

Die neusten News sowie Klatsch und Tratsch finden wir heute in Echtzeit auf unseren Smartphones. Lange bevor diese aufkamen, zogen zum Beispiel Bänkelsänger von Ort zu Ort, um mit Bildern und eingängigen Melodien die neusten Nachrichten und Geschichten vorzutragen. Solche gesungenen Erzählungen werden Moritaten genannt. Meist waren es Geschichten von Katastrophen, Gräueltaten oder moralisch verwerflichen Taten.

Ein Moritatenschild zeigt eine Bluthochzeit im Teutoburger Wald in sechs Bildern.

Inzwischen sind die Jugendlichen im Gang angelangt, wo ein sogenanntes Moritatenschild hängt, das eine Bluthochzeit im Teutoburger Wald in sechs Bildern zeigt. Die Tafel daneben erklärt, dass Bänkelsänger seit dem 19. Jahrhundert mit einer Drehorgel unterwegs waren und dass sich Spuren von Moritaten heute in den fasnächtlichen Schnitzelbänken finden lassen.

Fritsch spielt auf der Drehorgel im Gang vor, bevor es weiter in den Saal mit vielen unterschiedlichen Instrumenten weitergeht. Dieser Raum ist den Berliner Hinterhöfen nachempfunden. Dort steht sogar jene Drehorgel, die höchstwahrscheinlich bei der Uraufführung der Dreigroschenoper in Berlin zum Einsatz kam. Ein weiterer Höhepunkt ist eine Drehorgel, bei der sich ein Figurentheater zu Musik bewegt. Während die Museumsführerin ein Instrument nach dem anderen spielt, hören die Jugendlichen gespannt zu.

Mechanik hinter den Musikdosen

Ein Saal des Museums ist der Mechanik der Musikautomaten gewidmet. Fritschi erklärt, wie mit den unterschiedlichen Tonträgern Musik erzeugt werden kann. «Sie hat es gut erklärt, sodass wir es verstanden haben», sagen drei Jugendliche. Ausser den vielen originalen Tonbeispielen von mechanischen Musikinstrumenten können sie auch das Verständnis für die Vorgänge dahinter mit nach Hause nehmen.

Die rund einstündige Führung ist im Flug vorbei. Im letzten Saal lässt die Museumsführerin die Britannic-Orgel ertönen. Dabei handelt es sich um ein riesiges, selbst spielendes Instrument, das für die Britannic, das Schwesternschiff der Titanic, gebaut wurde. Damit endet die Führung und die Jugendlichen können beginnen, das Museum selbstständig zu erkunden.

Manche gehen zu den Hörstationen oder lesen sich durch die Inschriften der Aufnahmerollen, die zur Britannic-Orgel gehören. Darunter befinden sich etwa die Sonate Pathétique von Beethoven oder Lohengrin von Wagner. Andere beginnen im Takt der Orgelmusik zu tanzen.

Wanderungen

Der Museumsbesuch lässt sich mit einer Wanderung verbinden. In der Broschüre «21 Wandertipps rund ums Museum für Musikautomaten» werden die Ausflüge ausführlich beschrieben. Die Marschdauer reicht von einer halben bis zu zweieinhalb Stunden. Die Broschüre ist im Museumsshop vor Ort erhältlich. Mehr Informationen: www.musikautomaten.ch> Info > Wanderrouten

Nützliche Informationen

Anreise zum Museum für Musikautomaten in Seewen (SO): Postauto ab den SBB-Bahnhöfen Liestal, Laufen oder Dornach/Arlesheim bis zur Haltestelle «Seewen, Musikautomaten» oder «Seewen, Zelgli», danach ein kurzer Spaziergang. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt, die Führung und der optionale Workshop sind für Schulklassen inklusive zwei Begleitpersonen kostenlos und für alle Stufen geeignet. Dauer der Museumsführung: rund 1 Stunde. Dauer des Workshops Gloggomobil: rund 1 Stunde und 20 Minuten. In diesem Workshop können Schüler und Schülerinnen eine eigene Melodie schreiben, die danach von einem Musikautomaten vertont wird. Mehr Informationen: www.musikautomaten.ch > Info > Schulen

Autor
Claudia Baumberger

Datum

13.03.2024

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