Schulareal gestalten

Vom trostlosen Pausenplatz zum Klassenzimmer im Grünen

Mit den gestiegenen Erwartungen an die Schule haben sich auch die Ansprüche an die Pausenplätze geändert. Wie aus öden Plätzen grüne Oasen und sogar erweiterte Klassenzimmer werden, zeigen zwei Beispiele.

Ein Schüler in Regenjacke trägt einen Blumentopf mit einem zu pflanzenden Strauch in den Händen. Foto: Roger Wehrli
Die Kinder pflanzen ausschliesslich heimische Sträucher in die Hecke. Fotos: Roger Wehrli

Es ist ein kühler, windiger Tag im März, als die vierte Klasse, ausgerüstet mit Schaufeln, Spaten und Karretten, auf dem Pausenplatz der Primarschule Burgmatt in Laufenburg (AG) erscheint. Die Mädchen und Buben sind gekommen, um ein ehrgeiziges Projekt in die Tat umzusetzen. Der trostlose Pausenplatz soll zu einem Biotop mitsamt Klassenzimmer im Grünen erblühen. Zu diesem Zweck sollen heute als Erstes Sträucher gepflanzt werden. Noch stehen sie zart und etwas verloren auf dem Platz. Ihr weiteres Pflanzenleben sollen sie als Hecke am Rande des Areals zubringen. Ihre Aufgabe besteht nicht nur darin, den Platz zu verschönern, sondern auch, ihn im Sommer zu kühlen. Ausserdem sollen die Sträucher Heimat von Insekten und Vögeln werden.

Einheimisch und ungiftig

Die Löcher für die Wurzeln auszuheben, ist Schwerstarbeit. Die schaufelnden Kinder bringen neben Erde auch grössere Steine und sogar Bauschutt an den Tag. Damit die Pflanzen gut gedeihen, muss der alte Untergrund darum durch neue Erde ersetzt werden. Die Kinder sind mit viel Elan an der Arbeit. Wo deren Kraft alleine nicht ausreicht, hilft Klassenlehrerin Julianne Trieu aus.

Ebenfalls vor Ort ist Denise Parisi, Projektleiterin des Juraparks Aargau, der das Projekt Outdoor-Klassenzimmer aktiv unterstützt. Sie wählte die Pflanzen aus. Dass dies gar nicht so einfach ist und keinesfalls zufällig geschieht, zeigen ihre Erläuterungen: «Wichtig ist, dass Pflanzen und Samen einheimisch sind, also möglichst aus dem Gebiet des Juraparks stammen. Das erleichtert das Gedeihen», erklärt sie. Die Büsche und Sträucher dürften zudem weder giftig noch dornig sein. Das sei für die Kinder zu gefährlich. Ausserdem hat sie darauf geachtet, dass das ganze Jahr über etwas wächst und blüht, damit sich Vögel und Insekten hier wohlfühlen.

«Wichtig ist, dass Pflanzen und Samen einheimisch sind, also möglichst aus dem Gebiet des Juraparks stammen. Das erleichtert das Gedeihen»

Zwei Pflanzen, welche die Kriterien erfüllen und schon vorzeitig gesetzt wurden, sind Hartriegel und Efeu. Letzterer wuchert bereits die Mauer empor. Vielleicht haben sich schon diesen Frühling die ersten Vögel getraut, zwischen seinen Blättern ihre Nester zu bauen. Als weitere Sträucherarten kommen die rote Heckenkirsche, Hundsrosen, Salweiden, Weissdorn und Berberitze in die Hecke.

«Wir legten den Schulklassen 86 Ideen zur Abstimmung vor.»

Die Natur im Schulzimmer

Den Anfang nahm das Projekt 2021. Damals gründete die Schulpflege die Arbeitsgruppe Pausenplatzgestaltung. Schon länger störte man sich am vernachlässigten Aussenbereich des städtischen Schulhauses. Der Arbeitsgruppe gehörten Lehrpersonen, Eltern sowie Elternrat, Schulsozialdienst und die Bauverwaltung an. Die Schulpflege als Behörde wurde mittlerweile per Abstimmung abgeschafft, die Gruppe jedoch existiert in verkleinerter Form weiter. Geleitet wird sie von Franziska Winter und dem Schulleiter Philip Grolimund. Winter erinnert sich noch lebhaft an die Startphase des Projekts: «Ein Jahr lang haben wir Ideen zur Pausenplatzgestaltung gesammelt und diese auf ihre Realisierbarkeit hin geprüft. Schliesslich legten wir den Schulklassen 86 realisierbare Ideen zur Abstimmung vor.»

Das Resultat dieses Prozesses überzeugte die Gemeindeversammlung. Letzten Herbst entschied sie, dafür 100'000 Franken zu sprechen. Um alle ambitionierten Ideen umzusetzen, reicht das gesprochene Geld jedoch nicht. Aber dem Team um Winter gelang es schliesslich, weitere Sponsoren für das Projekt zu gewinnen.

Herzstück des Pausenplatzumbaus ist das Outdoor-Klassenzimmer. Ein Teil des bisher kaum genutzten Platzes soll ein wasserdichtes, pflanzenbewachsenes Ökodach erhalten. Dort, an der frischen Luft, kann der Unterricht wetterunabhängig stattfinden. Laut Schulleiter Grolimund kennt das Schulhaus Burgmatt seit Längerem die Tradition, Lektionen in der freien Natur abzuhalten. «Unsere durchmischten Primarklassen gehen dreimal jährlich für eine ganze Woche in den Wald», sagt er. «Nun holen wir ein Stück Wald ins Schulhaus.»

Dem Schulunterricht in der freien Natur liegt die pädagogische Idee zugrunde, den Lernstoff im wörtlichen Sinne begreifbar zu machen und eigenverantwortliches Lernen zuzulassen. Valentin Hurni, Lehrer einer altersdurchmischten dritten und vierten Klasse, verweist auf den Lehrplan 21. Dieser lege grosses Gewicht auf den kompetenzorientierten Unterricht. Das Outdoor-Klassenzimmer biete den Kindern eine gute Gelegenheit, phänomenbasierte Beobachtungen im Schulgarten nebenan zu dokumentieren und handlungsorientiert zu lernen, so der Lehrer.

Projektleiterin Winter ist überzeugt, dass der umgestaltete Pausenplatz den Kindern dabei helfen wird, die Natur hautnah zu erleben. «Das Outdoor-Klassenzimmer ermöglicht einen anregenden Unterricht und Gruppenarbeiten im Freien. Einerseits fördert es die Konzentration, andererseits wird es dank seiner Begrünung bei allfälligem Aggressionsabbau hilfreich sein», meint sie.

Vorfreude bei den Kindern

Das Schöne am Projekt ist, dass die an der Entstehung des neuen Pausenplatzes beteiligten Kinder ihre neue Lernumgebung weitgehend selbst erschaffen können. Sky, ein Sechstklässler, freut sich schon sehr auf das neu errichtete Klassenzimmer im Grünen. «Wenn man ab und zu das Klassenzimmer wechseln kann, macht das die Schule weniger langweilig. Und im Sommer, wenn es drinnen heiss wird, können wir einfach nach draussen wechseln», freut er sich.

Neben dem Outdoor-Klassenzimmer und den zahlreichen Sträuchern werden drei Hochbeete für noch mehr Grün auf dem Pausenplatz sorgen. Was darin gedeihen soll, ist noch nicht entschieden. Fragt man die fleissig arbeitenden Kinder, wünschen sich einige Blumen, während andere lieber saftige Tomaten und süsse Erdbeeren ernten möchten. «Egal, was letztendlich angepflanzt wird», mahnt Schulleiter Grolimund, «wichtig ist, dass die Kulturen stets bewässert werden, auch in der Ferienzeit.»

Pausenplatz mit Aussicht

Welche Herausforderungen der Neubau eines Schulhauses in einer Grossstadt wie Zürich mit sich bringt, zeigt das Beispiel der kürzlich eröffneten Schule Allmend. Im Quartier Greencity stehen die Häuser dicht an dicht, sodass die für das Schulhaus zur Verfügung stehende Parzelle zu klein für einen ausgedehnten Pausenplatz war. Der Not gehorchend haben sich die Architekten entschieden, den Pausenplatz auf dem Dach der Schule zu bauen.

Entstanden ist ein attraktiver Allwetterplatz mit schöner Aussicht, der über zwei Wendeltreppen erreichbar ist. Schulleiterin Hülya Demirtas sagt dazu: «Der Allwetterplatz kommt nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern oder bei der Lehrerschaft gut an, sondern auch bei Anwohnerinnen und Anwohnern.» Nach Schulschluss steht der Platz ab 18 Uhr dem Quartier zur Verfügung. An einzelnen Tagen organisiert das Sportamt Zürich zusammen mit Vereinen und Freiwilligen Aktivitäten. Um 22 Uhr werden die nach oben führenden Wendeltreppen geschlossen, sodass Nachtruhe garantiert ist. Die Schulleiterin ist zufrieden. «Das klappt bis jetzt prima.»

Bei Sonnenschein verströmt die grosszügige Dachterrasse eine luftige Leichtigkeit. Einige Kinder spielen Fussball. Auf dem geschwungenen Mäuerchen des Dachgartens lässt sich bequem plaudern und das Znüni essen. Der Blick schweift über die Häuser, hinüber zum Üetliberg und man denkt: Dieser Platz könnte noch Schule machen.

Autor
Roger Wehrli

Datum

27.06.2023

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