Schulreise durch die Juraschlucht

Über zwei Mal sieben Brücken musst du geh’n

Die Wanderung durch die Areuse-Schlucht von Noiraigue nach Boudry führt über 14 Brücken. Klassen können auf kleinem Raum eine grosse Vielfalt entdecken – und wie wichtig das fliessende Wasser für die Industrialisierung war.

Die Steinbogenbrücke bei Saut de Brot.
Die Steinbogenbrücke bei Saut de Brot ist ein beliebtes Fotosujet. Fotos: Claudia Baumberger

Auf den Creux du Van oder durch die Areuse-Schlucht? Der Bahnhof Noiraigue ist mit dem Zug von Neuenburg her gut erschlossen. Noiraigue liegt im Val de Travers, das zum Neuenburger Jura gehört – und der Wegweiser am Bahnhof zeigt: Noiraigue liegt inmitten eines Wanderhotspots. Denn von hier startet der Wanderweg sowohl auf den Creux du Van wie auch durch die Areuse-Schlucht. Wer an diesem Bahnhof aussteigt, trägt meist Wanderschuhe, Sonnenhut und Wanderhose. Nach einer kurzen Strecke durch das Dorf Noiraigue zweigt der eine Wanderweg Richtung Creux du Van ab, der andere führt den Bahngleisen entlang zum Eingang der Areuse-Schlucht.

Feldstecher mitnehmen lohnt sich

In der Sommerhitze ist der baumgesäumte Weg durch die Schlucht ein besonderer Genuss. Dank des Wassers weht stets ein kühler Wind. Wer aufmerksam ins Flussbett schaut, kann an verschiedenen Stellen einen besonderen Vogel entdecken: die Wasseramsel.

Mit ihrem braunen Gefieder ähnelt sie auf den ersten Blick der Amsel. Doch trägt sie einen grossen, weissen Brustlatz und ist der einzige einheimische Singvogel, der regelmässig schwimmt und taucht. Junge Wasseramseln können sogar früher tauchen als fliegen. Das Gefieder des Vogels ist wasserabstossend und er kann die Nasen- sowie Ohröffnungen verschliessen. Unter Wasser sucht diese Amsel nach Insekten, stochert in Ritzen und dreht Steine um. Wenn sie dicht über dem Wasser fliegt, ist sie einfach zu entdecken. Auch Bergstelzen sind am Flussrand zu beobachten. Sie ähneln den Bachstelzen, haben jedoch eine gelbe Unterseite.

Es lohnt sich, einen Feldstecher mitzunehmen.

Die Areuse zeichnet sich weiter durch eine reiche Wasserfauna aus. An den trockenen, besonnten Stellen entlang des Weges wärmen sich ausserdem gerne Mauereidechsen auf. Mit viel Glück sieht man im Altgras vielleicht eine Blindschleiche davonkriechen. Es lohnt sich also, einen Feldstecher mitzunehmen.

Brücken gefallen auf Social Media

Die Areuse schneidet sich durch die Jurakette und prägt so die Landschaft. Die Schlucht ihrerseits ist geprägt von den vielen Brücken aus Stahl, Beton, Stein und Holz, die man regelmässig überquert. Zwei davon stechen durch ihre besondere Schönheit heraus: die Steinbogenbrücke bei Saut de Brot – ein beliebtes Fotosujet in den sozialen Medien – und der gedeckte Expo.02-Steg aus Holzlatten in der Combe des Epines.

Entlang des Weges gibt es verschiedene Picknickplätze, teilweise mit Holztischen und Holzbänken ausgestattet und mit Platz zum Spielen. Innerhalb der Schlucht weisen Schilder darauf hin, dass es verboten ist, Feuer im Naturschutzgebiet zu entfachen.

In der Natur entdecken und bestimmen

Neben dem Wanderweg blühen Orchideen und andere seltene Pflanzenarten. Die farbigen Blüten der Kräuter und Sträucher ziehen Schmetterlinge an, wie beispielsweise den Kleinen Eisvogel. Die Flügeloberseite dieses Tagfalters ist dunkelbraun und mit einem weissen Band durchzogen. Dieser und andere Schmetterlinge lassen sich gut an sonnigen Stellen entlang des Wanderweges beobachten. Wessen Auge für das Kleine, Unscheinbare geschärft ist, findet auf besonnten Büschen verschiedene Heuschreckenarten wie beispielsweise die Kleine Goldschrecke, von leuchtend grüner Farbe und mit kleinen, rosaroten Flügeln.

Die Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren, die auf dem Wanderweg durch die Areuse-Schlucht erlebt werden kann, eignet sich gut, um das Thema Biodiversität zu behandeln. Wer entdeckt die meisten Orchideen-, Schmetterlings- oder Heuschreckenarten? Anhand von Fotos und mithilfe verschiedener Bestimmungs-Apps (beispielsweise iNaturalist) lassen sich die Beobachtungen einfach bestimmen.

Wasser prägt die Landschaft

In der steilen Schlucht gibt es auch verschiedene Karsthöhlen. Weiter ist sie bewaldet und enthält eine Vielfalt von Waldtypen. Kein Wunder also, ist die Areuse-Schlucht zusammen mit dem Creux du Van im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler aufgeführt. Dieses verzeichnet die wertvollsten Landschaften der Schweiz.

Die 32 Kilometer lange Areuse versorgt übrigens 70 Prozent der Neuenburger Bevölkerung mit Trinkwasser. Ihre Quelle liegt in Saint-Sulpice und sie mündet an der Gemeindegrenze zwischen Boudry und Cortaillod in den Neuenburgersee.

Bis heute produziert die Areuse Strom für die Bevölkerung.

Industrialisierung und Rousseau

Die Wasserkraft der Areuse wurde schon früh genutzt. Es entstanden beispielsweise Mühlen, Schmieden, Sägereien und Zementwerke entlang ihres Flusslaufes. Innerhalb der Schlucht wurden sechs Elektrizitätswerke und im 18. Jahrhundert in Champ du Moulin eine Mühle, eine Nagelschmiede und eine Pulverfabrik gebaut. Bis heute produziert die Areuse Strom für einen Teil der Bevölkerung.

In Champ du Moulin, am Wanderweg inmitten der Areuse-Schlucht, befindet sich heute das «Haus der Natur», ein kleines Museum, das die Flora und Fauna der Schlucht erklärt. Gegenüber befindet sich das «Maison Rousseau», ein ehemaliges Herrenhaus, das heute als Gruppenhaus gemietet werden kann. Benannt wurde das Haus nach Jean-Jacques Rousseau, der im September 1764 in der Schlucht die Flora studierte.

Gute Vorbereitung nötig

Wer heute durch die Schlucht wandert, entdeckt eine sehr schöne Landschaft mit einer grossen Vielfalt an Arten und Lebensräumen. Es empfiehlt sich allerdings, die Schulreise mit einer Vorexkursion gut vorzubereiten. Innerhalb der Schlucht weisen Schilder auf Naturgefahren wie Steinschlag, Erdrutsche oder Baumstürze hin. Bei Feuchtigkeit kann es ausserdem rutschig sein. Zum Glück ist der Weg durch die Areuse-Schlucht gut ausgebaut und an abschüssigen Stellen zum Wasser hin mit einem Geländer gesichert.

Eine Schulreise durch die Areuse-Schlucht hat Klassen viel zu bieten. Ausser schöner Natur sind auch Brücken ein wichtiges Motiv auf dieser Wanderung – wie im Lied der DDR-Band Karat «Über sieben Brücken musst du geh’n», das vielen durch Peter Maffays Interpretation bekannt ist. Doch dürfen die Schülerinnen und Schüler doppelt so viele Brücken überqueren, wie der Künstler in seinem Lied besingt. Und jede Überquerung lohnt sich voll und ganz.

WANDERUNG DURCH DIE AREUSE-SCHLUCHT
Die Wanderung durch die Areuse-Schlucht startet am Bahnhof Noiraigue und endet bei der Bahnstation Boudry Littorail. Sie eignet sich am besten für die Mittel- bis Oberstufe. Die reine Wanderzeit für die leicht abwärts führende Strecke von zwölf Kilometern beträgt gut drei Stunden. Entlang des Wanderwegs gibt es verschiedene Picknickstellen, zum Teil mit Holzbänken und Tischen ausgestattet. Die Areuse wird 14 Mal überquert. Eine Vorexkursion ist nötig, da Naturgefahren (Steinschlag, Erdrutsch, Baumstürze) lauern und exponierte Stellen vorhanden sind. Die Schlucht kann je nach Jahreszeit und Witterungsbedingungen gesperrt sein.
Mehr Informationen: www.myvaldetravers.ch > Erlebnisse > Freizeitaktivitäten

MUSEEN AM WANDERWEG
In Champ du Moulin, inmitten der Areuse-Schlucht und direkt am Wanderweg, liegt das «Haus der Natur». In der Ausstellung, die in einem Fachwerkhaus untergebracht ist, erfährt man viel Spannendes über Forellen, Fledermäuse und die Höhlen der Region. Mehr Informationen: www.maisonnaturene.ch

In Boudry, am Ausgang der Schlucht, befindet sich das «Musée de l’Areuse», ein kleines Lokalmuseum, in dem auf kleinem Raum naturwissenschaftliche, lokalhistorische, archäologische und ethnografische Museumstücke ausgestellt sind. Mehr Informationen: www.le-musee.ch

KORRIGENDUM: Der Artikel in der Märzausgabe implizierte ursprünglich, dass «Über sieben Brücken musst du geh’n» ein Lied von Peter Maffay ist. Das ist nicht ganz korrekt. Die DDR-Rockband Karat hat das Lied 1978 komponiert und Maffay hat zwei Jahre später es neu arrangiert.

Autor
Claudia Baumberger

Datum

16.03.2023

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