Zum Beispiel das Sihlfeld in Zürich
Das versucht man im Schulhaus Sihlfeld in der Stadt Zürich: «Kulturelle Vielfalt ist im Schulhaus Sihlfeld Alltag», sagt die Lehrerin und Quims-Beauftragte Regula Späni. Das Programm Quims unterstützt Schulen im Kanton Zürich mit zusätzlichen finanziellen Mitteln, die einen Anteil von mindestens 40 Prozent Schülerinnen und Schülern mit nicht deutscher Erstsprache aufweisen.
Alle Quims-Schulen verfügen über Beauftragte, welche die Aktivitäten an der Schule koordinieren und das Geld verwalten. Im Sihlfeld sind das rund 45'000 Franken pro Jahr. Die Schule Sihlfeld ist seit dem Start des Programms im Jahr 2006 dabei. Aktuell hat sie einen Anteil von knapp 40 Prozent fremdsprachiger Kinder. «Die Spanne zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern hat sich aber eher noch vergrössert», stellt Späni fest.
Zoff gibts schon ab und zu
«Natürlich gibt es manchmal Zoff auf dem Pausenplatz, wenn verschiedene Welten aufeinanderprallen», sagt Späni. Dennoch seien kulturelle Konflikte zwischen den Kindern selten. Interkulturelle Verständigung werde in den Klassen gelebt, ohne dass es dazu separate Lektionen oder Projekte gebe. Am Weihnachtssingen werden laut Späni Lieder aus verschiedenen Kulturen berücksichtigt und an Schulhausfesten bringen Eltern Speisen aus ihren Ländern mit. «Der Schwerpunkt unserer Arbeit hat sich in den letzten Jahren auf die Förderung des Schulerfolgs aller Kinder verlagert», sagt Späni.
Am Weihnachtssingen werden im Sihlfeld Lieder verschiedener Kulturen berücksichtigt.
Die Schule Sihlfeld setzt das zusätzliche Geld vom Kanton zum Beispiel für die Förderung der Lesekompetenz ein. Das sogenannte Tandem-Lesen wird konsequent in jeder Klasse durchgeführt. Immer zwei Schulkinder lesen sich gegenseitig einen Text vor. Die Tandems werden von der Klassenlehrperson ausgewählt. Gelesen wird im Schulzimmer oder draussen im Gang. Das Tandem-Lesen findet dreimal in der Woche während 20 Minuten statt, das gesamte Programm dauert sechs bis neun Wochen. Zu Beginn und am Schluss der Trainingsperiode gibt es einen Test zur Leseflüssigkeit.
Doch nicht nur Deutsch zählt. Die Schule ermuntert und berät Eltern, ihre Kinder in den Unterricht zu heimatlicher Sprache und Kultur zu schicken. «Das ist ein Schatz, den die fremdsprachigen Kinder mitbringen», sagt Späni. Wenn die Kinder die Erstsprache beherrschten, falle es ihnen auch leichter, Deutsch zu lernen.
Das Sihlfeld ist Partnerschule des Programms «Future Kids» der Asylorganisation Zürich. Studierende unterstützen 13 Kinder aus dem Sihlfeld beim Lernen, die das Fach Deutsch als Zweitsprache besuchen. Dabei geht es nicht nur um Nachhilfeunterricht, sondern auch um Lerntechniken, Lernstrategien und darum, den Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Die Studierenden besuchen die Kinder einmal pro Woche zu Hause und erhalten so ihrerseits einen Einblick in andere Lebenswelten. Für Späni ist das Projekt eine moderne Form von interkulturellem Austausch, bei dem beide Seiten profitieren. «Wir versuchen, allen Kindern einen Boden zu geben, der zum Schulerfolg beiträgt. Niemand soll durch die Maschen fallen», fasst sie das Credo der Schule Sihlfeld zusammen.
Schulkreis Limmattal als Pionier
Die Schule gehört zum Zürcher Schulkreis Limmattal, der die alten Arbeiterquartiere 4 und 5 umfasst. Vor 20 Jahren nahmen hier alle Schulen am Quims-Programm teil, heute sind es noch fünf. Die Quartiere sind aber divers geblieben, an den 14 Schulen werden insgesamt 41 Sprachen gesprochen. «Bei uns war es schon immer zentral, wie die Schulen mit der Vielfalt ihrer Schülerinnen und Schüler umgehen, und das gilt auch heute noch», erzählt Katrin Wüthrich. Sie ist Präsidentin der Schulkreisbehörde Limmattal. Besonders gefördert würden die HSK-Kurse, also der Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur. Ursprünglich sind diese Kurse, die es heute in verschiedenen Kantonen gibt, sogar im Schulkreis Limmattal entstanden, erinnert sich Wüthrich. Heute gibt es laut Wüthrich in jeder Schule eine Lehrperson, die für HSK verantwortlich ist. Sie kümmert sich darum, dass sowohl die Eltern als auch die Kinder über das entsprechende Kursangebot informiert sind. Und HSK-Lehrpersonen werden zum Beispiel immer wieder in eine regelmässig stattfindende Lesenacht miteinbezogen, sodass dort nicht nur deutsche, sondern auch fremdsprachige Texte vorgetragen werden.
«Eine Schule muss eine Kultur der Anerkennung aufbauen.»
Ursprünglich aus einer Schule im Kreis 4 heraus entstand auch die «Kanzbi», eine interkulturelle Bibliothek für Kinder und Jugendliche. Sie verleiht Bücher, Spiele und neue Medien in zahlreichen Sprachen. Damit sollen Kinder mit mehrsprachigem Hintergrund und ihre Familien gefördert werden. Zusätzlich gibt es Computerkurse und niederschwellige Angebote, etwa für Kinder, Jugendliche und mehrsprachige Mütter. Die Betonung der Vielfalt gereicht dem Schulkreis nicht zum Nachteil – im Gegenteil. So haben die Schulen weniger Mühe als anderswo, gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer zu finden. «Viele Lehrpersonen schätzen die kulturelle Vielfalt und den offenen Umgang der Schulen damit. Deshalb unterrichten sie gerne bei uns», stellt Wüthrich fest.