Studie über Vorurteile

Kenn ich nicht, mag ich nicht

Wie entstehen Vorurteile und wie können sie überwunden werden? Eine Studie ging der Frage nach, wo in der Schweiz Vorbehalte gegenüber Mitmenschen bestehen und was dabei hilft, sie abzubauen.

Nemo hält eine Pressekonferenz anlässlich des Siegs am Eurovision Song Contest 2024.
Als Nemo 2024 den Eurovision Song Contest gewann, half die Medienpräsenz, Vorurteile gegenüber nonbinären Personen abzubauen. (Foto: EBU/ Sarah Louise Bennett)

Der Umgang mit Vielfalt ist im Lehrplan 21 festgehalten und soll auf das respektvolle Zusammenleben in einer diversen Gesellschaft und Demokratie vorbereiten. Eine Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) unterstreicht, wie wichtig der Kontakt zu anderen Bevölkerungsgruppen ist. Das Überwinden der gesellschaftlichen Barrieren hilft demnach dabei, negative Vorurteile abzubauen. Positive Effekte könnten sogar bereits erzielt werden, wenn der Kontakt nur indirekt stattfindet, etwa über eine Freundin oder sogar über Medien.

Unbeliebte Bevölkerungsgruppen

Die Studie «Gemeinsam verschieden?» des GDI unterteilt die Gesellschaft in verschiedene Gruppen, etwa nach Bildungsstand, nach Herkunft, nach Alter, nach etwaigen körperlichen Behinderungen oder psychischer Erkrankung. Berücksichtigt werden zudem die sexuelle Orientierung, die Gender-Identität sowie die politische und religiöse Ausrichtung und die vegane Ernährungsweise.

Die Studie kommt zum Schluss, dass die meisten Gruppen gegenüber anderen mehrheitlich weder positive noch negative Gefühle hegen. Trotzdem sind einige Gruppen unbeliebter als andere. Dabei hege aber nie mehr als ein Drittel der Befragten negative Gefühle gegenüber einem bestimmten Teil der Bevölkerung. Am unbeliebtesten sind in der Schweiz demnach Menschen mit SVP-Präferenz, mit Asylstatus und mit muslimischem Glauben. Jeweils ungefähr ein Drittel der Befragten empfinde diesen Gruppen gegenüber negative Gefühle.

Wie eine Schule mit 40 Prozent fremdsprachiger Kinder funktioniert: «Richtig umgehen mit kultureller Vielfalt», bildungschweiz.ch.

Ein Viertel mag keine Leute mit SP- oder Grünenpräferenz. Rund ein Fünftel der Befragten hat negative Gefühle gegenüber Menschen mit einem Namen, der auf -ic endet, gegenüber Leuten mit psychischen Erkrankungen, gegenüber Trans- und nonbinären Personen, gegenüber ukrainischen Flüchtlingen und sich vegan ernährenden Personen. Auch Menschen, die in Afrika aufgewachsen sind oder keinen Schulabschluss haben, werden von rund einem Fünftel der Befragten negativ wahrgenommen.

Kontakt baut Vorurteile ab

Gemäss Studienautorinnen und -autoren sind Kontakte zwischen den verschiedenen Gruppen ein wichtiges Mittel, um negative Vorbehalte abzubauen. Die Umfrage zeigt, dass weniger negative oder sogar mehr positive Gefühle vorhanden sind, wenn bereits Bekanntschaften zu Leuten aus diesen Gruppen bestehen.

Dabei gibt es jedoch eine Schwierigkeit: Gerade Menschen aus gegensätzlichen Gruppen wie etwa Reiche und Arme oder Hochgebildete und Leute ohne nachobligatorischen Schulabschluss kommen selten oder nie miteinander in Kontakt. Oft liegt das an mangelnden Begegnungsmöglichkeiten. Am ehesten trifft man Leute ausserhalb der eigenen Kreise noch bei der Arbeit und in der Nachbarschaft.

Nemo als Beispiel

Für den Abbau von Vorbehalten braucht es aber nicht unbedingt direkten Austausch. Selbst indirekter Kontakt könne helfen, schreiben die Autorinnen und Autoren, etwa über einen Freund, der eine Freundin aus einer anderen Bevölkerungsgruppe hat. Auch mediale Präsenz sei hilfreich, um Barrieren zu überwinden und Vorurteile abzubauen. Besonders anschaulich zeigt dies der Erfolg von Nemo. Als Nemo den Eurovision Song Contest (ESC) gewann, konnten die Studienautorinnen und -autoren in der Bevölkerung einen deutlichen Abbau von negativen Vorurteilen gegenüber nonbinären Menschen beobachten – und sogar einen grossen Zuwachs an positiven Gefühlen vermerken (siehe Grafik).

Kontakt zu verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist also wichtig für das konfliktfreie Zusammenleben. Dies gilt besonders für jüngere Menschen zwischen 16 und 25 Jahren. Denn die Studienautorinnen und -autoren haben entdeckt, dass gerade diese Gruppe sehr polarisierte Haltungen gegenüber Minderheiten vertritt.

Der Umgang mit Vielfalt ist ein fächerübergreifendes Thema. Entsprechend ausgerichtet sind Lehrmittel, die sich damit befassen: «Drei Lehrmittel, die Vorurteile abbauen und Neugierde wecken», bildungschweiz.ch.

Autor
Kevin Fischer

Datum

15.12.2025

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