Schulreise

Mitten im Trubel des Opernalltags

Auf einer Führung durch das Zürcher Opernhaus erfahren Jugendliche, was es alles braucht, bevor sich der Vorhang hebt. Sie lernen so auch eine vielseitige Berufswelt kennen.

Drei Schulkinder stehen auf der Opernbühne. Im Hintergrund sind Sitzreihen sichtbar.
Ungewohnt für die Schülerinnen und Schüler ist der Blick von der Bühne in den Zuschauerraum. Sie sehen, was dem Publikum verborgen bleibt, etwa den Orchestergraben oder den Schnürboden. Fotos: Gion Pfander

Die Sekundarlehrerin Gabriella Rauber erinnert sich noch gut an ihren ersten Opernbesuch. Mit einer befreundeten Familie war sie in Verona und sah das Stück «Aida». Nicht nur die Musik, sondern auch das Ambiente und die Stimmung haben sie so geprägt, dass sie Jahrzehnte später noch dankbar daran denkt. Und sie will ihren Lernenden, von denen viele einen Migrationshintergrund haben und aus einem bildungsfernen Elternhaus stammen, ähnliche Erlebnisse ermöglichen: «Mir ist es wichtig, dass meine Schülerinnen und Schüler kulturelle Institutionen kennen, schätzen und geniessen lernen.»

«Oper bedeutet nicht nur Unterhaltung.»

An einem verregneten Vormittag begleitete BILDUNG SCHWEIZ die Lehrerin und ihre Schulklasse aus dem zürcherischen Affoltern am Albis auf einer Führung durchs Opernhaus. Roger Lämmli, Leiter der Musiktheaterpädagogik, führte die Klasse hinter die Kulissen. Was Lämmli wichtig ist: «Oper bedeutet nicht nur Unterhaltung – die Produktionen sollen immer auch Stoff zum Nachdenken geben, beispielsweise über das Funktionieren unserer Gesellschaft und die Rolle des Menschen darin.»

Viel Betrieb hinter den Kulissen

Im Opernhaus wird fast rund um die Uhr gearbeitet. Am Vormittag finden jeweils Proben auf der Hauptbühne statt. Danach wird die Bühne für die Abendvorstellung umgebaut. In weiteren Proberäumen wird parallel dazu szenisch und musikalisch an anderen Produktionen geprobt. Während die Schulklasse an den Garderoben vorbei in den Bühnenvorraum und auf die Bühne geht, kommt sie an vielen emsig arbeitenden Menschen vorbei. Diese sind damit beschäftigt, den Bühnenboden auszutauschen, Scheinwerfer einzustellen und Bühnenbilder aufzubauen.

Mehr Ausflugstipps für Klassen gibt es in der Rubrik Schulreise: bildungschweiz.ch > Schulreisen

Bei einer Opernvorstellung gibt es neben den Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne zahlreiche Menschen, die im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf sorgen. So gibt es zum Beispiel die Dirigentin, den Maestro Suggeritore (Souffleur) sowie eine Inspizientin, die mit ihren Kommandos dafür sorgt, dass das Zusammenspiel zwischen Schauspiel, Bühnentechnik, Beleuchtung, Ton und Requisite passgenau funktioniert.

Müssiggang und Unterhaltung hatten wenig Platz im Leben der Menschen.

Kultur für das protestantische Zürich

Während Raubers Klasse auf den bequemen Publikumssesseln Platz nimmt und im Hintergrund weiter die Vorbereitungen auf der Bühne beobachtet, erzählt Lämmli von der Entstehung des Opernhauses. Im protestantisch geprägten Zürich des 19. Jahrhunderts hatten Fleiss und Arbeit einen hohen Stellenwert. Müssiggang, Kultur und Unterhaltung hingegen hatten wenig Platz im Leben der Menschen. Aus diesem Grund konnte Zürich seiner Bevölkerung kaum kulturelle Aktivitäten bieten – im Gegensatz zu wesentlich kleineren, katholischen Städten.

Auf Initiative der Zürcher Bürgerinnen und Bürger wurde dann 1834 ein sogenanntes Aktientheater eröffnet, das durch den Verkauf von Aktien finanziert wurde. Als dieses im Jahr 1889 abbrannte, wollten die Zürcherinnen und Zürcher schnell Ersatz. Nachdem Standort und Finanzierung geklärt waren, ging der Bau sehr rasch voran. Bereits 1891, nach nur 16 Monaten Bauzeit, war das Gebäude fertiggestellt. Im Gegensatz zu anderen grossen europäischen Opern war das Opernhaus Zürich von Anfang an eine Einrichtung für die breite Bevölkerung, nicht nur für die Gutbetuchten.

Die Oper als Berufsbildnerin

Heute arbeiten rund 800 Personen aus 38 Nationen am Opernhaus Zürich, wovon rund die Hälfte Frauen sind. Die Angestellten sind in 146 verschiedenen Berufen tätig. Hinzu kommen die Künstlerinnen und Künstler, die nur für einen kurzen Zeitraum in Zürich bleiben und dann für andere Engagements weiterziehen. Das Opernhaus nimmt zudem jedes Jahr rund 17 Lernende auf für handwerkliche und kaufmännische Berufe sowie in der Gastronomie. Es gibt auch Platz für Jugendliche mit einer Beeinträchtigung: «Wir sehen uns als sozialen Arbeitgeber und wollen auch die jungen Menschen unterstützen, die woanders keine Chance hätten», erzählt Lämmli.

Mit den Kostümen könnte man die Hälfte der Zürcher Bevölkerung ausstatten.

Die Jugendlichen werden zu den Requisiten geführt, vorbei an der Schneiderei, dem Möbel- und Kulissenlager und dem Kostümfundus. Im Opernhaus Zürich gibt es insgesamt etwa 250'000 Kostüme. Damit könnte man die Hälfte der Zürcher Bevölkerung mit einem Kostüm ausstatten. Alle Kostüme werden massgeschneidert. Kaputte Theaterschuhe werden ausgebessert und geflickt. Daher gibt es im Opernhaus Berufe, die andernorts kaum mehr ausgeübt werden, wie beispielsweise der Beruf des Schneiders oder der Schuhmacherin. Für Lämmli ist das Opernhaus daher auch eine Art Museum der Berufe, oder besser gesagt, ein Kompetenzzentrum für traditionsreiches Handwerk und aussterbende Berufe.

Das Handwerk hinter der Kunst

Viel zu sehen gibt es auch in der Werkstatt, die ein paar Häuserblocks weiter weg liegt: Hier ist Platz für Kreativität. Man sieht Handwerkerinnen und Handwerker, wie sie konzentriert Bühnenbilder bemalen oder Baumstämme nachbauen. Aus Silikon erschreckend echt nachgebildet, gibt es hier auch die Innereien eines Schweines, einen Frauenkörper und einen Männerkopf zu sehen. Nach rund zwei Stunden ist die Führung zu Ende und die Schulklasse macht sich wieder auf den Heimweg.

Oper für die Schule

Im Opernhaus sind Klassen aller Stufen willkommen. Ältere Schülerinnen und Schüler werden bei den geschichtlichen und gesellschaftskritischen Aspekten zum Mitdenken und -diskutieren ermuntert. Für Jüngere steht das Sehen, Hören und Erleben im Vordergrund. Die Führungen sind für Klassen aus den Kantonen Zürich, Aargau, Zug und Luzern kostenlos. Ansonsten kosten sie pro Klasse 100 bis 150 Franken. Das Opernhaus bietet auch Workshops und Vorbereitungslektionen für Aufführungen an.
Mehr Informationen: opernhaus.ch/jung/schulen

Nützliche Informationen

Vor oder nach dem Opernbesuch bietet sich ein Spaziergang zum Chinagarten an. Die künstlichen Gewässer, Felsformationen und die pflanzengesäumten Wege und Pavillons sind eine Oase der Ruhe. Am Zürichhorn, 1,7 Kilometer vom Opernhaus entfernt, kann man zu ÖV-Preisen mit einem Linienboot zum Bürkliplatz oder zum Landesmuseum fahren. Von dort erreicht man in wenigen Minuten den Hauptbahnhof.

Autor
Susanne Schild

Datum

04.03.2024

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