Vor 100 Jahren

Mädchen sollen kochen und Jungen rechnen lernen

In den 1920er-Jahren wollte der Kanton Zürich den Hauswirtschaftsunterricht im Stundenplan verankern. Um Zeit für die Lektionen zu schaffen, schlug eine Lehrerin vor, unter anderem Physiklektionen zu reduzieren.

Eine Frau mit Küchenschürze blickt ratlos auf die verschiedenen Gemüse, die vor ihr auf der Küchenzeile liegen. Foto: iStock/Tatsiana Volkava
Hauswirtschaft galt lange Zeit als Frauensache. Foto: iStock/Tatsiana Volkava

Auch das Führen eines Haushalts will gelernt sein. Vor 100 Jahren hatten verschiedene Kantone bereits Hauswirtschaft auf dem Stundenplan. Im Kanton Zürich gab es jedoch nur ein Freifach dazu.

Das wollte eine Lehrerin ändern, wie es in der Schweizerischen Lehrerzeitung, der Vorgängerin von BILDUNG SCHWEIZ, heisst. Am 24. November 1923 sprach sie sich an einer Konferenz für den obligatorischen Hauswirtschaftsunterricht in Zürich aus. Vier Lektionen sollten dem Fach gewidmet werden. Die Lehrerin machte auch gleich einen Vorschlag, wie ein überfüllter Stundenplan zu verhindern wäre. Wichtig zu wissen: In dieser Zeit war Hauswirtschaft ausschliesslich für Mädchen gedacht. Ihr Vorschlag tönt darum auf die heutige Zeit übertragen haarsträubend.

Weniger rechnen, mehr kochen

Die Lehrerin argumentierte so: «Aus gesundheitlichen Gründen müsste zudem eine Entlastung der Mädchen eintreten, am besten wohl in den verstandesmässigen Fächern Geometrie und Physik.» Sie fand also Mathematik und Physik für Mädchen vernachlässigbar, wenn sie nur einen Haushalt führen konnten. Doch gab es damals immerhin schon ein geringes Bewusstsein für Chancengleichheit: Zwar war die Mehrheit der Anwesenden der Meinung, dass Mädchen Hauswirtschaftsunterricht benötigen. Aber das sollte nicht auf Kosten sogenannter Wissensfächer geschehen. Das würde, so die Bedenken, den Mädchen den Übertritt erschweren, falls sie nach der Sekundar- an der Mittelschule weitermachen wollten.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist zwar auch heute noch nicht in allen Bereichen gewährleistet. Doch zumindest im Hauswirtschaftsunterricht sollte diese heute erreicht sein, wenngleich das Fach nun moderner «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» heisst.

Autor
Kevin Fischer

Datum

05.01.2024

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