Einige Schülerinnen und Schüler verstummen und sind blockiert, wenn die Lehrperson ihnen eine Frage stellt – auch wenn sie den Stoff ansonsten problemlos zu verstehen scheinen. Diese Reaktion auf eine Frage ist zwar nicht auf das Alter beschränkt, in dem man die obligatorische Schule besucht. Doch gerade im Klassenzimmer ist sie wohl immer wieder beobachtbar. Auch vor 100 Jahren war diese Blockade ein Thema, wie ein Artikel in der Schweizerischen Lehrerzeitung, der Vorgängerin von BILDUNG SCHWEIZ, zeigt.
Psychische Staus und Frageschocks
Der Autor des Artikels bemängelte im Januar 1924, dass Lehrpersonen zwar viel über pädagogisch wertvolle und korrekte Fragestellungen lernen können. Doch sei zu wenig Wissen vorhanden, um mehr über die konkreten Auswirkungen einer Frage auf die Schülerin oder den Schüler zu erfahren. Eine Frage könne nämlich zu einer «psychischen Stauung» führen . Diese wiederum könne falsch gehandhabt zu einem wiederkehrenden oder gar sich ausbreitenden Phänomen werden.
Der Autor bezeichnet das Ergebnis dieser «Stauung» als «Frageschock». Damit dieser weniger auftritt, sei es wichtig, dass das Ausbleiben der Antwort nicht als intellektuelles Versagen, Unfähigkeit oder Dummheit verstanden und behandelt werde. Verständnisvolles Abwarten, Ermuntern der Schülerin oder des Schülers und je nachdem gar der Verzicht auf eine Antwort seien bessere Mittel, mit dem Schock umzugehen.
Das ist eine Erkenntnis, die vor 100 Jahren vielleicht tatsächlich einmal ausdrücklich erwähnt werden musste. Heute ist man hoffentlich geduldiger und schliesst nicht mehr direkt auf eingeschränkte intellektuelle Fähigkeiten.