Wie es ist, blind zu sein

«Ich wollte beweisen, dass ich trotzdem gut bin»

Janka Reimmann (50) ist jung erblindet. BILDUNG SCHWEIZ erzählt sie von ihrer Schulzeit und wie sie den Wechsel in die Blindenschule erlebt hat.

Janka Reimmann.
Janka Reimmann. Foto: Maja Thalmann

«Heute werden Kinder an Schulen besser begleitet als noch vor 40 Jahren. Das kriege ich auf meinen Schulbesuchen für den schweizerischen Blindenbund mit. Da spreche ich mit Kindern über mein Leben mit einer Sehbehinderung. 

In meinem achten Lebensjahr begann sich meine Netzhaut abzulösen. Seitdem sehe ich immer weniger. Ich bin jetzt 50 Jahre alt und sehe nur noch zwei Prozent. Dadurch erkenne ich nur noch minime Unterschiede zwischen Hell und Dunkel.

Ich wünschte, es hätte Computer mit Sprachausgabe und heilpädagogische Unterstützung schon während meiner Schulzeit gegeben. Mit mehr Unterstützung hätte ich vielleicht meine ganze Schulzeit in der Regelschule absolvieren können. Ich musste jedoch in der vierten Klasse auf eine Sonderschule wechseln. Das hat mein Leben sehr verändert. 

Ich verlor den Kontakt zu den Kindern an meinem Wohnort. Mir gefiel zwar der Unterricht in der kleinen Klasse, wo ich schnell aufgenommen wurde. Die Schule war auf meine Bedürfnisse zugeschnitten.

Ich war eine ehrgeizige Schülerin – vielleicht auch, weil ich beweisen wollte, dass ich trotzdem gut bin.

Als ich für das zehnte Schuljahr wieder an eine Regelschule wechselte, war ich schon etwas nervös. Ich war jedoch eine ehrgeizige Schülerin – vielleicht auch, weil ich beweisen wollte, dass ich trotzdem gut bin. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch etwa zehn Prozent meines Sehvermögens. Mit einer Lupenbrille konnte ich vergrössert ausgedruckte Texte lesen. 

Bei den Prüfungen erhielt ich für manche Aufgaben etwas mehr Zeit. So gelang der Wechsel gut und ich konnte später auch eine Bürolehre erfolgreich abschliessen. Ich bin zudem ein sehr offener Mensch und es fällt mir leicht, neue Kontakte zu knüpfen.

«Blinden Menschen fehlt es an Sehkraft – nicht an Intelligenz.»

Kinder und Jugendliche können nämlich sehr gemein zueinander sein. Mobbing war für mich aber kein Problem. Kolleginnen hatten da zum Teil weniger Glück. Beleidigungen sind verbreitet. Wenn ich zum Beispiel höre, wie jemand als ‹behindert› bezeichnet wird, schreite ich ein. Jedenfalls dann, wenn ich die Kraft dazu habe. Ich erkläre dann auch, dass ich nicht behindert bin. Ich habe eine Behinderung. 

Blinden Menschen fehlt es an Sehkraft – nicht an Intelligenz. Wenn in der Schule Hilfsmittel und Unterstützung fehlen, wird man allerdings zur Behinderten gemacht. Menschen sind aber verschieden. Kinder sollten das schon früh lernen. Davon profitieren alle. Integration steht und fällt jedoch mit dem Willen der Schule und der Lehrpersonen. Letztlich stellt sich sowieso die Frage: Was ist schon normal?»

Autor
Aufgezeichnet von Patricia Dickson

Datum

07.05.2025

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