Burnout im Lehrberuf

«Ich funktionierte wie eine Maschine»

In der Sommerserie 2025 stellt BILDUNG SCHWEIZ Lehrpersonen vor, die verschiedene Hindernisse überwunden haben. Zum Beispiel lief beim Lehrer und Schulleiter Lars Ziörjen zunächst alles wie am Schnürchen. Dann fiel sein Leben zusammen wie ein Kartenhaus.

Ein lächelnder Mann.
Lars Ziörjen forderte in der Vergangenheit zu viel von sich. Fotos: Marion Bernet

Lars Ziörjen rauscht mit seinem E-Bike zum Termin mit BILDUNG SCHWEIZ in einem Stadtberner Quartier an. Davor ist er im wenige Kilometer entfernten Herrenschwanden mit seinen beiden Söhnen in den Tag gestartet. Nun sind sie in der Schule. 

Später am Vormittag steht für Ziörjen eine Teambegleitung an einer Schule auf dem Programm, dann folgt eine Sitzung zu einem Arbeitsintegrationsprojekt: Jugendliche spielen Videogames, Super Mario zum Beispiel. Anschliessend reflektieren sie mit einem Coach zusammen ihr Verhalten: «Wo könntest du selbst in deinem Leben etwas mehr die Hauptfigur sein?» Es geht um Persönlichkeitsentwicklung. Zum Abschluss des Arbeitstages folgt ein Termin in der Gemeinschaftspraxis, wo Ziörjen einen Klienten zum Einzelcoaching trifft. 

Engagierter Lehrer

Ziörjen (42) liebt es vielfältig. Er bringt vieles unter einen Hut. Ohne Stress, wie er versichert. Das war aber nicht immer so. Es gibt ein Früher. «Da funktionierte ich wie eine Maschine», erzählt
er. Ziörjen arbeitete als Lehrer und Schulleiter, hatte eine junge Familie.

BILDUNG SCHWEIZ widmet 2025 eine Rubrik dem Thema Barrieren. Die Sommerserie widmet sich entsprechend Lehrpersonen, die verschiedenste Hindernisse überwinden mussten: Sommerserie

Gerne erinnert sich der Lehrer an die Schultheater, die er von Grund auf mit seiner Klasse erschuf. Er wollte viel und verausgabte sich dabei. Etwas geriet jedoch aus dem Gleichgewicht. «Ich weiss selbst nicht genau, was der Auslöser dafür war», sagt er rückblickend. Schon morgens fühlte sich Ziörjen traurig. Tagsüber riss er sich zusammen und auf der Heimfahrt mit dem Velo flossen Tränen. «Ich rettete mich in die Sommerferien und dachte, danach werde es wieder besser gehen. Doch das Gegenteil war der Fall.» Schon beim Schuljahresbeginn fühlte er sich ausgepumpt und sass manchmal nur so da. 

Der Tiefpunkt

Der Tiefpunkt war erreicht, als seine Partnerschaft damals im Herbst in die Brüche ging. Da habe er manchmal daran gedacht, wie es wäre, einfach nicht mehr da zu sein. Eine Kollegin, ebenfalls Lehrerin an seiner Schule, bemerkte seine Not, die er sonst gut vor anderen verbarg. Sie war ihm von da weg eine Stütze und überzeugte ihn, eine Atemtherapie zu machen. 

«Am zweiten Tag des Herbstquartals gab ich meine Klasse ab», erinnert er sich. Von nun an widmete er sich nur noch der Arbeit als stellvertretender Schulleiter. Der Arzt riet ihm eigentlich, sich ganz krankschreiben zu lassen. Doch das wollte Ziörjen nicht. Ob das, was er durchmachte, ein Burnout war, spielt für Ziörjen eine sekundäre Rolle. Er machte verschiedene Therapien und rappelte sich so langsam wieder auf.

Vom Bauchgefühl

Wichtig für ihn wurde von nun an, auf sich zu hören – oder besser: auf sein Bauchgefühl. Das veränderte seine Einstellung zum Arbeiten und zum Leben. «Ich merkte, dass ich anders bin, als ich gemeint habe, ein sensiblerer Mensch.» Diesen wollte er nun erkunden. Er machte sich mit der Zeit selbstständig und widmet sich mittlerweile einem bunten Strauss von Aktivitäten.  Als Integral- und Intuitionscoach begleitet er beispielsweise Schulen und Einzelpersonen.

Aber auch neue Projekte kommen hinzu: «Ich beginne einfach und schaue, was daraus wird.» Zum Beispiel macht er seit kurzem einen eigenen Podcast. Die Art und Weise, wie er die Folgen produziert, steht für sein Lebensgefühl: «Ich überlege mir ein Thema, mache mir zwei, drei Gedanken dazu und lege los. Eine Aufnahme mit Vor- und Nachspann, fertig.» 

Ziörjen, trotz vollem Tagesprogramm, erzählt all das an diesem Morgen in einer Berner Kaffeebar entspannt, berichtet davon, wie ihm diese unbelastete Herangehensweise schöne Begegnungen beschert, wie «Herzensmenschen» seine Wege kreuzen. Belastungsfähig ist er längst wieder, wie seine gefüllte Agenda verrät. 

Atmen – Innehalten

Aber ins alte Muster zurück fällt er nicht mehr: «Wenn nötig, nehme ich mir Zeit für mich.» Was er als einfache Erkenntnis aus seinem bisherigen Leben weitergeben möchte, ist dieser Rat: Einmal täglich richtig atmen. «Schnüüfele», wie er sagt. Spüren, wie der Atem tief einströmt und sich darauf fokussieren. Was spüre ich? Wenn es sich nicht gut anfühlt, etwas ändern. Manchmal reicht ein Spaziergang. Manchmal sollte man sich aber auch Hilfe holen. Ziörjen spricht aus Erfahrung. 

Wohin ihn sein Lebensweg nun führt, weiss er nicht. Das ist ihm auch nicht so wichtig. Er ist aber zuversichtlich, dass es ein guter Weg sein wird. Diese Offenheit schätzt er an sich und an seinem neuen Leben. Sagt's, schwingt sich auf sein E-Bike und «chesslet» – wie er es ausdrückt – ans nächste Etappenziel auf seiner Reise.

Autor
Christoph Aebischer

Datum

15.07.2025

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