Schulreise

Eine Reise zu Legenden und einem Baumriesen

In Linn auf dem Aargauer Bözberg steht die über 600-jährige Linner Linde. Um sie ranken sich zahlreiche Legenden. Eine Schulreise zu diesem alten Baumriesen ist auch eine Reise zu einer aussergewöhnlichen Persönlichkeit.

Am Horizont befindet sich ein Baum. Die Sonne geht unter.
Seit über 600 Jahren steht die Linner Linde an ihrem Platz. Viele Geschichten ranken sich um den majestätischen Baum. Foto: Aargau Tourismus/Michel Jaussi

Bei der Linde von Linn im Kanton Aargau stehen vier Bänke. Unter dem Blätterdach des über 600-jährigen Baums ist genug Platz, um sich nach einer Wanderung zu erholen – oder vor einer Wanderung die Batterien aufzuladen. Dies dürfte nicht besonders schwerfallen, denn: Der imposante Baum gilt über die Kantonsgrenzen hinaus als Kraftort mit besonders starker Energie. Die Aussicht ins Aaretal und bis zur Habsburg ist zudem imposant. Ebenso eindrücklich sind die Geschichten und Legenden, die sich um diesen Baum am Dorfeingang von Linn ranken.

Der imposante Baum gilt über die Kantonsgrenzen hinaus als Kraftort.

«Die Linde von Linn steht sehr exponiert an einer ehemaligen Transitstrecke zwischen Zürich und Basel», weiss Michel Brunner. Er ist Baumexperte und hat das erste Bauminventar der Schweiz erstellt. Er kennt die grössten und schönsten Linden Europas – von Italien bis Norwegen.

Mehr Ausflugstipps für Klassen gibt es in der Rubrik Schulreise: bildungschweiz.ch > Schulreisen

Die Sommerlinde von Linn gilt als Markbaum. Markbäume dienten der Markierung einer Wegstrecke. Ganz in der Nähe der Linner Linde befindet sich ein Römerweg, die «römische Gleisstrasse». Über diese Strasse und den Bözberg haben die Römer zu Fuss und mit Pferd und Wagen Handel betrieben. Die Verbindung war zudem der direkte Weg zwischen Augusta Raurica und dem Legionslager in Vindonissa. Auch später war die Strasse über den Bözberg eine wichtige Handelsroute.

Auf den Spuren von Gallus

Der Legende nach besuchte bereits der heilige Gallus, ein christlicher, irischer Missionar, im 6. Jahrhundert den Ort, wo heute die Linde steht. Dieser befand sich auf der Route über den Bözberg. Gallus habe sich hier ausgeruht – oder sogar den Baum gepflanzt. «Die Linde galt als Symbol des Christentums und wurde überall verbreitet», sagt Brunner. Es ist also durchaus denkbar, dass Gallus an diesem Ort tatsächlich eine Linde gepflanzt hat.

Wahrscheinlicher ist es aber, dass die Linner Linde erst zur Zeit der Pest gepflanzt worden ist. Die Sommerlinde von Linn gilt als Pestbaum. Darin konnte man die Krankheit symbolisch bannen. Die Pest wütete 1348 und 1349 auch im Dorf Linn. Nach dem damaligen Volksglauben hielten sogenannte Pestlinden Krankheiten fern und schützten vor Unheil. Allerdings wurde das Dorf Linn auch im 17. Jahrhundert noch einmal von der Pest heimgesucht. Und der Legende nach soll es nur einen einzigen Überlebenden gegeben haben. Er soll die Linde am Dorfeingang gepflanzt haben.

Einer der dicksten Bäume

«Es gibt also durchaus verschiedene Ansichten, wie alt der Baum ist», sagt Brunner. Dennoch gibt es einige Fakten, welche die Linner Linde, abgesehen vom Alter, zu einem der berühmtesten Bäume der Schweiz machen. So hat sie einen der dicksten Baumstämme in der Schweiz: Sie hat einen Umfang von über elf Metern. Und sie ist innen hohl.

«Ich habe die Linner Linde schon als Kind mit meinen Eltern besucht.»

«Dass ein alter Baum gross und gesund sein kann, aber innen hohl ist, überrascht viele Menschen, welche die Linner Linde besuchen», sagt Brunner. Der ausgehöhlte Stamm sei eine normale Wachstumserscheinung. Majestätisch ist die Kronenbreite der Linner Linde. Sie beträgt 21 Meter.

Beliebter als viele andere Ausflugsziele

«Ich habe die Linner Linde schon als Kind mit meinen Eltern besucht», sagt Brunner. Auch heute noch besuche er sie ab und an, wenn er auf einer Wanderung in der Gegend sei. Im Aargau ist der Baum denn auch ein beliebtes Schulreise- und Ausflugsziel. Unzählige Aargauer Schulkinder haben ihn bereits gesehen. Die Linner Linde ist mittlerweile so beliebt, dass es den Verantwortlichen des Dorfs Linn und des Juraparks Aargau manchmal fast zu viel wird. Gerade der Autoverkehr belaste das Dorf, heisst es seitens des Juraparks Aargau.

Zur Linner Linde lässt sich allerdings gut mit dem öffentlichen Verkehr anreisen. Die Bushaltestelle Bözberg liegt unmittelbar bei der Linde. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die malerischen Kulturlandschaften des Bözbergs von dort aus zu Fuss zu erkunden:

Mit den Kleinen ins Sagemülital

Eine einfache, aber spannende Route, die mit Schülerinnen und Schüler des Zyklus 1 machbar ist, ist der Natur- und Kulturweg Linn. Der Rundweg führt ins wildromantische Sagemülital. Durch den Buchen- und Föhrenwald gelangt man talabwärts zum Linnerbach-Wasserfall. Dieser ist mit fünfeinhalb Metern der höchste im Kanton Aargau. Weiter geht es dann zum idyllischen Sagemüliweiher. Dieser geschützte Ort lädt zum Innehalten ein. Entlang der Dorfstrasse und vorbei an schmucken Bauernhäusern geht es wieder zurück nach Linn. Der Rundweg ist vier Kilometer lang, die Wanderzeit beträgt etwa eine Stunde.

Römerstrasse für die Mittelstufe

Eine etwas längere, aber geschichtlich interessante Wanderung ist der Besuch der römischen Gleisstrasse. Diese wurde teilweise direkt aus dem Kalkfelsen gehauen. Die gut erhaltenen Wagenräderspuren im Felsen sind eindrücklich und klar zu erkennen. Die beiden Rillen weisen einen Abstand von gut einem Meter auf und sind bis zu 30 Zentimeter tief.

Bis zur Römerstrasse sind es rund fünf Kilometer. Entweder wählt man dann denselben Weg zurück und hört in der Hälfte des Rückweges bei der Bushaltestelle Schwerzbrünnli auf. Oder es ist auch möglich, eine Rundwanderung via Linner Linde, Wasserfall, Römerstrasse und zurück zur Linner Linde zu absolvieren. Diese Route ist dann allerdings rund elf Kilometer lang und wohl eher für ältere und sportliche Schülerinnen und Schüler geeignet.

Bergroute für die Oberstufe

Eine etwas kürzere Variante für Zyklus-3-Schülerinnen und -Schüler wäre die Bergroute. Sie führt via Linn, Linner Linde über den Linnerberg zum Wasserfall und Steinbruch. Anschliessend geht es über den Hundsrugge zurück ins Dorf Linn. Die Länge dieser Wanderung beträgt rund 8,3 Kilometer. Der tiefste Punkt der Wanderung liegt auf 566 Meter über Meer, der höchste Punkt auf 727 Meter über Meer. Es sind also rund 150 Höhenmeter zurückzulegen.

Ausser den geschilderten Rundwanderungen ist es auch möglich, als Startpunkt eine der umliegenden Ortschaften rund um den Bözberg zu wählen und die Linner Linde als Ziel anzuvisieren.

Die Linde im Dorf und weltweit

So berühmt die Linner Linde ist: Sie ist nicht die einzige Linde in der Umgebung. Am Dorfplatz in Linn steht ebenfalls eine, bei der sich Linnerinnen und Linner zum Dorffest, Christbaumverteilen oder Neujahrseinklang treffen. Weltweit gibt es ungefähr 45 Lindenarten. In Mitteleuropa sind allerdings nur drei Lindenarten heimisch: die Sommerlinde, die Winterlinde sowie die Kreuzung aus den beiden Linden, die holländische Linde.

Der Besuch der Linner Linde, ihre Geschichte und die Biologie des Baumes eröffnen unzählige Möglichkeiten, handfestes Wissen im NMG-Bereich zu erarbeiten oder den Besuch auch für die Erarbeitung mathematischer Kenntnisse zu nutzen. So könnte man mit den Schülerinnen und Schülern beispielsweise die Höhe, die Länge und den Durchmesser sowie das Volumen des Baumes errechnen.

Für Michel Brunner lohnt sich der Besuch der Linner Linde – oder aber auch anderer Baumriesen in der Schweiz – noch aus einem anderen Grund. Für ihn sind «Bäume Persönlichkeiten, wie wir Menschen auch».

Nützliche Informationen

An der Linner Linde fährt ein Postauto vorbei. Ab Brugg AG mit der Postautolinie 372 bis Bözberg, Linn. Oder zu Fuss ab Thalheim oder Effingen direkt zur Linde. Weitere Wandervorschläge für Schulreisen im Jurapark Aargau finden sich unter: jurapark-aargau.ch. Empfehlenswert zur Inspiration und Vorbereitung sind auch Bücher von Michel Brunner, zum Beispiel «Alleen der Schweiz».

Autor
Mireille Guggenbühler

Datum

13.03.2025

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