Die Stadtzürcher Sekundarschule Käferholz hat schon mehr als 75 Jahre auf dem Buckel. Und seit einem Jahr ist sie eine Pionierin: Im Erdgeschoss steht eine genderneutrale WC-Anlage. «Die Umsetzung war kein Problem, das ging schnell und unkompliziert», sagt Schulleiter Aaron Schnyder. Der Wunsch kam von Jugendlichen, die sich als nicht-binär definieren: Sie ordnen sich weder ausschliesslich dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zu. Es stellte sich die Frage: Welches WC benützen sie? Eine Frage, die einige als Bagatelle abtun – doch die Schulleitung schenkte dem Anliegen Gehör. «Es ist nun mal so, dass einige Jugendliche das Bedürfnis nach genderneutralen WCs haben, also haben wir das Machbare getan», sagt Schnyder.
Einfach Schilder auswechseln
Zusammen mit der Schulsozialarbeiterin haben Interessierte eine Toleranzgruppe ins Leben gerufen, die sich regelmässig trifft. Daraus habe sich die Lösung für die WCs ergeben. Baulich sei im alten Schulhaus alles vorhanden gewesen. «Wir mussten nur die Schilder auswechseln und neue Schlösser montieren», sagt Schnyder. Nun kann man die bestehenden Kabinen mit Pissoir und WC abschliessen. Die geschlechtsneutralen Toiletten stehen allen Lernenden – unabhängig ihres Geschlechts – zur Verfügung. Reaktionen aus der Elternschaft oder von anderen Schülerinnen und Schülern sind ausgeblieben, abgesehen von einzelnen Fragen. «Das WC ist bei uns gar kein grosses Thema mehr, es gehört zum Alltag», sagt Schnyder.
Tradition pflegen
Schnyders Pragmatismus steht im Kontrast zur Kontroverse, die das Thema in Politik und Medien auslöst. «Daraus wird eine Riesengeschichte gemacht, die nicht nötig wäre», findet Schnyder. Mit der Riesengeschichte meint er etwa die Debatte im Zürcher Stadtparlament vor einigen Monaten. Denn das Schulhaus Käferholz hat vorweggenommen, was im neuen Raumprogramm für die Stadtzürcher Schulen zum Standard erhoben wurde. Dort steht seit Ende 2022: «WC-Anlagen sind (…) zu einem Drittel für Mädchen, zu einem Drittel für Knaben und zu einem Drittel genderneutral zu signalisieren. Die genderneutralen WC-Anlagen stehen allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung.»
«Daraus wird eine Riesengeschichte gemacht, die nicht nötig wäre.»
Die SVP kritisierte den «Gender-Gaga» lautstark, aber letztlich ohne Erfolg. Der Zürcher Stadtrat will mit dem neuen Standard einen Beitrag leisten, «damit Menschen ihre Geschlechtsidentität leben können» – unabhängig von der Anzahl Betroffener. Die Stadt führe keine Statistik über Geschlechtsidentität. «Der Schutz und die Respektierung von Minderheiten hat in der Schweiz eine lange Tradition, auch an der Stadtzürcher Volksschule.» Kommt hinzu, dass geschlechtsneutrale WCs in vielen Lebensbereichen schon lange Standard sind: in kleinen Restaurants, Flugzeugen, Zügen oder zu Hause. Auch die neuen öffentlichen WC-Anlagen sind nicht mehr nach Geschlechtern getrennt – ohne dass dies für Aufsehen gesorgt hätte.