Bahngeschichte erleben

Schulreise im Land der roten Züge und eleganten Viadukte

Die Bahnlinie zwischen Thusis und Tirano bietet spektakuläre Viadukte und eine spannende Geschichte. Im Bahnmuseum in Albula können die Besucherinnen und Besucher sogar mit einem «Krokodilsimulator» virtuell durch den Albulatunnel fahren.

Das Landwasserviadukt bei Filisur.
Das Landwasserviadukt bei Filisur ist Teil der Bahnlinie Thusis–Tirano, die zum UNESCO-Welterbe gehört. Foto: zVg

Eine «bahnbrechende» Schulreise ganz im Zeichen von Eisenbahn, Viadukten und Tunneln verspricht ein ein- oder mehrtägiger Ausflug in die Bündner Berge. Ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen ist Preda. Dort gibt es im Hotel Preda Kulm Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten. Von Preda aus führt ein als «Bahnerlebnisweg» ausgeschilderter Themenweg entlang der Bahnstrecke nach Bergün. Er folgt teilweise dem Flusslauf der Preda, teilweise der Bahnstrecke und ist mit zehn Informationstafeln ausgestattet. Sie geben Einblick in die Technik und Geschichte der Albulalinie. Der Themenweg wird unterhalb von Bergün bis Filisur fortgesetzt, ist dort aber landschaftlich weniger vielseitig. Die anspruchsvolle Wanderung von Preda bis Bergün dauert etwa 2,5 Stunden, von Bergün nach Filisur 3,5 Stunden und eignet sich für Schulkinder ab der 4. Klasse.

Der Weg zwischen Preda und Bergün ist steil und steinig. Immerhin muss die Bahn – und folglich auch der Wanderer oder die Wanderin – auf einer Strecke von zwölf Streckenkilometern und fünf Kilometern Luftlinie rund 400 Höhenmeter überwinden. Dieser Unterschied ist in den geografischen Gegebenheiten und in der Bahntechnik begründet: Der Streckenabschnitt schlängelt sich durch ein enges Tal mit steilen Flanken. Weil die Ingenieure beim Bau des Streckennetzes der Rhätischen Bahn (RhB) gewillt waren, grundsätzlich auf Zahnradabschnitte zu verzichten, musste eine äusserst anspruchsvolle Linienführung gewählt werden. Sie ist von zahlreichen Schlaufen und Richtungswechseln geprägt.

Auf dem Weg begegnet man immer wieder so genannten Trainspottern mit ihren Kameras auf der Pirsch nach attraktiven Zugmotiven, um zum Beispiel ein Bild von einem Nostalgiezug, der aus einem Tunnel erscheint, zu erhaschen.

Führungen im neuen Albulatunnel

Bevor die Wanderung losgeht, lohnt sich ein Blick auf die Baustelle für den neuen Albulatunnel. In Preda befinden sich die Förderbandanlagen und die Kiesaufbereitung. Der bestehende Albulatunnel zwischen Preda und Spinas wurde 1903 in Betrieb genommen und ist heute UNESCO-Welterbe. Im Jahr 2006 ergab eine Erfassung des Zustands gravierende Mängel: Mehr als die Hälfte der 5864 Meter langen Tunnelröhre befindet sich in schlechtem Zustand und muss erneuert werden. Nach eingehender Prüfung der Variante «Instandsetzung» einerseits und «Neubau» andererseits entschied sich die Rhätische Bahn 2010 für einen Neubau.

Mittlerweile ist dieser schon weit fortgeschritten: Letztes Jahr erfolgte der Rückbau der Förderbandanlagen und der Kiesaufbereitung. Der Tunnel wurde – noch ohne technische Installationen – der RhB übergeben. Bis 2024 sollen gemäss RhB alle Arbeiten abgeschlossen sein. In Zusammenarbeit mit dem Bahnmuseum Albula führt die Rhätische Bahn regelmässig Baustellenführungen in Preda durch. Für Gruppen sind separate Führungen auf Anfrage möglich.

Der «schönste Flecken der Schweiz»

Nicht bloss der Bahnerlebnisweg ergibt eine lohnende Wanderung ab Preda. Ein Ausflug führt zum in eine zauberhafte Landschaft eingebetteten Palpuognasee. Er erhielt bei einer Umfrage des Schweizer Fernsehens SRF 2007 die Auszeichnung des «schönsten Fleckens der Schweiz» zugesprochen.

Der Palpuognasee erhielt bei einer Umfrage des Schweizer Fernsehens SRF 2007 die Auszeichnung des «schönsten Fleckens der Schweiz» zugesprochen.

Der See liegt etwa acht Kilometer oberhalb von Bergün auf einer markanten Talstufe am Fuss des Piz Palpuogna. Der See ist über die Albula-Passstrasse oder auf einer 45-minütigen Wanderung von Preda aus zu erreichen. Das Wasser des Sees mit seinen klaren blau-grünen Tönen bietet vor allem im Herbst, wenn die ihn umgebenden Lärchen gelb sind, ein schönes Farbenspiel. Der Seegrund hat viele Krater, aus denen natürliche Erdgase austreten. Stellenweise hat der See einen doppelten Boden, sprich unterirdische See-kammern.

Im Krokodilsimulator auf die Albulalinie

Mit einer Schulreise ideal verbinden lässt sich zudem der Besuch des Bahnmuseums Albula in Bergün, der Bahnfans durch die Bahngeschichte Graubündens führt. Zu sehen sind alte Bahnutensilien, Filme und Modelle. Im Führerstand des Simulators der legendären Krokodillokomotive lässt sich die Albulalinie befahren. Andere staunen in der Modellwerkstatt oder informieren sich an der Wechsel- oder Erlebnisausstellung. 600 Ausstellungsobjekte aus mehr als 100 Jahren Bahngeschichte zeugen von Pioniertaten in Graubünden, von den Menschen, welche die Bahn prägten – und von Landschaften, die von ihr geprägt wurden. Ausrangierte Bahnhofsuhren, historische Dokumente oder Pläne zum Bau der Kunstbauten zeigen die Geschichte und Bedeutung der spektakulären UNESCO-Welterbe-Strecke zwischen Thusis und Tirano auf.

Eine aussergewöhnliche Bauleistung

Vom Bahnhof Filisur aus kann die Schulreise durch eine Wanderung zum eindrücklichen Landwasserviadukt aus dem Jahr 1901 ergänzt werden. Die kurze Wanderung führt vom Bahnhof Filisur ein Stück der Strasse entlang bis zur zweiten Bahnunterführung. Anschliessend folgt der Weg der Bahnlinie und durch den Wald zu einer Aussichtsplattform, oberhalb des Landwasserviadukts.

22'000 Züge fahren pro Jahr über das 122-jährige Landwasserviadukt.

Das Landwasserviadukt ist 65 Meter hoch und 136 Meter breit und gilt als Wahrzeichen der Bahngesellschaft. Rund 60 Züge pro Tag oder 22 000 Züge pro Jahr überqueren das Viadukt. Das Bahntrassee überwindet im Bereich des Viadukts eine Steigung von 20 Promille und verläuft in einem Radius von 100 Metern. Mächtige Gewölbebögen von 20 Metern überspannen das Landwasser. Sie ruhen auf fünf Pfeilern. Die Gleise führen hoch an einer Felswand direkt in den 216 Meter langen Landwassertunnel.

Die drei Hauptpfeiler mussten beim Bau aus Kostengründen und wegen der Hochwassergefahr des Flusses Landwasser ohne Gerüst aufgemauert werden. Das war aussergewöhnlich. Dazu wurde in jedem Turm ein eiserner Stützturm aufgestellt, der dann eingemauert wurde. An dieser Konstruktion wurde jeweils eine Kranbrücke angehängt. Mit zunehmender Bauhöhe wurde der Stützturm erhöht und die Kranbrücke angehoben. Mit einer elektrischen Winde wurde das Material nach oben gehievt. Die Baukosten betrugen damals 280 000 Schweizer Franken.

Waldschwimmbad, Viamala-Schlucht

Abrunden lässt sich die Reise vielleicht im Waldschwimmbad Thusis, das mitten in einem idyllischen Wäldchen am nordöstlichen Dorfrand liegt, unmittelbar am Hinterrhein. Oder mit einem Besuch der Viamala-Schlucht, die vor Jahrtausenden vom Gletschereis und vom Wasser des Hinterrheins in den massiven Fels geschliffen wurde. So sind in der Viamala-Schlucht heute noch lebendige Spuren einer faszinierenden Geschichte zu entdecken. 359 Treppenstufen führen zum Schluchtzentrum, wobei Jahrtausende alte Strudeltöpfe, bis zu 300 Meter hohe glattgeschliffene Felswände und spektakuläre Brückenkonstruktionen zu entdecken sind.

Falls es ob den vielen Sehenswürdigkeiten nicht mehr für eine Heimreise am gleichen Tag reichen sollte: Ganz in der Nähe liegt die Jugendherberge Ehrenfels, einer weiteren Übernachtungsmöglichkeit in unmittelbarer Nähe der spektakulären Bahnlinie. Und sie steht dieser in nichts nach: Sie ist in einer richtigen Burg aus dem 13. Jahrhundert untergebracht.

Ausflugsprogramm:
Altersempfehlung: ab der 3. Klasse
Dauer: 1 Tag (Programm kann auch über mehrere Tage verteilt werden)
Preis pro Kind:
- 15 Franken für nationale Schultageskarte (schweizweite Anreise inklusive Zugfahrt auf der Welterbestrecke)
- 10 Franken für «UNESCO Welterbe RhB-Erlebnisse» (Besuch im Bahnmuseum Albula in Bergün, Filisur-Kulturspaziergang, Landwasser-Express-Fahrt zum Landwasserviadukt. Kombinierbar mit Wanderungen in der Umgebung, beispielsweise dem Bahnerlebnisweg Albula. Wanderzeit Preda bis Bergün rund 2,5 Stunden, Bergün bis Filisur rund 3,5 Stunden, Rundwanderung Filisur – Landwasserviadukt rund 1,5 Stunden)
- Optional: 10 Franken für Mittagessen
Gruppengrösse: variabel (ab 30 Personen ist die Verfügbarkeit der Guides/Restaurants zu prüfen)
Durchführungszeiten: 1. Mai bis 31. Oktober (montags bis freitags / im Mai und Juni ist das Museum montags geschlossen).
Unterrichtsmaterial: www.kiknet-rhb.org

Autor
Christian Urech

Datum

23.03.2023

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