Schulbesuch im Ausland

An dieser finnischen Schule sind alle per Du

Ihr Besuch an einer finnischen Gesamtschule hat Englischlehrerin Silvia Koch nachhaltig beeindruckt. Sie möchte die eine oder andere Erfahrung an ihrem Schweizer Arbeitsort einfliessen lassen.

Bildausschnitt zeigt Skandinavien auf einem Globus.
In Finnland hat Silvia Koch internationale Schulluft geschnuppert. Foto: Pixabay/pixelcreatures

BILDUNG SCHWEIZ: Sie verbrachten im Mai einige Wochen an einer finnischen Schule. Was beeindruckte Sie dort?

SILVIA KOCH: Auffällig war für mich die entspannte Atmosphäre an der Vaajakumpu-Gesamtschule in Jyväskylä. Nach jeder Lektion haben die Kinder eine Pause von mindestens einer Viertelstunde, die draussen verbracht wird. Die Kinder bleiben vom Kindergarten bis zum Ende der 9. Klasse zusammen und im selben Schulhaus. Das Lehrerzimmer gleicht einem gemütlichen Wohnzimmer. Lehrpersonen geniessen in der Gesellschaft hohes Ansehen. Viele junge Menschen streben den Lehrberuf an. Im freundschaftlichen Verhältnis zwischen den Schülerinnen und Schülern und den Lehrpersonen duzt man sich gegenseitig. In der Schule und in der ganzen Gesellschaft werden lebenslanges Lernen und soziales Denken gelebt. Auch «Sisu» spielt eine wichtige Rolle, besser bekannt als finnischer Weg zu innerer Stärke oder das Prinzip, nicht beim geringsten Widerstand aufzugeben. Probleme werden generell schnell und pragmatisch gelöst. Integrativ unterrichtet wird, soweit dies für alle zumutbar ist. Zeigen sich bei einem Kind grössere Probleme, sei es beim Lernen oder Verhalten, erhält es zu 100 Prozent eine ausgebildete Unterrichtsassistenz an die Seite. Verbessert sich die Situation nicht, kommt das Kind in eine der sieben Kleinklassen der Vaajakumpu-Schule, die von einer Lehrperson und einer Klassenassistenz geführt wird.

Lässt sich etwas davon auf Ihre Arbeit in der Schweiz übertragen?

Ich arbeite zu 100 Prozent in Bischofszell im Kanton Thurgau als Englischlehrerin auf der Primarstufe (3. bis 6. Klasse). Grundsätzlich stehen Spiel und Spass an der finnischen Schule weit vorne. Bei einem kantonalen Netzwerktreffen von Fachlehrpersonen werde ich sowohl von meinen Erfahrungen berichten als auch finnische Unterrichtsideen und Spiele vorstellen. Diese sind solcherart, dass die Kinder sie autonom im Schulzimmer, im Schulgebäude und draussen auf dem ganzen Schulareal umsetzen können. Mir ist es wichtig, dass möglichst viele Lehrpersonen und damit auch Schülerinnen und Schüler von diesen Spielformen profitieren. Nach den Herbstferien starteten die Englischlehrerin von Jyväskylä und ich ein mediales Austauschprojekt mit Kindern der sechsten Klasse. Falls Movetia, die nationale Agentur für Austausch und Mobilität, den Antrag gutheisst, werden drei Arbeitskolleginnen und ich im April 2025 die Vaajakumpu-Schule besuchen und im Mai von vier Lehrpersonen aus Jyväskylä in Bischofszell Besuch erhalten.

Wie kam es überhaupt zu diesem Auslandaufenthalt?

Der gute Ruf des finnischen Bildungssystems hat mich auf die Idee gebracht, bei einem Job Shadowing in Finnland Lehrpersonen über die Schultern zu schauen. Schon bald stiess ich auf Movetia. Via finnische Botschaft erhielt ich die Kontaktdaten von Jouni Kangasniemi, dem leitenden Ministerberater beim finnischen Ministerium für Bildung und Kultur. Er empfahl mir, mich auf der europäischen Schul-Plattform school-education.ec.europa.eu zu registrieren. So erhielt ich innerhalb weniger Stunden fünf Besuchsangebote von finnischen Schulen. Jouni Kangasniemi lud mich zusätzlich zu einem aufschlussreichen Interview nach Helsinki ein, ehe ich mit der Unterstützung von Movetia im Mai 2024 drei Wochen in Jyväskylä verbrachte.

Autor
(red)

Datum

20.12.2024

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