Egal ob Notenpult, Mehrzweckstuhl oder Universaltisch: Der Katalog für das Mobiliar an Schulen, Kindergärten und Betreuungsorten der Stadt Zürich enthält alle Möbelstücke, die eine Lernlandschaft braucht. Auf 109 Seiten können sich die Verantwortlichen der 107 Schulen und Kindergärten auf Stadtgebiet die Einrichtung zusammenstellen. Alles wird dabei zentral von der städtischen Immobilienabteilung organisiert. Das dort angebotene Mobiliar sei nach Aspekten der Ergänzbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Nachhaltigkeit beurteilt und beschafft worden, heisst es auf der Website. Auch die Meinungen der schweizerischen Unfallversicherung, der eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit, des Zentrums für Arbeitsmedizin, Ergonomie und Hygiene sowie von ETH-Spezialistinnen und -Spezialisten sei bei der Auswahl der Einrichtungsgegenstände eingeflossen.
LERNORTE
Wie richtet man ein Schulhaus ein?
Pulte, Stühle, Wandtafel, Ablagen und genügend Licht. Das ist ein Schulzimmer. Doch der Weg zum passenden Mobiliar ist komplex. Was einen Lernraum auszeichnet und weshalb längst nicht alle gut sind.


«Gerade Garderoben bergen grosses Potenzial für einladende Aufenthalts- und Lernorte.»
Wie muss eine Lernlandschaft aussehen, damit sich Kinder und Jugendliche wohlfühlen? Und lässt sich die Einrichtung so weit standardisieren, dass sie in über 100 Schulhäuser passt? Oder gehen hier die individuellen Bedürfnisse verloren? Und: Wie können Schulraumplanerinnen und -planer am besten auf die Bedürfnisse von Kindern und Lehrpersonen eingehen?
Ansprüche so vielfältig wie Menschen
Einer, der beide Seiten kennt, ist Niklaus Oppliger. Er ist ausgebildeter Kindergartenlehrer und schliesst aktuell sein Studium im Bereich «Innenarchitektur und Szenografie» an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel ab. Gemeinsam mit Meta Rüegg und Silvan Seifert gründete er das Planungsbüro «Raum und Bildung», das sich auf die Entwicklung von Schulräumen spezialisiert hat. Erste Erfahrungen hat Oppliger bereits bei der Planung eines Schulhauses in einer Gemeinde der Zürcher Agglomeration sammeln können.
Die zentrale Beschaffung der Schulhauseinrichtung – wie am Beispiel der Stadt Zürich illustriert – hält Oppliger für sinnvoll und auch notwendig. Standardisierte Produkte seien insbesondere dafür geeignet, um Anschaffungs- und Produktionskosten niedrig zu halten. Nebst dem verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern könne so auch ein gewisser Qualitätsstandard in allen Schulen der Stadt gewährleistet werden. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass damit Freiraum für individuelle Lösungen verloren geht: «Die Anforderungen an Lernlandschaften sind mindestens so vielfältig wie die Bedürfnisse der Menschen, die sie nutzen.» Für ihn ist ein Schulraum dann gelungen, wenn in ihm verschiedene Stile von Unterricht auch parallel stattfinden können.
Oft fehlt es in Schulhäusern auch am nötigen Platz, hat Oppliger beobachtet. Dieses Problem könne oftmals elegant gelöst werden. Dass etwa der Garderobenbereich ausschliesslich als solcher genutzt werde, sieht er als eine verpasste Chance. «Gerade Garderoben oder Gänge bergen grosses Potenzial für einladende Aufenthalts- und Lernorte. Dazu braucht es durchdachte und den Gegebenheiten angepasste Stauraumkonzepte.»

Generell müsse der Schulraum stärker als Lebensraum verstanden werden. So bieten immer mehr Schulen Ganztagesstrukturen an. Schulräume, Gänge und Aussenräume werden dort auch ausserhalb der Unterrichtszeit genutzt. Für Oppliger ist darum klar: «Die Schule von morgen bietet vielfältige Lernräume – von klassischen Arbeitsbereichen bis hin zu Rückzugsorten sowie Wohn-, Spiel- und Bewegungsräumen.»
Stadt richtet Modellzimmer ein
Heute sind vor allem Turnhallen und Aussenräume auf das für Kinder so wichtige Bewegen ausgerichtet. In Oppligers Vorstellung der «Schule von morgen» ermöglichen Räume neben klassischen Lern-Lehr-Settings wie direkter Instruktion und konzentriertem Arbeiten in ergonomischer Sitzhaltung auch weitere, kindgerechte Lernformen. «Die Lernenden finden Angebote, um sich bewegend, ruhend, sitzend, stehend oder liegend mit Inhalten auseinanderzusetzen.»
«Oft wird früh entschieden, ob und wie die künftigen Nutzenden mitsprechen und mitentscheiden dürfen.»
Eine Nachfrage von BILDUNG SCHWEIZ bei der Immobilienabteilung der Stadt Zürich zeigt, dass die Vorgaben weniger starr sind, als der Katalog mit seinen über 100 Seiten vermittelt. Die einzelnen Schulen haben ein Mitspracherecht. In rund einem Dutzend Schulanlagen wurden einzelne Klassenzimmer möbliert. Dann wurden Feedbacks gesammelt und daraus abgeleitet, welche Möbelstücke sich am besten für die Aufnahme in den Katalog und somit für die Stadtzürcher Schulzimmer eignen.
Auch Möbelstücke, die nicht im Katalog aufgeführt sind, können angeschafft werden. Dies sei in allen Projekten der Fall, wie eine Sprecherin weiter erklärt. Dies komme vor allem bei der Einrichtung von Bibliotheken, Mehrzwecksälen, Aufenthalts- und Ruheräumen vor. Weil die Stadt Aufträge öffentlich ausschreiben müsse, komme allerdings mehrheitlich standardisiertes Mobiliar zum Einsatz.
Einbezug sollte früh stattfinden
Die Ausstattung einer Lernlandschaft ist der letzte Schritt eines langen Prozesses. Davor wurden die Schulhäuser erst von Architekten entworfen, die wiederum meist nach der Genehmigung des Projekts in einer Volksabstimmung von der öffentlichen Hand beauftragt wurden. «Das pädagogische Konzept, die gelebte Praxis und auch die individuellen Bedürfnisse müssen schon früh in die Planung eingebracht werden», sagt Oppliger. Mit seinem Büro führt er Workshops durch, um die Nutzenden aktiv in den Planungsprozess einzubeziehen und ihre Perspektiven sichtbar zu machen.
Eine Herausforderung dabei: die strukturellen Abläufe von Planungs- und Bauprozessen. In der Regel sind die Menschen, die ein Schulhaus nach seiner Fertigstellung nutzen, nicht jene, die den Auftrag an die Architektenteams erteilt haben. «Oft wird früh entschieden, ob und wie die künftigen Nutzenden mitsprechen und mitentscheiden dürfen», sagt Oppliger. Hier brauche es die Bereitschaft, die Schule in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Dies bedeute zwar Mehraufwand, der sich aber langfristig auszahle, ist Oppliger überzeugt.
In der Stadt Zürich wird diese Mitsprache je nach Projekt unterschiedlich gehandhabt. Je nach Betriebsteam können sogar Schülerinnen und Schüler mitreden, wie eine Sprecherin der Immobilienabteilung sagt.
Autor
Alex Rudolf
Datum
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