Chatbot macht Schule

Wie Lehrpersonen ChatGPT im Unterricht nutzen

Der Chatbot ChatGPT steht allen zur freien Nutzung zur Verfügung. Auch im Rahmen von Lernen und Lehren kommt er zunehmend zum Einsatz. Drei Lehrpersonen erzählen von ihren Erfahrungen und ihrem Umgang mit der künstlichen Intelligenz.

lllustration von Roboterhänden, die auf einer Schreibmaschine tippen.
ChatGPT fabuliert auch einmal vor sich hin. Seine Texte können Lehrpersonen als Inspirationsquelle dienen. Foto: iStock/Moor Studio

Noch gibt es keine verbindlichen Regeln zum Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT im Unterricht. Trotzdem wird gerade der Chatbot ChatGPT bereits rege genutzt – oft von Schülerinnen und Schülern, manchmal auch von Lehrpersonen. Dabei kommt die KI derzeit unterschiedlich zum Einsatz, wie eine kleine Umfrage von BILDUNG SCHWEIZ unter drei Lehrpersonen zeigt.

ChatGPT als Inspirationsquelle und Recherche-Hilfe

Die drei Befragten arbeiten in unterschiedlichen Kantonen und unterrichten auf verschiedenen Schulstufen. Alle haben ChatGPT bereits im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung benutzt. Lina Z. setzt die KI manchmal etwa ein, um Ideen für den Einstieg in den Unterricht zu erhalten. Sie setzt die Vorschläge nie eins zu eins um, doch lässt sie sich davon inspirieren. «ChatGPT ist bei der Unterrichtsvorbereitung ein kreatives Ideensammeltool», beschreibt sie es. Stéphanie Degoumois nutzte den Chatbot bisher ebenfalls in dieser Funktion, um Ideen für Rollenspiele im Unterricht zu sammeln.

«ChatGPT ist bei der Unterrichtsvorbereitung ein kreatives Ideensammeltool»

Ausser als Inspirationsquelle nutzte Marco Furler ChatGPT auch einige Male, um die eigenen Vorbereitungen auf den Unterricht zu überprüfen. Insbesondere bei Themen, in denen er sich nicht sattelfest fühlte, wollte er so herausfinden, ob er möglicherweise etwas Wichtiges vergessen hatte. ChatGPT wurde so auch zur Stütze bei Recherchearbeiten. Doch für Furler enden die Einsatzmöglichkeiten des Textgenerators für die Unterrichtsvorbereitung hier: «Die KI zu benutzen, um einen kompletten Unterricht zu planen, fände ich derzeit fraglich. Zumindest empfinde ich das so für meine Fächer Deutsch und Geschichte.»

Irren ist menschlich – aber nicht ausschliesslich

Als Grund dafür nennt er die fehlenden Quellenangaben zu den generierten Texten. Es lässt sich nicht herausfinden, aufgrund welcher Informationen ChatGPT bestimmte Inhalte formuliert, weshalb Furler diese auch stets auf ihre Korrektheit prüft. Lina Z. traut der KI in dem Bereich ebenfalls nicht: «Es ist kein Tool zur Informationssammlung. Ich beziehe meine Informationen aus der Fachliteratur.» Aber auch abseits von potenziellen Fehlinformationen oder unzuverlässiger Quellenlage darf man die Ergebnisse des Chatbots nicht unhinterfragt akzeptieren, wie eine Antwort von Degoumois zeigt: Sie prüft im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung auch die kreativen Antworten von ChatGPT sorgfältig, um sicherzustellen, dass die Inhalte tatsächlich zielführend sind für die nächste Lektion.

Dass bei der Nutzung der KI Vorsicht angebracht ist, zeigen auch Erlebnisse der Befragten im Unterricht. In zwei Fällen machte der Chatbot falsche Angaben, als Schülerinnen und Schüler die Erlaubnis hatten, ihn für eine Aufgabe zu benutzen: Einmal widersprach das Ergebnis den Fachtexten im Schulbuch, das andere Mal war die Fragestellung nicht beantwortet. In beiden Fällen konnten die Lehrpersonen die Fehler mit ihren Schülerinnen und Schülern diskutieren und so etwas mehr Bewusstsein für die Schwächen von Programmen wie ChatGPT schaffen. Auch sind solche Situationen wichtige Lernmomente, um zur genauen, kritischen Auseinandersetzung mit dem Stoff und der Sprache anzuregen, hält Lina Z. fest.

Die Thematisierung von ChatGPT hat bei den drei Befragten in unterschiedlichem Masse stattgefunden. Degoumois behandelt die Materie noch nicht besonders stark, während Furler einige Klassen über die Gefahren bei der Nutzung von ChatGPT aufklärte – also zum Beispiel über potenzielle Falschinformationen oder fehlende Quellen. Lina Z. widmete der KI mehr Aufmerksamkeit und band sie auch als Thema in den Unterricht mit ein. Ausserdem war ihr wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler mehr zu den Möglichkeiten und Grenzen von ChatGPT erfahren. Sie sollten lernen, die Ergebnisse des Tools kritisch zu hinterfragen und die Informationen stets mit einer Zweitquelle abzugleichen.

Im Unterricht gezielt mit ChatGPT gearbeitet hat noch keine der befragten Lehrpersonen. Doch erlauben Lina Z. und Marco Furler ihren Schülerinnen und Schülern die Arbeit damit grundsätzlich. Degoumois lässt das Tool im Unterricht üblicherweise noch nicht zu, da sie es noch zu wenig kenne, um Regeln und Bedingungen dafür aufzustellen.

Bei Lina Z. konnte die Arbeit mit ChatGPT anfänglich ohnehin nicht stattfinden. Eine der Schulen, an der sie arbeitet, blockierte den Zugang zu ChatGPT zunächst. Doch jetzt können alle das Tool nutzen, was die Lehrerin begrüsst. Ein simples Aufrufverbot hält sie nicht für sinnvoll, da die Lernenden trotzdem etwa über das Mobilnetz darauf zugreifen können. Es sei besser, ihnen zu zeigen, wie man sinnvoll und reflektiert mit ChatGPT umgehen kann. Lina Z. erlaubt deshalb die Nutzung des Tools im Unterricht, hat aber auch Regeln dafür. Im regulären Unterricht sind ihre Aufträge oft Anwendungsfragen, bei denen ChatGPT ohnehin nur eine bedingte Hilfe sei. Bei einfacheren Fragen könne die KI ebenfalls befragt werden, solange das Ergebnis danach mit Zweitquellen abgeglichen wird.

Greifen Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer bewerteten Projektarbeit darauf zurück, müssen sie zusätzlich zur Arbeit das Protokoll ihres Chatverlaufs und eine kurze Arbeitsdokumentation von ihrem Austausch mit ChatGPT beilegen. Diese Dokumente fliessen dann auch in die Bewertung des Projekts mit ein.

«Anstatt dass diese Texte bewertet werden, zählt eine Präsentation der Schülerinnen und Schüler zu ihrer Arbeit.»

Auch Furler will von seinen Schülerinnen und Schülern über die Nutzung der KI informiert werden. Ausserdem möchte er die verwendeten «Prompts» kennen. So werden die Wörter oder Sätze genannt, welche die Nutzerinnen und Nutzer bei Programmen wie etwa ChatGPT eingeben, um an ihre Resultate zu gelangen.

ChatGPT und ähnliche Anwendungen werden die Bildung verändern

Die befragten Lehrpersonen gehen davon aus, dass KIs wie ChatGPT den Unterricht verschiedentlich beeinflussen werden. Gymnasien und Universitäten müssen besonders bei Matura- und anderen selbstständigen Arbeiten herausfinden, wie sie mit den neuen KI-Tools umgehen wollen, betont Lina Z. Degoumois geht ihrerseits davon aus, dass Schülerinnen und Schüler auch künftig selbstständige Arbeiten abgeben werden. «Aber anstatt dass diese Texte bewertet werden, zählt eine Präsentation der Schülerinnen und Schüler zu ihrer Arbeit», überlegt sie. «Ausserdem müssten sie ihre Ideen vielleicht auch mündlich verteidigen.»

Wie es auch kommt – Furler findet es wichtig, dass Lehrpersonen die KI-Thematik proaktiv aufgreifen und damit ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Denn entsprechende Programme werden eine zunehmend wichtigere Rolle im Leben der Lernenden einnehmen. «Ich kann mir gut vorstellen, dass Schülerinnen und Schüler auch immer häufiger eine KI als Hausaufgaben- oder Lernhilfe einsetzen werden, um Stoff zu lernen – ähnlich, wie sie es bereits heute mit Youtube-Videos machen», vermutet Furler. Der Vorteil einer KI gegenüber einem Video wäre aber, dass man die gesuchte Antwort nicht erst finden muss, sondern direkt danach fragen kann. Ein weiteres mögliches Einsatzgebiet sieht der Lehrer im Fach Deutsch als Fremdsprache, wo KI zum Beispiel Dialoge simulieren könnte.

«Auch Fragen zu Datenschutz und Quellenlage müssen künftig thematisiert werden.»

Kommen ChatGPT und ähnliche Anwendungen auf diese und andere Arten im Unterricht zum Einsatz, sei es wichtig, dass die Verwendung sorgfältig geplant und die Ergebnisse überprüft werden, betont Furler. «Sobald es um die Nutzung solcher Tools geht, kommt man künftig auch nicht mehr darum herum, den Datenschutz und die Quellenlage zu thematisieren», so der Lehrer. Er geht grundsätzlich davon aus, dass alle Personen Werkzeuge wie ChatGPT künftig vermehrt nutzen werden. Deshalb mache es auch keinen Sinn, sich davor zu verschliessen.

ChatGPT hat seinen Weg bei allen befragten Lehrpersonen auf die eine oder andere Art ins Klassenzimmer geschafft. Sie setzen das Tool kreativ, aber bewusst und mit Vorsicht ein. Auch möchten sie ihre Schülerinnen und Schüler damit nicht allein lassen und sie für die Arbeit damit vorbereiten. Obwohl es also derzeit noch an verbindlichen Regeln zur Verwendung von ChatGPT im Unterricht fehlt, darf man davon ausgehen, dass bis dahin zumindest einige Lehrpersonen kreativ und mit der gebotenen Vorsicht mit solchen Anwendungen arbeiten.

 

Weiter im Netz

Ein vorsichtiger Umgang mit Anwendungen wie ChatGPT macht aus verschiedenen Gründen Sinn. Solche Programme haben grosses Potenzial, bergen aber auch Risiken. Wie diese aussehen, thematisiert dieser Artikel auf BILDUNGSCHWEIZ.ch.

Warum Beat A. Schwendimann, Leiter Pädagogik beim Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, trotzdem gegen ein KI-Verbot an Schulen ist, können Sie hier auf LCH.ch in seinem Kommentar lesen. 

Autor
Kevin Fischer

Datum

10.11.2023

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