Lehrpersonen, Eltern und Kinder

Wenn alle Beteiligten überfachliche Kompetenzen gemeinsam beurteilen

Ausdauer und andere überfachliche Kompetenzen einzuschätzen, ist anspruchsvoll. An der pädagogischen Hochschule St. Gallen wurde ein Instrument entwickelt, mit dem Lehrpersonen die Eltern und deren Kinder einbeziehen können. Dies ermöglicht eine differenzierte Einschätzung und Förderung.

Ein Mädchen und ein Mann sitzen gemeinsam mit einer Frau an einem Tisch.
Ein Tool der pädagogischen Hochschule St. Gallen soll bei der Einschätzung der überfachlichen Kompetenzen helfen. Foto: iStock/Nimito

«Bei jedem Standortgespräch hiess es, mein Kind zeige wenig Ausdauer. Doch was ich daraus konkret ableiten sollte, blieb jedes Jahr offen», berichtete kürzlich ein Elternteil. Solche Rückmeldungen sind keine Seltenheit. Dabei sind die sogenannten überfachlichen Lebens- und Schlüsselkompetenzen – wie eben Ausdauer oder auch Sorgfalt, Selbstständigkeit und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit – entscheidend für den Bildungs- und Lebenserfolg. Solche Eigenschaften lassen sich aber nicht ohne Weiteres einschätzen.

Hier setzt das Projekt Dipalog unter der Leitung von Dölf Looser, Professor an der pädagogischen Hochschule St. Gallen (PHSG), an. Dipalog steht für eine umfassende Förderung dieser Kompetenzen und stellt ein wissenschaftlich fundiertes und digital unterstütztes Feedback- und Förderinstrument zur Verfügung (siehe «Mehr Informationen»).

Differenziert einschätzen und fördern

Die mehrperspektivische Einschätzung und das Gespräch über die Lebens- und Schlüsselkompetenzen sind zentrale Elemente von Dipalog und beziehen die Sicht der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern aktiv und gleichberechtigt mit ein: Die Einschätzung machen Lehrpersonen, Eltern und deren Kinder auf der Basis ihrer jeweiligen Erfahrungen. Sie erfolgt mittels einer siebenstufigen Skala. Damit können die Entwicklung und die Fortschritte der Lernenden differenziert abgebildet werden (siehe Grafik). Die drei mittleren Stufen entsprechen einer altersgemässen Ausprägung, in unserem Beispiel jene der Ausdauer. Deutliche Abweichungen nach unten bedürfen einer gezielten Begleitung und Abweichungen nach oben gegebenenfalls eines massgeschneiderten Förderplans.

Im eingangs erwähnten Beispiel würden die Erziehungsberechtigten, das Kind sowie die zuständigen Lehrpersonen eine Einschätzung zur Frage, wie sie die Ausdauer einer Schülerin beziehungsweise eines Schülers beim Lösen von Aufgaben beurteilen, vornehmen. Aus dieser und weiteren ausgewählten Kompetenzen resultiert ein umfassendes Stärkenprofil, das gemeinsam besprochen wird. Dadurch fliessen unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen ein und können für die weitere gezielte Förderung nutzbar gemacht werden.

Erleichtert realistische Einschätzung

Die Siebnerskala wurde im Vergleich zur heute in den meisten Kantonen angewandten vierstufigen Bewertungsskala empirisch überprüft. Sie hat sich in der praktischen Anwendung bewährt. Bisher haben 1426 Eltern von Kindern der Volksschule in verschiedenen Ostschweizer Kantonen mit diesem Instrument gearbeitet. Die Normalverteilung der Einschätzungen zeigt deutlich, dass deren Fokus nicht auf dem höchsten Wert 7 liegt, sondern auf der als Referenz dienenden Kategorie «altersgemäss».

Eltern wählen also nicht wie in der vierstufigen Skala tendenziell die höchsten Werte, um ihr Kind möglichst positiv darzustellen. Vielmehr orientieren sie sich bewusst an altersbezogenen Entwicklungserwartungen. Das ist essenziell für eine differenzierte, mehrperspektivische Einschätzung.

Mehr Informationen

Der Dialog auf Augenhöhe zwischen Lehrpersonen, Erziehungsberechtigten und Schülerinnen und Schülern bildet ein zentrales Element von Dipalog. Die enge Kooperation, insbesondere die aktive Beteiligung der Eltern am Bildungsprozess, stärkt nicht nur die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen, sondern fördert auch deren Lernmotivation und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Um diesen Prozess zu unterstützen, stehen Fördermaterialien zu 36 überfachlichen Lebens- und Schlüsselkompetenzen zur Verfügung. Die gesamte Elternbefragung steht in neun Fremdsprachen zur Verfügung. Dipalog nutzt diesen Dialog gezielt, um die Förderung zentraler überfachlicher Kompetenzen im Sinne des Lehrplans 21 zu stärken. Mehr Informationen: dipalog.ch

Autor
Dölf Looser, Elisabeth Bänziger (beide PHSG), Felicia Egger (Amt für Volksschule und Sport des Kantons Appenzell Ausserrhoden), Quirina Zumbach (Schulleiterin im Kanton Solothurn)

Datum

10.07.2025

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