Pädagogik

Was die Parteien von der politischen Bildung an Schulen halten

BILDUNG SCHWEIZ hat die stärksten sechs Parteien gefragt, wie sie die politische Bildung an Schweizer Schulen einschätzen und wie sie aus ihrer Sicht sein sollte. Ihre Antworten enthalten Lob und Tadel.

Ein Mädchen sitzt, wo sonst Parlamentsmitglieder hocken.
Auch ein Besuch im Bundeshaus gilt als politische Bildung. Im Bild ein Mädchen im Parlamentssaal während des Kindertags im Frühling 2023. Foto: Parlamentsdienste/Yoshi Kusano

Die Schule muss Schülerinnen und Schüler auch politisch bilden. Darin sind sich die grossen Schweizer Parteien einig. Darüber hinaus tun sich aber Unterschiede auf, wie die im Anschluss zusammengestellten Antworten auf die Fragen von BILDUNG SCHWEIZ zeigen. Die sechs Parteien mit dem höchsten Wähleranteil auf nationaler Ebene sind in diesem Beitrag in alphabetischer Reihenfolge geordnet. Sie beantworteten folgende drei Fragen:

  1. Wie schätzen Sie die politische Bildung an Schulen ein?    
  2. Wie sollte politische Bildung an Volksschulen beziehungsweise an Mittel- und Berufsschulen aussehen?    
  3. Schulen sollen politische Bildung vermitteln und gleichzeitig neutral sein. Was bedeutet das?

FDP

Wie schätzen Sie die politische Bildung an Schulen ein?   

Grundsätzlich gut, da sie im Lehrplan 21 verankert ist. Eine Stärkung wäre aber wünschenswert, da eine Demokratie von gut informierten Bürgerinnen und Bürgern lebt. Wenn politisches Interesse früh geweckt wird, wirkt sich das positiv auf die Stimm- und Wahlbeteiligung aus.

Wie sollte politische Bildung an Volksschulen beziehungsweise an Mittel- und Berufsschulen aussehen?

Es braucht eine Auseinandersetzung mit dem politischen System. Zudem können Abstimmungsthemen aufgegriffen werden. Politische Fragen lassen sich fächerübergreifend behandeln. Lehrpersonen können helfen, komplexe Themen zu vermitteln und Parolen einzuordnen. Warum nicht Sessionen besuchen oder ein Podium mit Jungpolitikerinnen und -politikern veranstalten?

Schulen sollen politische Bildung vermitteln und gleichzeitig neutral sein. Was bedeutet das?

Bei politischen Themen müssen unterschiedliche Meinungen vorgestellt werden. Der Respekt vor anderen Meinungen ist wichtig in der Demokratie. Auch Schülerinnen und Schüler können nicht genug darauf hingewiesen werden. Sie sollen animiert werden, sich eine Meinung zu bilden und diese mit Argumenten zu begründen. Das legt den Grundstein für eine politische Kultur.

 

Grüne

Wie schätzen Sie die politische Bildung an Schulen ein?

Die Grünen bedauern, dass zu wenig Unterrichtszeit für das Thema vorgesehen ist. Wenn das Stimmrechtsalter 16 kommt, so wie dies die Grünen anstreben, wird die Bedeutung politischer Bildung umso wichtiger.

Wie sollte politische Bildung an Volksschulen beziehungsweise an Mittel- und Berufsschulen aussehen?

Politische Bildung soll inklusiv und partizipativ sein. Sowohl Wissen über Institutionen und Prozesse als auch aktuelle Themen wie Klimawandel, Migration oder Gleichstellung gehören dazu. Kritisches Denken und Argumentieren ist zu üben. Bei Kindern eignen sich zum Beispiel Planspiele dazu. Jugendliche sollen Politikerinnen und Politiker treffen können.

Schulen sollen politische Bildung vermitteln und gleichzeitig neutral sein. Was bedeutet das?

Lehrpersonen sollen Informationen über Themen und Prozesse bereitstellen, ohne eine bestimmte Meinung zu propagieren. Neutralität bedeutet aber nicht, dass Schulen keine Werte vermitteln dürfen. Schülerinnen und Schüler sollen verschiedene Standpunkte kennenlernen, lernen zu analysieren und sich eine eigene Meinung zu bilden.

GLP

Wie schätzen Sie die politische Bildung an Schulen ein?   

Nachholbedarf in politischer Bildung orten die Grünliberalen in der Berufsbildung. Die politische Partizipation ist das Fundament der Demokratie, wie die Partei betont. Um dieses Recht nutzen zu können, muss man verstehen, wie das politische System funktioniert.    

Wie sollte politische Bildung an Volksschulen beziehungsweise an Mittel- und Berufsschulen aussehen?

Beim Zusammenleben in der Schulklasse (Interessen zurückstellen, Argumente abwägen, Lösungen aushandeln, für Minderheiten eintreten) wird politische Praxis geübt. Politische Bildung ist nicht einfach Staatskundeunterricht. Jugendliche sollen Sachverhalte analysieren lernen und sich mit Demokratie und Menschenrechten identifizieren können.

Schulen sollen politische Bildung vermitteln und gleichzeitig neutral sein. Was bedeutet das?

Die Grünliberalen haben Vertrauen in die Lehrpersonen und deren Professionalität, dass sie neutral Positionen der verschiedenen Parteien erklären können. Dass dies geht,ohne persönlich Stellung zu nehmen, zeigt der Religionsunterricht.

Mitte

Wie schätzen Sie die politische Bildung an Schulen ein?   

Die Qualität der politischen Bildung hängt derzeit zu stark vom Interesse der einzelnen Lehrperson ab. Wo es fehlt, wird das Thema vernachlässigt. Positiv zu werten sind die Fortschritte beim Unterrichtsmaterial und das wachsende Engagement der Kantone.   

Wie sollte politische Bildung an Volksschulen beziehungsweise an Mittel- und Berufsschulen aussehen?

Schulen sollen an die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen anknüpfen: Wieso wird im Dorf eine Turnhalle gebaut? Wieso sieht die Landschaft der Gemeinde so aus, wie sie ist (Bachverbauung, Renaturierung)? Das ermöglicht einen bewussteren Umgang. Die Informationsflut mit dem Fokus auf Internationales ist ein Problem.   

Schulen sollen politische Bildung vermitteln und gleichzeitig neutral sein. Was bedeutet das?

Die Schulen und die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit der Äusserung ihrer Meinung im Klassenzimmer zurückhalten. Sie sind aber aufgefordert, die Diskussion zu leiten und anzuregen.

SP

Wie schätzen Sie die politische Bildung an Schulen ein?   

Die Qualität ist vergleichsweise hoch. Aber da die soziale Herkunft massgeblich den Bildungsverlauf bestimmt, ist der Zugang nicht für alle gleich. Denn politische Bildung wird am intensivsten auf höheren Stufen vermittelt. Darum braucht es mehr Chancengerechtigkeit.   

Wie sollte politische Bildung an Volksschulen beziehungsweise an Mittel- und Berufsschulen aussehen?

Politische Bildung gehört auf allen Bildungsstufen dazu. Denn eine funktionierende Demokratie ist auf Menschen angewiesen, die sich informieren und bereit sind, sich auf den Austausch mit anderen Meinungen einzulassen.    

Schulen sollen politische Bildung vermitteln und gleichzeitig neutral sein. Was bedeutet das?

Bei politischer Bildung geht es nicht um die Vermittlung von Bewertungen einzelner politischer Sichtweisen, sondern um das Verstehen politischer Systeme, Abläufe, Zusammenhänge, Rechte und Pflichten.

SVP

Wie schätzen Sie die politische Bildung an Schulen ein?   

Da das Bildungssystem kantonal organisiert ist, ist eine Einschätzung schwer möglich. Dass dies so ist, findet die SVP gut. Sie ist der Ansicht, dass das Lehrpersonal politisch tendenziell links steht. Ebenso ist sie der Meinung, Kinder und Jugendliche würden ohne Einverständnis der Eltern politisch beeinflusst.   

Wie sollte politische Bildung an Volksschulen beziehungsweise an Mittel- und Berufsschulen aussehen?

Volksschulen sollen Basiswissen über die Eidgenossenschaft vermitteln. Wichtig ist, dass sie etwas über deren Einzigartigkeit mit weitgehend selbstständigen Kantonen und der kulturellen Vielfalt erfahren. Jugendlichen sind deren Rechte und Pflichten als angehende Staatsbürger zu vermitteln. Politische Ideologien sind kritisch zu hinterfragen.    

Schulen sollen politische Bildung vermitteln und gleichzeitig neutral sein. Was bedeutet das?

Politische Bildung kann in den Unterricht eingebaut werden. Tendenziöse Inhalte wie Gender, Woke-Kultur haben an Schulen aber nichts verloren. Sie sollen auf ein eigenverantwortliches Leben vorbereiten und das Rüstzeug für das Berufsleben mitgeben. Das Ziel sind mündige Staatsbürger. Die Verantwortung für die Erziehung tragen die Eltern.

Autor
Christoph Aebischer

Datum

05.10.2023

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