Was hat ein Leiterlispiel, das aus Brett, Würfeln und Spielfiguren besteht, mit digitalem Denken zu tun? Eigentlich nicht viel, könnte man meinen. Das Projekt Digikult aus Basel belehrt eines Besseren. Ein vierköpfiges Team bringt Schulkindern digitales Denken mit analogen Mitteln bei. Es verwendet dafür Brettspiele, Spiegeleier oder Schatzkarten – fernab elektronischer Bildschirmwelten.
Eltern zeigen sich oft besorgt, wenn sich ihre Kinder in digitalen Welten verlieren und nur noch ans Gamen denken. Um eine solche virtuelle Realität zu erzeugen, braucht es aber gar keinen Bildschirm. «Sobald man sich auf ein Spiel wie Schach, Monopoly oder das Leiterlispiel einlässt, gelten für eine bestimmte Zeit nur noch die Regeln dieses Spiels. Ein Spiel ist immer eine Wirklichkeitsenklave, egal ob analog oder digital», erzählt Sara Cortellini.
Sie und ihre Kollegin Mirjam Wagner sind beide ausgebildete Primarschullehrerinnen. Sie unterrichten an der Primarschule Thierstein in Basel, wo sie auch Digikult-Lektionen anbieten. Das tun sie jeweils zwei Stunden am Dienstagvormittag im Zimmer der Begabungsförderung. Diesen Dienstag haben nach der grossen Znünipause acht Schüler aus der 2. und 3. Klasse den Weg zu Digikult gefunden. Heute auf dem Programm: Die Unterrichtseinheit «All in», wo die Kinder gemäss Beschrieb zu wahren «Weltenbastlern» avancieren.
Auf Festplatte speichern
In der Lektion «All in» zerlegen die Kinder Gesellschaftsspiele in ihre Elemente. Dabei nehmen sie auch das jeweilige Regelsystem, die «Grammatik» des Spiels, unter die Lupe. So lernen sie den Zusammenhang zwischen analogen Spielen und digitalen Welten. «Ein Gesellschaftsspiel setzt sich aus Spielelementen – aus Würfeln, Spielfiguren oder Spielkarten – und vorbestimmten Spielregeln zusammen. Genauso funktioniert es in der digitalen Welt», sagt Wagner.
Heuer auf dem Spieltisch: Das bekannte Kartenspiel UNO, ein Leiterlispiel und «Finger Twist», ein Geschicklichkeitsspiel mit Gummibändern. Doch bevor sich die Kinder gruppenweise an die Spiele heranmachen, legen Cortellini und Wagner einen Schuhkarton mit der Inschrift «Festplatte» auf den Tisch. Darin befinden sich Karten mit Begriffen aus der digitalen Welt, die in den Digikult-Lektionen verhandelt und angewendet werden.
Darunter sind Begriffe wie «Code», «Kennwort», «Benutzername» oder «Browser». Die Kinder haben Gelegenheit, ihr Wissen zu den Begriffen abzurufen und sich an die Funktionen derselben zu erinnern. Danach dürfen die Kinder endlich die Spiele durchspielen.
Nach dieser Spielsession werden die Spiele in ihre Bestandteile aufgedröselt. Cortellini und Wagner vergleichen die Spielteile mit den Elementen der Sprache. Sie erklären das ABC der Spiele und die Grammatik. Dabei sprechen sie auch von den notwendigen Fähigkeiten, welche die Spielenden benötigen, und vom Zufallselement, das in Gesellschaftsspielen mitschwingt.
«Ohne Spielerinnen und Spieler auch kein Spiel!»
Entsprechend besteht das Alphabet des Leiterlispiels aus einem Würfel, aus drei verschiedenfarbigen Holzfiguren, aus einem kartonierten Spielbrett, aus einer darauf abgebildeten Zahlenfolge sowie aus den drei Mitspielern. «Ohne Spielerinnen und Spieler auch kein Spiel!», wirft Zweitklässler Milo philosophierend in die Runde.
Wie Programmiersprache
Die Grammatik des Leiterlispiels sind dessen Spielregeln: Die gewürfelte Augenzahl bestimmt die Anzahl Schritte, welche die Spielfiguren der Reihe nach vorwärts gehen dürfen. Erreicht eine Spielfigur dabei ein speziell bebildertes Feld, kann sie eine vorgegebene Anzahl Felder überspringen oder aber auf ein bereits passiertes Zahlenfeld zurückgeworfen werden. Beim Schweizer Leiterlispiel lassen sich die Spielfiguren etwa von der Titlis-Rotair-Bahn nach oben tragen oder von einem flotten Alphornbläser wieder nach unten blasen.
Eine Spielsession dauert rund fünfzehn Minuten, wobei man Regeln und Zahlen kennen, die Farben unterscheiden und sich während dem Spiel entsprechend konzentrieren muss. «Übung macht den Meister!», meldet sich Zweitklässler Orell und weist darauf hin, dass sich all diese Skills erst mit viel Übung erwerben und verfeinern lassen. Schliesslich spielt beim Leiterlispiel auch das Element des Zufalls eine gewichtige, wenn nicht die wichtigste Rolle: «Hier entscheidet einfach das Würfelglück, wer am Ende gewinnt», fasst Mirjam Wagner zusammen.