Digitale Bildung

Wann künstliche Intelligenz beim Lernen hilft und wann nicht

Künstliche Intelligenz wird heute in der Schule und zu Hause als Lernhilfe genutzt. Doch welche Auswirkungen hat die Technologie auf den Lernprozess? Die Forschung liefert erste Antworten.

Ein Kind hält ein Smartphone, auf dem das Bild eines Chatbots zu sehen ist.
Schon heute basieren viele Lernapps auf KI-Systemen. Foto: iStock/portishead1

Bei Hausaufgaben, Prüfungsvorbereitungen oder Recherchen für einen Vortrag lassen sich Schülerinnen und Schüler regelmässig von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützen. Innerhalb kurzer Zeit haben sich solche Anwendungen an Schulen etabliert. Dass sich dadurch auch das Lernen an der Schule verändert, ist zu erwarten. Ein Überblick über erste Forschungsresultate in vier Punkten.

1. KI wirkt sich auf das Lernen aus

Zusammengefasst stellen zahlreiche Studien fest, dass KI-gestütztes Lernen im Vergleich zu traditionellen Lernmethoden einen geringen bis moderat positiven Effekt auf den Lernerfolg haben kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein KI-Lernsystem die Schülerinnen und Schüler in kleinen Schritten entlang personalisierter Lernpfade führt. Andere KI-Systeme präsentieren den Schülerinnen und Schülern Lernumgebungen mit realen Problemen, die zu kritischem Denken, einer Analyse verschiedener Perspektiven und kreativen Lösungen anregen.

KI-Systeme wirken nicht für alle Schülerinnen und Schüler gleich.

Die positiven Effekte sind jedoch manchmal nur von kurzer Dauer. Der Neuigkeitseffekt von KI-Werkzeugen verfliegt oftmals wieder. Forschungsergebnisse stellten langfristig auch negative Effekte von KI-Systemen auf den Lernerfolg fest. Sie wirken auch nicht auf alle Gruppen von Schülerinnen und Schülern gleich. Vor allem lernstarke Schülerinnen und Schüler wissen KI-Systeme für sich zu nutzen, während lernschwächere oftmals mehr auf die persönliche Anleitung durch eine Lehrperson und den sozialen Austausch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern angewiesen sind.

 

Kommentar zum Thema: «Am Ende geht es um die Balance» von Beat A. Schwendimann auf LCH.ch, 6.11.2024

2. KI beeinflusst die Motivation

Die Forschungsergebnisse zeigen ebenfalls auf, dass KI die Motivation für das Lernen steigern kann, besonders bei mittelmässig motivierten Schülerinnen und Schülern. Dank unmittelbarem Feedback und personalisierter Anleitung erhalten sie ein Gefühl für die erbrachte Leistung und Selbstwirksamkeit. Allerdings warnt die Forschung auch vor einer Überabhängigkeit von KI. Werden Schülerinnen und Schüler zu stark von externer Bestätigung abhängig, könnte die intrinsische Motivation darunter leiden. Zudem könnte es den Lerneffekt abschwächen, wenn KI-Systeme Aufgaben ohne grosses Zutun der Schülerinnen und Schüler lösen. Dies, weil sich die Kinder und Jugendlichen der Aufgabe nicht mehr stellen und sich anstrengen müssen. Dadurch haben sie weniger Erfolgserlebnisse. Der Anreiz, eigene Kompetenzen zu entwickeln, verringert sich.

Die Wirksamkeit von KI-Lernsystemen hängt daher stark davon ab, wie diese in den Gesamtunterricht eingebaut werden. Die pädagogische Herausforderung für die Lehrpersonen ist, die richtige Balance zu finden. Sie müssen bestrebt sein, eine übermässige Abhängigkeit zu vermeiden und die eigenständige Lernfähigkeit und -motivation langfristig zu erhalten.

3. Die Lehrperson bleibt zentral

Die Lehrperson bleibt entscheidend für den Lernerfolg im Unterricht. Das bestätigen die Forschungsergebnisse wiederholt. KI ersetzt sie also nicht, sondern erweitert ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten. Eine Schule ohne Lehrpersonen wird auch in Zukunft eine schlechte Schule sein – eine Schule ohne KI aber auch. Die Forschung beschreibt, wie Lehrpersonen mit KI personalisiertes Lernen ermöglichen, gezielte Interventionen durchführen und den Lernfortschritt effizienter verfolgen können.

Oft mangelt es noch an den Kenntnissen dafür, KI-Systeme effektiv zu nutzen.

Lehrpersonen, die KI-Systeme effektiv nutzen, ethische Aspekte berücksichtigen und starke Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern aufbauen, ermöglichen damit positive Lernergebnisse. Allerdings mangelt es derzeit noch vielerorts an den dafür notwendigen Kenntnissen. Die langfristigen Auswirkungen von KI auf die Lernprozesse, Lernerfolge und die Motivation von Schülerinnen und Schülern werden erst weitere Langzeitstudien zeigen können.

4. Die Herangehensweise entscheidet

KI-Systeme können Lernerfahrungen individualisieren und Lehrpersonen unterstützen. Das birgt grosses Potenzial. Damit es sich entfalten kann, ist ein durchdachter Ansatz beim Einsatz von KI jedoch wichtig. Ihre Integration erfordert eine ausgewogene Herangehensweise, die sowohl das Potenzial als auch die Grenzen anerkennt. Forschende weisen darauf hin, dass Bedenken hinsichtlich Überabhängigkeit von Technologie, Datenschutz, ethischen Implikationen und gerechtem Zugang adressiert werden müssen.

Bei der Integration von KI ist eine ausgewogene Herangehensweise wichtig.

Ein offener Dialog und Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen, Schulleitungen, KI-Entwicklerinnen und politischen Entscheidungsträgern sind entscheidend, um bewährte Praktiken zu etablieren. Indem Lehrpersonen die Vorteile der Technologie nutzen und gleichzeitig die essenzielle menschliche Komponente bewahren, können sie gemeinsam die Zukunft der Bildung im Einklang von technologischer Innovation und pädagogischer Verantwortung gestalten.

Weiter im Netz

Dossier von Educa zum Thema «KI in der Bildung»

LCH Positionspapier «Künstliche Intelligenz in der Schule»

Artikel auf BILDUNG SCHWEIZ «Das gilt es bei der Verwendung von künstlicher Intelligenz zu beachten»

Einordnung der pädagogischen Hochschule Schwyz «ChatGPT&Co in der Schule»

Orientierung zu KI für Lehrpersonen der Sekundarstufe I im Kanton Bern, verfasst von der kantonalen Initiative Belearn

Autor
Beat A. Schwendimann, Leiter Pädagogik LCH

Datum

06.11.2024

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