Das Programm der Lagerwoche ist ebenso vielfältig wie das Vorwissen der Teilnehmerinnen. Schon am ersten Tag stürzen sich die Mädchen in eine virtuelle Realität (VR). Mit VR-Brillen simulieren sie die Wahrnehmung von Fledermäusen. In einem weiteren Workshop testen sie, mit welchen Funktionen Smartphones ausgestattet sind. Dabei lernen sie, wie die Face-ID funktioniert, experimentieren mit 3-D-Kameras und programmieren kleine Fahrzeugroboter. Die Leiterinnen und Leiter der Workshops kommen aus den unterschiedlichsten Industriebereichen. So erfahren die Mädchen aus erster Hand von der Technologie, die in selbst fahrenden Autos oder Robotern für Produktionsanlagen steckt.
Der Roboter im Operationssaal
Die Mädchen lernen auch mehr über die Möglichkeiten in der Medizin. In einem Workshop erklären zwei Ingenieurinnen der Firma Johnson & Johnson eine Technologie, die im Operationssaal Eingriffe überwacht. Diese stoppt notfalls die Funktion der chirurgischen Geräte, wenn die Ausführung zu stark von der Planung abweicht – zum Beispiel, wenn der Arzt oder die Ärztin zu viel Knochen entfernt.
Wie eine Maschine die richtigen Anweisungen erhält, um im Operationssaal zu funktionieren, dürfen die Mädchen schliesslich selbst ausprobieren. Alle erhalten einen kleinen Lernroboter, den sie über ein Tablet programmieren sollen. Zunächst beugen sich die Mädchen in Zweiergruppen über die Anleitung. Plötzlich herrscht eine konzentrierte Stille.
Ein Soundtrack mit 8-Bit-Tönen
Bei solchen Übungen zeigt sich das unterschiedliche Vorwissen deutlich. Während ein paar noch etwas zurückhaltend das kleine Gerät inspizieren, legen andere schnell los und schon erklingen vereinzelt 8-Bit-Töne, die an Computerspiele aus den 1980er-Jahren erinnern. Die Mädchen versuchen auf dem Tablet die Befehlsbausteine anzuordnen. Nicht immer mit Erfolg.
Die Mädchen beobachten und übernehmen die Problemlösungsstrategien.
Die Ingenieurinnen gehen zwischen den Tischen hin und her, um Fragen zu beantworten. Mit ihrer Unterstützung stellen sich erste Erfolge ein. Auf einem der Tische dreht sich ein Roboter wie wild um die eigene Achse. Das Display eines anderen Roboters zeigt das einprogrammierte Smiley an. Anderswo düst ein weiterer Roboter plötzlich los, und die vorbeigehende Kursleiterin kann ihn gerade noch auffangen: «Macht schnell noch eine Codezeile mit ‹motor stop›», rät sie den Mädchen, während im Hintergrund eine weitere 8-Bit-Melodie erklingt.
Ob ein Roboter sich korrekt verhält, hängt nebst der richtig programmierten Software auch von der Hardware ab. Die Ingenieurinnen haben dafür Ersatzteile dabei. Zudem testen sie die Geräte auf Wackelkontakt. Die Mädchen beobachten sie dabei und übernehmen die Problemlösungsstrategien der beiden Frauen.
Wo der Berg sich bewegt
Damit das Camp sich nicht wie Schule in den Ferien anfühlt, geht es regelmässig raus. Denn ein Vorteil der Stadt Chur sind die Berge, die sie umgeben. Dass diese für den Menschen auch bedrohlich sein können, zeigte der Bergsturz von Brienz vor gut einem Jahr. So führt ein Ausflug zum Schuttkegel des Bergsturzes. Dort im Albulatal erfahren die Mädchen unmittelbar, welche Technologien und Frühwarnsysteme zum Einsatz kommen, um die Menschen vor weiteren Niedergängen zu schützen. In Brienz liefern zum Beispiel Drohnen Messdaten, um die Bewegungen des Bergs zu überwachen. Anschliessend machen die Mädchen noch in Churwalden halt, wo sie sehen, wie eine Rodelbahn funktioniert.
«Seid mutig und probiert Neues aus.»
Nach dem Betrachten dürfen die Mädchen selbst den Berg hinuntersausen. Projektleiterin Weidmann will ihnen damit etwas Weiteres mit auf den Weg geben: «Seid mutig und probiert Neues aus.» Denn im Gegensatz zu vielen Buben zögern viele Mädchen, in die Rodelbahn zu steigen. Das Zögern überrascht Weidmann nicht. Sie kennt das aus früheren Workshops mit gemischten Gruppen. Buben würden allgemein selbstbewusster auftreten. «Wenn man die Jugendlichen fragt, worin sie gut sind, melden sich sofort die Jungs. Mädchen sind da zurückhaltender. Sie müssen eher ermutigt werden», erzählt Weidmann.