Es geht Schlag auf Schlag: Im März entschied das Kantonsparlament von Appenzell Ausserrhoden, dass Französisch erst in der Oberstufe unterrichtet werden soll. Anfang September folgte Zürich und Mitte September St. Gallen. Am 19. September hat nun der Bundesrat eingegriffen. Er hat das Departement des Innern beauftragt, eine Vorlage zu erarbeiten, die den Unterricht in einer zweiten Landessprache auf Primarschulstufe vorschreibt. In einer Mitteilung schreibt der Bundesrat, die kantonalen Entscheide gefährdeten die harmonisierte Schulbildung und den nationalen Zusammenhalt.
Streit um Sprachunterricht
Bundesrat will zweite Landessprache auf Primarstufe vorschreiben
Nachdem mehrere Kantone planen, die zweite Landessprache in die Oberstufe zu schieben, greift der Bundesrat ein.

Der Artikel zur Auseinandersetzung um den Französischunterricht erschien am 18. September in einer ersten Fassung. Er wurde nach dem Entscheid des Bundesrats und dessen Medienmitteilung vom 19. September überarbeitet.
Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) nahm das Eingreifen des Bundesrats bereits Anfang September vorweg. Den Verzicht auf das Frühfranzösisch bezeichnete sie damals als Affront und forderte den Bundesrat dazu auf zu handeln.
«Ein Spiel mit dem Feuer»
Besonders der Entscheid aus Zürich, dem bevölkerungsreichsten Kanton, sorgte für nationale Schlagzeilen. Viele attestierten ihm Signalwirkung. Die Zürcher Regierung hält den Vorstoss aus dem Kantonsparlament für ein «Spiel mit dem Feuer», wie Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) sagte. Der Kanton muss für dessen Umsetzung nämlich aus dem Harmos-Konkordat austreten. Darin wird die Harmonisierung der Schweizer Volksschule geregelt. Bevor es soweit ist, werden aber noch einige Jahre vergehen. Vorerst hat der Regierungsrat nun zwei Jahre Zeit, um eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten.

Frage der Perspektive
Aus Sicht des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands ist die Abschaffung des Frühfranzösisch willkommen, wie dessen Präsidentin, Lena Fleisch, gegenüber Radio SRF sagte. So seien viele Kinder von zwei Fremdsprachen in der Primarschule überfordert.
Anders sieht dies Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz. Sie könne zwar nachvollziehen, dass der Verzicht auf Frühfranzösisch aus Sicht des kantonalen Lehrpersonenverbands eine Entlastung darstelle. «Ich habe aber eher den nationalen Blick und sehe, wie wichtig es ist, dass wir mit unseren Nachbarn in der Romandie eine gemeinsame Sprache sprechen.»
Klassenaustausch und Sport
Auch die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren wird sich mit dem Thema befassen. Der Nidwaldner Bildungsdirektor Res Schmid (SVP) hat einen Antrag eingereicht, wonach zwar nur noch eine Fremdsprache an der Primarschule unterrichtet werden soll, flächendeckend ab der fünften Primarschulklasse müsse dies aber eine zweite Landessprache sein. Englisch käme dann in der Oberstufe dazu.
«Die Volksschule für den nationalen Zusammenhalt verantwortlich zu machen, ist zu kurz gedacht.»
Der Neuenburger Nationalrat Damien Cottier (FDP) reicht zudem im Nationalrat einen Vorstoss ein. Dieser sieht vor, den Unterricht einer zweiten Landessprache in der Primarschule gesetzlich zu verankern. Cottier betonte gegenüber Medien, dass das Zürcher Modell gefährlich für die ganze Schweiz sei. Das Erlernen einer Landessprache sei eine Frage das nationalen Zusammenhalts.
Als eine Absage an die Romandie und den nationalen Zusammenhalt will die St. Galler Bildungsdirektorin Bettina Surber (SP) den Entscheid des dortigen Kantonsparlaments nicht sehen. Sie sehe auch andere Möglichkeiten zur Förderung einer zweiten Landessprache, etwa mit vermehrten Klassenaustauschen über den Röstigraben hinweg, mehr Französisch an Berufsschulen oder eine landesweite Vernetzung von Sportvereinen. Denn: «Die Volksschule für den nationalen Zusammenhalt verantwortlich zu machen, ist zu kurz gedacht.»
Autor
Alex Rudolf, Christoph Aebischer
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