Bildung Schweiz: Sie haben noch während Ihres Jurastudiums die Plattform für Sprachaustausch Swilingua gegründet. Woher kommt Ihr Interesse am Sprachaustausch?
ARIANE LEGLER: Mein Interesse kommt vor allem aus meiner persönlichen Erfahrung. Ich habe mehrere Sprachaufenthalte in der Deutschschweiz verbracht, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Meine Schule war allerdings nur am Rande an der Organisation beteiligt – obwohl sie meine Austauschprojekte grundsätzlich unterstützte. Dies führt zu ungleichen Bedingungen für Schülerinnen und Schüler: Ob ein Sprachaufenthalt zustande kommt, hängt oft von der Motivation der Schule und der jeweiligen Eltern ab. Diese Ungleichheit wurde durch einen Bericht des Bundes im Jahr 2018 bestätigt. Demnach absolvieren nur 2 Prozent der Lernenden der obligatorischen Schule in der Schweiz einen Austausch. Das Potenzial der mehrsprachigen Schweiz liegt also weitestgehend brach. Um dies zu ändern, gründete ich zusammen mit anderen Studierenden Swilingua. Die Plattform vereinfacht den Jugendlichen der Sekundarstufe II die Suche nach Austauschpartnern.
Sie sind aus Genf. Wie erleben Sie die Unterschiede zwischen der Deutschschweiz und der Romandie?
Ich schätze die Unterschiede, die es zwischen den beiden Sprachregionen gibt. In der Freizeit mag ich die Leichtigkeit, den Humor und das Savoir-vivre der Romands. Bei der Arbeit bemühe ich mich um flache Hierarchien, aber auch um Produktivität und Effizienz. Diese Eigenschaften empfinde ich in der Deutschschweiz als ausgeprägter. In der Freizeit trifft man mich allerdings auch nicht nur an Apéros an. Ich stehe auch manchmal früh auf, um eine anspruchsvolle Wanderung zu unternehmen. Was in der Westschweiz eher die Sport-Cracks unternehmen, ist in der Deutschschweiz für Familien vom Jugendlichen bis zu den Grosseltern oft selbstverständlich. Anstatt unsere Unterschiede zu leugnen oder zu versuchen, Klischees zu bekämpfen, sollten wir uns von ihnen inspirieren lassen.
Für viele ist die zweite Landessprache nur ein lästiges Schulfach. Wie kann man dieses Vorurteil überwinden und Jugendliche für Mehrsprachigkeit motivieren?
Durch den Sprachaustausch! Wer in eine andere Sprachregion eintaucht, der begibt sich auf eine kulturelle Entdeckungsreise und bekommt Lust, das Gegenüber zu verstehen. Die Sprachbarriere tritt in den Hintergrund und macht Platz für das Menschliche, die Freundschaft. Eine lebendige Sprache lernt man nicht nur aus Büchern, man muss sie leben. Das Sprachenlernen macht Spass, wenn es nicht mehr nur um Formalien und Fehler geht, sondern darum, nach einem Sprung ins kalte Wasser wieder Oberwasser zu gewinnen. Die verschiedenen Sprachen, die in der Schweiz auf kleinstem Raum gesprochen werden, sind ein Reichtum. Ein Sprachaustausch ermöglicht nicht nur, Freundschaften aus allen Landesteilen zu pflegen. Er ist auch ein gewichtiger beruflicher Vorteil. Nicht zuletzt eröffnet er den Zugang zu Europa und anderen Sprachregionen der Welt. Swilingua möchte bei den Schülerinnen und Schülern ein Feuer für das oft ungenutzte Potenzial der schweizerischen Mehrsprachigkeit entfachen.