In einer direkten Demokratie sei es wichtig, Jugendliche zur Teilhabe am öffentlichen Leben zu befähigen, findet der Verein «Schulen nach Bern». Der Verein hat dazu das Simulationsspiel «SpielPolitik!» entwickelt, zu dem auch ein zweitägiger Besuch im Bundeshaus gehört.
Im Schulzimmer lernen die Schülerinnen und Schüler für das Spiel zunächst wichtiges Basiswissen zur schweizerischen Demokratie kennen. «Mit meiner Klasse habe ich im Unterricht Hintergründe zu National- und Ständerat, zur Gewaltentrennung und zur direkten Demokratie aufgearbeitet», erzählt Stefan Huber, Oberstufenlehrer an der Schule Weid in Pfäffikon im Kanton Schwyz. Zur Vorbereitung gehören auch erste Debattierversuche und das Ausformulieren einer Initiative. Die Klasse entscheidet sich dabei auch für das Thema, das sie an den Projekttagen im Bundeshaus behandeln möchte.
Zwischen Gratis-ÖV und Neutralität
Huber unterstützte seine Klasse in der Ideenfindung für die eigene Volksinitiative. Sie erarbeitete vier Vorschläge. Darunter eine Initiative für kostenlosen öffentlichen Verkehr, eine zur Neutralität der Schweiz sowie eine, die von Unternehmen verlangt, dass eine Mindestzahl an Lehrstellen angeboten wird. «Im Klassenverband hat sich schliesslich die Initiative für einen kostenlosen öffentlichen Verkehr für Jugendliche durchgesetzt», erzählt Huber.
Die Entscheidung hatte Huber seinen Schülerinnen und Schülern überlassen. «Als Lehrperson ist es je nach kursierenden Ideen schwierig, sich nicht in die Themenfindung der Schülerschaft einzumischen. Die Erfahrung zeigt, dass bisher noch jede meiner Klassen einen vernünftigen Vorschlag ausgewählt hat.» Zum Spiel gehört auch die Gründung einer fiktiven Partei. Als Namen wählte die Schülerschaft «Partei der Zukunftsmobilität» (PDZ). Und sie sammelte auch Unterschriften auf der Strasse: 100 Unterschriften kamen zusammen.
«Ich finde es eindrücklich, live mitzuerleben, wie in unserem Land Politik gemacht wird.»
Session mit einer anderen Klasse
Schliesslich machten sich Hubers Schülerinnen und Schüler auf nach Bern, um an der zweitägigen Spielsession im Nationalratssaal des Bundeshauses mit anderen über verschiedene Initiativen zu debattieren und gemeinsam Beschlüsse zu fassen. Sie trafen auf eine Klasse aus dem waadtländischen Mont-sur-Lausanne, die ebenfalls an den Projekttagen teilnahm. «Ich finde es eindrücklich, live mitzuerleben, wie und wo in unserem Land Politik gemacht wird», sagt Sarah Staub aus Päffikon gegenüber BILDUNG SCHWEIZ. Die 16-Jährige hat sich im Klassenzimmer intensiv für die Gratis-ÖV-Initiative engagiert, «weil ich als Jugendleiterin mehrmals die Woche von Pfäffikon nach Wollerau pendle». Ihr Klassenkamerad Muntesir Mohammedbrhan hätte sich hingegen lieber mit der Initiative zur Schweizer Neutralität auseinandergesetzt. «Der Ukraine-Krieg und der Nahost-Konflikt zeigen, dass sich die Schweiz nicht wirklich neutral verhält. Das sehe ich kritisch», so der 14-Jährige.
Debatte mit echten Emotionen
Die Stimmen aus der Schülerschaft zeigen: «SpielPolitik!» eignet sich primär als Vehikel, um die Mechanismen unseres Politsystems und die dazugehörige Debattenkultur kennenzulernen. Was die politischen Inhalte betrifft, spielt die persönliche Betroffenheit hingegen die entscheidendere Rolle.
Die Initiative für einen kostenlosen öffentlichen Verkehr für Jugendliche der PDZ aus Pfäffikon wurde an der Session mit 18 zu 32 Stimmen verworfen. Lehrer Huber zieht – trotz der politischen Niederlage – zum Simulationsspiel ein positives Fazit: «Die Durchführung ist zwar aufwendig, aber lohnenswert. Meine Schülerinnen und Schülerinnen waren super motiviert bei der Sache.» Dies auch deshalb, weil sich die Debatte nicht wie üblich aufs Klassenzimmer beschränke und im ehrwürdigen Nationalratssaal ihren Höhepunkt finde.