Bildungsbericht 2023

Repetieren ist teuer und der Nutzen unklar

Im Verlauf der Primarschule repetieren rund 7 Prozent aller Schulkinder ein Schuljahr. Knaben und Kinder mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Familien tun dies häufiger als andere. Der Nutzen der Repetition bleibt unklar – trotz den hohen Kosten, die sie verursacht.

Ein Schulkind betritt das Klassenzimmer.
Repetieren lohnt sich im Idealfall dann, wenn die Kinder, die repetiert haben, längerfristig bessere Schulleistungen erbringen. Foto: iStock/bymuratdeniz

Von den rund 1 Million Schulkindern wiederholen jährlich 19 000 ein Schuljahr. Solche Repetitionen sind teuer, umfasst doch der Gesamtbetrag für die Ausgaben im Zusammenhang mit Repetitionen rund 300 Millionen Franken pro Jahr.

Repetitionen sind kantonal unterschiedlich geregelt. Entsprechend variieren die Quoten der Kantone stark (siehe Grafik). Teilweise lassen sich die Unterschiede mit den unterschiedlichen Regeln erklären. Beispielsweise zwischen dem Kanton Basel-Stadt, wo Repetitionen nur unter besonderen persönlichen Umständen zugelassen sind und dem Kanton Luzern, wo repetieren grundsätzlich möglich ist. Es gibt jedoch auch Unterschiede zwischen den Kantonen mit ähnlichen Regeln.

Welche Schülergruppen häufiger repetieren

Innerhalb ihrer Schulzeit repetieren 7 Prozent der Primarschülerinnen und -schüler ein Schuljahr. Sowohl auf der Primar- und auf der Sekundarstufe I repetieren Knaben häufiger als Mädchen. Auch Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, aus der französischsprachigen Schweiz und von Eltern, die weniger gebildet sind, repetieren häufiger als andere Schülerinnen und Schüler.

Die Wirkung von Repetitionen gehört zu den ungenügend erforschten Themen.

Dieses Muster gilt aber nur, wenn die Repetitionen des elften Schuljahres nicht berücksichtigt werden. In der Gruppe der Schülerinnen und Schüler des elften Schuljahres sind es deutlich häufiger Jugendliche von Eltern mit einem Hochschulabschluss als solche von Eltern mit tieferem Bildungsabschluss.

Diese Repetitionen stehen meist im Zusammenhang mit dem Übertritt ins Gymnasium. Es handelt sich um Übertritte nach dem elften Schuljahr, wo dieser bereits nach dem zehnten Schuljahr möglich gewesen wäre, jedoch damals noch nicht geklappt hat. Das ist ein Hinweis darauf, dass Schülerinnen und Schüler für die Wunschausbildung am Ende der obligatorischen Schule eine Wiederholung in Kauf nehmen.

Grafik: Repetition auf der Primarstufe

Lesebeispiel: Im Kanton Neuenburg repetieren 9 Prozent der Dritt- bis Siebtklässlerinnen und -klässler ein Schuljahr. In der achten Klasse sind es 3 Prozent. Im Kanton Neuenburg ist dies während des dritten bis siebten Schuljahrs grundsätzlich erlaubt. Das achte Schuljahr darf nur unter besonderen Umständen repetiert werden.

 

Nutzen von Repetitionen ist nicht belegt

Die Wirkung von Repetitionen gehört zu den ungenügend erforschten Themen. Vor dem Hintergrund der hohen Kosten wäre es jedoch angezeigt, Repetitionen besser zu untersuchen. Repetieren hat sich im Idealfall dann gelohnt, wenn die Kinder, die repetiert haben, längerfristig bessere Schulleistungen erzielen und später einen höheren Abschluss erlangen als ohne Repetition. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Ausgaben wären Repetitionen dann gerechtfertigt, wenn die Jugendlichen aufgrund der Repetition später ein tieferes Risiko haben, arbeitslos zu werden, als wenn sie nicht repetiert hätten. Unter der Annahme, dass sich der Nutzen einer Repetition in Basel-Stadt oder in Luzern nicht stark unterscheidet, weisen die Kantonsunterschiede darauf hin, dass in gewissen Kantonen zu viel und in anderen zu wenig repetiert wird.

Lernende nehmen für ihre Wunschausbildung eine Wiederholung in Kauf.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Schülergruppen repetieren. Zudem wird deutlich, dass aus unterschiedlichen Gründen repetiert wird: Im Verlauf der obligatorischen Schule ist der Grund die ungenügende Leistung. Am Ende der obligatorischen Schule begründet sich die Repetitionen eher damit, dass die Leistung der Schülerinnen und Schüler für ihre Wunschausbildung nicht ausreicht. Unklar bleibt wegen dünner Datenlage, ob mit den Repetitionen auch eine systematische Ungleichbehandlung einhergeht. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Kinder mit Migrationshintergrund häufiger eine Klasse wiederholen als gleich leistungsstarke Kinder ohne Migrationshintergrund – und dies wiederum unterschiedliche Auswirkungen auf die Bildungschancen dieser Gruppen hätte.

WEITER IM NETZ
Die Angaben zu den verwendeten Daten und Hinweise auf Forschungsliteratur
sind im Bildungsbericht aufgeführt. Zum Bildungsbericht: www.skbf-csre.ch

Autor
Chantal Oggenfuss, Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung

Datum

30.03.2023

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