Radioprofis erzählen

Was einen guten Podcast ausmacht

Podcasts sind beliebt und entstehen öfters auch in Klassenzimmern. Zwei Radioprofis verraten ihre Tricks. Perfektion allein macht nämlich noch keinen guten Podcast. Spontaneität gehört zwingend dazu.

Eine Schülerin mit Kopfhörern lauscht einem Podcast.
Gute Podcasts fesseln mit packenden Geschichten und individuellen Stimmen, die Emotionen wecken. Foto: iStock/urbazon

In einer Welt, die uns rund um die Uhr mit visuellen Reizen überflutet, sind Podcasts ruhige Hörinseln für unsere Neugierde. Für jeden Geschmack ist etwas dabei: von Comedy über Sport, Geschichte und Technologie bis zu Wissenschaft und Weltgeschehen. Manche Podcasts bieten tiefsinnige Gespräche, andere leben von unterhaltsamen Persönlichkeiten oder sind inszeniert wie Hörspiele. Diese Vielfalt macht das Medium so beliebt. Der Streaming-Dienst Spotify verkündete zum internationalen Podcast-Tag am 30. September, dass auf der Plattform unterdessen rund fünf Millionen verschiedene Podcasts angeboten werden.

Das Format eignet sich auch für den Unterricht. Bereits mit relativ einfachen Mitteln können Schülerinnen und Schüler eigene Podcasts produzieren. Die Aufgaben decken, je nach Vorgabe, verschiedenste Kompetenzen ab: Wissensrecherche, Meinungsbildung, Umgang mit Technologie und Medien, mündlicher Ausdruck, selbstständiges Arbeiten und kreatives Schaffen. Podcasts bieten Lernenden viel Platz, eigenen Interessen nachzugehen und persönliche Stärken einzubringen.

Tischzelt als Tonstudio

Doch was ist im Rahmen des Schulunterrichts überhaupt möglich und wie viel Technik ist nötig? Wer eine gute Ausrüstung will, wird im Internet schnell fündig. Das kann jedoch auch teuer werden. «Das Zusammenstellen der technischen Ausrüstung kann man ad absurdum führen», sagt Susanne Witzig. Die ehemalige SRF-Radiojournalistin und Programmentwicklerin leitet heute Podcast-Projekte bei der «Neuen Zürcher Zeitung». Gute Technik sei beim Podcasten natürlich wichtig. «Für ein Schulprojekt würde ich jedoch nicht zu viel Zeit und Kosten darin investieren.»

«Man kann auch unter der Bettdecke aufnehmen.»

Das Lernpotenzial sieht die Radioexpertin im Entdecken der Sprache und der eigenen Gesprächshaltung. «Wichtig sind zunächst Inhalt und Struktur – und die Lust am Podcasten.» Sie weist darauf hin, dass für einfache Gesprächs-Podcasts schon ein Handy mit einem einfachen Mikrofon reicht. Für einen angenehmen Ton braucht es laut Witzig nicht unbedingt ein Studio. Bei Aufnahmen sollte man jedoch Umgebungslärm, Hall und Wind vermeiden.

Am einfachsten gelingen Aufnahmen darum in kleinen Räumen. Solche Orte lassen sich auch mit dämpfenden Textilien erschaffen. «Man kann unter der Bettdecke aufnehmen oder unter einem Tisch, über den man eine Wolldecke legt», rät Witzig. Ausprobieren vor den eigentlichen Aufnahmen sei wichtig, dann merke man auch, ob Lautstärke und Abstand zum Mikrofon stimmten.

Vorbereitung ermöglicht Spontaneität

Der Ton allein macht aber noch keinen Podcast. Er lebt vor allem von einer guten Geschichte. Dafür braucht es ein klares Thema und eine stimmige Erzählung mit einem Spannungsbogen. Erzählt wird als Gespräch, Reportage oder als dramatische Inszenierung mit Geräuschen und Tönen. Möglich ist vieles, aber: «Es braucht einen Plan», erzählt Angela Haas, Moderatorin und Reporterin bei SRF Kids. So geht sie auch selbst vor. «Ich muss wissen, welche Fragen wann kommen, und die Reihenfolge muss sinnvoll sein.»

Der Plan ermögliche ihr bei der Aufnahme Spontaneität, ohne dass der Faden verloren geht. Für die Recherche empfiehlt Haas zudem Vorgespräche, bevor man jemanden interviewt. Im Interview selbst bleibt dann auch Platz für Überraschungen. Unvorhergesehenes sorgt manchmal sogar für willkommene Würze. Zum Beispiel, wenn der kleine Bruder im Gespräch das Mikrofon küsst. Solche Details machen Podcasts wertvoll, sagt sie. «Was mitten aus dem Leben kommt, bereitet Freude.»

«Ja nicht Wort für Wort aufschreiben, sondern Platz für Spontaneität lassen.»

Von Kindern für Kinder

Der Podcast muss nicht wie die Hauptausgabe der Tagesschau klingen. Podcasts von Schülerinnen und Schülern sollen auch für Schülerinnen und Schüler interessant sein. Die Sprache darf also informell sein, wie es unter Kindern und Jugendlichen üblich ist. Es braucht ein paar Informationen dazu, wer spricht und um was es im Podcast geht – keine langen, komplizierten Ansagen. «Eine direkte Ansprache, zum Beispiel eine Frage am Anfang des Podcasts, weckt die Neugierde der Hörerschaft», sagt Witzig. Und Stichworte sind besser als lange Redetexte: «Ja nicht Wort für Wort aufschreiben, sondern Platz für spontane Ideen lassen.»

Damit Podcast-Episoden in Erinnerung bleiben, brauchen sie zudem eine Botschaft oder überraschende Erkenntnisse. «Die Schülerinnen und Schüler sollten sich dafür überlegen, was sie von ihrer Recherche besonders wichtig, spannend oder aussergewöhnlich finden», sagt Witzig. Sie empfiehlt Podcast-Teams, vor dem Gespräch jeweils Start und Ende abzusprechen und die Beitragslänge auf maximal 20 Minuten zu beschränken.

Sprechende nehmen Rollen ein

Unabhängig von Technik, Thema und taktischem Vorgehen lebt ein guter Podcast auch von den Persönlichkeiten der Sprecherinnen und Sprecher. Ihre Stimmen gehen direkt in die Köpfe der Zuhörenden. So entstehen Bilder und Emotionen. Das funktioniert jedoch nur, wenn die Menschen am Mikrofon authentisch sind. «Ich rate den Kindern jeweils so zu bleiben, wie sie sind», sagt Haas. «Wer quirlig ist, soll quirlig bleiben.»

Doch die Persönlichkeiten verleihen dem Podcast nicht nur Charakter, sie geben ihm auch Struktur: «Wer am Mi-krofon spricht, sollte sich überlegen, welche Rolle am besten zu ihm oder ihr passt», rät Witzig. Diese Rollen bauen auf die jeweilige Persönlichkeit der Schülerin und des Schülers auf. Sie erfüllen im Podcast bestimmte Funktionen: Wer ist der Witzbold? Wer stellt die kritischen Fragen? Und besonders in Gesprächspodcasts wichtig: Wer vermittelt oder führt durch das Gespräch? Je verschiedener die Persönlichkeiten sind, desto einfacher sind die Sprechenden für die Hörerschaft auseinanderzuhalten. Ab mehr als drei Stimmen wird es dennoch schwierig.

Lockern, bevors losgeht

Sprechen ist für Menschen eigentlich etwas Natürliches. Das Sprechen am Mi-krofon hingegen braucht Übung und für manche auch Überwindung: «Es braucht ein bisschen Mut», sagt Haas. Nicht jedes Kind fühle sich am Mikrofon sofort wohl. Das Schöne: Aufnahmen können wiederholt oder sogar geschnitten werden. Etwas Nervosität sei normal. Da helfe kurz durchatmen. «Podcasts sind von Menschen für Menschen. Wir sind keine Roboter.»

«Das Lächeln ist hörbar. Es darf auch gelacht werden.»

Vor der Aufnahme helfen auch ein paar Purzelbäume oder ein wenig tanzen. Dann könne man sich lockerer ans Mikrofon setzen, sagt Witzig. Für etwas Ruhe und Entspannung am Mikrofon rät sie, dass man die Stimme etwas dämpft wie beim Gespräch im Zug und dazu die Mundwinkel hochzieht. Das klinge gleich besser. «Das Lächeln ist hörbar. Es darf auch gelacht werden.»

Ausprobieren, besser werden

Spass und Spontaneität gehören zum Podcast. Die Arbeit daran bietet Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit, Neues zu probieren – und zu lernen. Denn perfekt muss es nicht auf Anhieb sein. Und: «Mit jedem Podcast wird man besser», sagt auch Haas.

Wie ambitioniert Jugendliche an ihren Podcasts arbeiten, erlebte Witzig kürzlich mit ihrer Tochter. Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Frauenfeld veröffentlichten auf Spotify ihre eigenen Werke. «Inhaltlich war ich positiv überrascht», sagt die Radiofrau von einem Podcast über Mode an der Schule. «Der Aufbau war gut, sie brachten verschiedene Perspektiven ein.» Und hat der Ton überzeugt? «Der hätte besser sein können, aber wichtiger waren mir Struktur und Gesprächshaltung», sagt Witzig. Auch mit ihrer Freude haben die Jugendlichen bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen: «Sie lachten über sich selbst. Das war erfrischend.»

Tipps und Tools für Podcasts

Einfache Gespräche kann man ohne Schnitt mit dem Handy und einem einfachen Mikrofon aufnehmen. Zum Schneiden der Audiospuren gibt es auf Mac das Programm Garageband. Für Windows ist das Gratisprogramm Audacity geeignet. Auf podcasters.spotify.com kann man Podcasts erstellen, bearbeiten und schliesslich auf Spotify hochladen. Bevor man Lernende damit arbeiten lässt, lohnt es sich auf jeden Fall, diese Tools selbst auszuprobieren. Weitere nützliche Links gibt es in einem bereits erschienenen Bildungsnetz-Artikel unter bildungschweiz.ch/detail/Podcasts-aus-dem-Schulzimmer.

 

Autor
Patricia Dickson

Datum

21.11.2023

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