Engagierte Lehrerin

Pendlerin zwischen zwei Welten

Corina Castelberg arbeitet in der Schweiz als Lehrerin und gleichzeitig für eine Hilfsorganisation in Malawi. Mit ihren Schulkindern hat sie ein Hilfsprojekt gestartet. 

Porträt von Corina Castelberg. Foto: zVg
Corina Castelberg. Foto: zVg

Bildung Schweiz: Sie sind in der Schweiz Klassenlehrerin und arbeiten gleichzeitig für die Hilfsorganisation Zikomo Foundation in Malawi. Was unterscheidet diese Welten?

CORINA CASTELBERG: Wir sind uns Schweizer Standards gewohnt und kennen nichts anderes. Es ist selbstverständlich, dass jedes Kind ein Pult, einen Stuhl, eigene Lehrmittel, Schulhefte, verschiedenste Stifte und mindestens ein Etui hat. Seit ich die Situation in Malawi kenne, sehe ich unsere Standards als grosses Vorrecht und weiss diese mehr zu schätzen. In Malawi gibt es viele Klassenzimmer ohne Pulte, Stühle oder andere Möbel. An manchen Schulen findet der Unterricht sogar im Freien statt, was besonders in der Regenzeit problematisch ist. Auch Lehrmittel, Schulhefte und Schreibwaren sind an vielen Schulen Mangelware. Nicht jede Lehrperson hat die nötigen Lehrmittel zur Verfügung. Jedes Kind besitzt knapp ein Schulheft und einen Stift, um Lerninhalte von der Tafel abzuschreiben. Deshalb wird meistens frontal unterrichtet. In Klassen mit zum Teil über 100 Kindern ist die Methodenvielfalt eingeschränkt. Trotz Schulpflicht werden auch nicht alle Kinder zur Schule geschickt.

Mit Ihren Schulkindern haben Sie ein Hilfsprojekt gestartet. Wie sieht ein kindgerechtes Projekt konkret aus?

Alles startete als Projektwoche mit Schulkindern des Zyklus 2. Im Mittelpunkt standen das Schreiben und der Verkauf einer Schülerzeitung. Dafür waren die Schülerinnen und Schüler schnell zu begeistern. Für die Kinder der dritten Klasse war dies allerdings noch herausfordernd, deshalb biete ich das daraus entstandene Wahlfach nun erst ab der vierten Klasse an. Trotzdem waren in der Projektwoche auch die jüngeren Kinder ein wertvoller Teil der Gruppe. In Zusammenarbeit mit den Älteren haben sie Texte verfasst, Geschenke für Kinder in Malawi gebastelt und unser Projekt an Haustüren oder in Firmen vorgestellt. Die kindliche Spontanität ermöglicht natürliche und authentische Begegnungen und Gespräche. Meine Erfahrungen und Ideen teile ich nun gerne mit interessierten Lehrpersonen. Dafür habe ich den «Malawikoffer» mit Materialien für ein kindgerechtes Hilfsprojekt zusammengestellt, die man via zikomofoundation.org bei mir bestellen kann.

Privilegierte aus dem Norden helfen Armen im Süden. Schwingt bei Ihnen da kein Unbehagen mit, dass damit Denkmuster zementiert werden?

Um dieses Denkmuster zu vermeiden, ist es wichtig, ein Land in der Schule ganzheitlich zu thematisieren und den Fokus nicht auf die Armut zu setzen. Die reiche Tierwelt Malawis, die vielfältige Natur, die Essgewohnheiten und die fremde Sprache sind sehr interessante Lerninhalte für die Kinder. In Malawi habe ich zudem viele immaterielle Reichtümer entdeckt: Gastfreundlichkeit, Grosszügigkeit und tiefe Lebenszufriedenheit. Die Menschen sind dankbar für das, was sie haben, teilen gerne und sind füreinander da. Das schenkt ihnen Zufriedenheit. Der Zusammenhalt in Dorfgemeinschaften und Familien ist in Malawi stark verankert. Einsamkeit oder Depressionen tauchen weniger auf. Wenn wir also genauer hinschauen, können wir gerade von «den Armen im Süden» sehr viel lernen. Es ist wichtig, mit den Kindern auch diese Aspekte zu thematisieren. So können sie erkennen, dass Geld und Besitztümer allein nicht glücklich machen.

Datum

20.08.2023