Alles beginnt bei Adam und Eva. Die Ausstellung «begehrt. umsorgt. gemartert.» im Landesmuseum Zürich zeigt das Gemälde aus der Werkstatt des Renaissance-Malers Lucas Cranach: Das erste Menschenpaar steht im Garten Eden vor dem Baum der Erkenntnis. Mit ihren schlanken Körpern und den «definierten» Muskeln entsprächen sie auch heute dem Schönheitsideal.
Das Schönheitsideal ist jedoch nur ein Aspekt der Ausstellung. Im Mittelalter wird der menschliche Körper zu einer Projektionsfläche theologischer, weltlicher, künstlerischer und medizinischer Debatten. Vorstellungen, die zuweilen widersprüchlich sind – besonders im Bezug auf die Sexualität als Sünde. So gab es durchaus Gelehrtenstimmen, welche die Lust und das Begehren im Rahmen der Ehe als notwendig zum Erhalt der Menschheit rehabilitierten.
Gemarterte Heilige als Idealkörper
Eine weitere Station widmet sich der sa-kralen Kunst. Dort erscheinen der gemarterte Körper Jesu und die gefolterten Märtyrer und Märtyrerinnen als Idealkörper jenseits irdischer Leiblichkeit. In ihnen verbindet sich die innere mit der äusseren Schönheit. Entsprechend werden ihre Körperteile als Heil bringende Reliquien verehrt.
Flachreliefe aus Blei und Zinn zeigen personifizierte Phalli und Vulven.
Weniger sakral hingegen sind die obszönen Abzeichen, die in einer Vitrine ausgestellt sind. Diese Flachreliefe aus Blei und Zinn zeigen personifizierte Phalli und Vulven. Sie wurden zwischen 1350 und 1450 massenweise produziert und sichtbar an der Kleidung getragen. Welche Funktion sie erfüllten, ist unklar.
Nicht verklemmt, eher lustvoll
Sexuell prüde, wie man heute gemeinhin glaubt, waren die Menschen im Mittelalter also nicht. So sind auf einigen Druckgrafiken ausgelassen tanzende Bauernpaare oder erotisch aufgeladene erste Dates junger Edelleute zu sehen.
Adlige Körper waren gepflegte, sportlich trainierte Körper.
Phallische Symbole wie Schwerter, Dolche oder Schnabelschuhe aus feinem Leder nahmen vorweg, dass es gleich zur Sache gehen wird. Wie sinnenfreudig das Mittelalter war, belegen auch die Hörbeispiele erotischer Literatur.
Adlige Körper waren gepflegte, sportlich trainierte Körper. Die Ausstellung zeigt entsprechende Gegenstände wie verzierte Kämme (die auch zum Entfernen der Läuse gedacht waren), Spiegel und Anleitungen zum richtigen Färben der Haare. Auch ein lederner Faustball und «Fachbücher» zu diversen Sportarten sind unter den Exponaten.
Im Paradies ist der Körper unversehrt
Adlige hatten im Mittelalter Zugang zu an den aufkommenden Universitäten ausgebildeten Ärzten. Das gemeine Volk hingegen musste mit Laien- und Wundärzten vorliebnehmen. Krankheiten, harte Arbeit, Mangelernährung und Armut rafften die niederen Bevölkerungsschichten vorzeitig dahin. Am Schluss blieben über alle Standesgrenzen hinweg allen der Tod und die Hoffnung auf das Paradies. Die Menschen glaubten an eine Auferstehung mit einem vollkommen unversehrten Körper.
Besuch mit guter Vorbereitung
Die hochstehenden Exponate aus dem In- und Ausland sind klug gewählt, um das abstrakte Thema anschaulich zu illustrieren. Die Erläuterungen sind ebenso kurz wie kenntnisreich verfasst. So gelingt es der Ausstellung trotz überbordender Fülle, den Spannungsbogen durch sieben Stationen bis zum Schluss zu halten. Mit einer gründlichen Vorbereitung und einer Führung ist der Besuch für Schulklassen der Oberstufe unbedingt empfohlen.