Mobbing ist kein Ausnahmephänomen. Täglich sind Kinder und Jugendliche von verletzenden, ausgrenzenden Handlungen oder Äusserungen betroffen. Mobbing macht auch keine Pause. In der digitalen Welt enden die Angriffe nicht nach Schulschluss – Cybermobbing ist rund um die Uhr ein Thema. Um dem Problem an Schulen nachhaltig zu begegnen, ist oftmals ein Kulturwandel nötig. «Im Zentrum steht nicht die Intervention bei bestehenden Mobbingfällen, sondern die Entwicklung einer Schulkultur der Achtsamkeit und Fürsorge», sagt Simone Walker, Projektleiterin bei der schweizerischen Gesundheitsstiftung Radix. Diese hat 2021 zusammen mit Pro Juventute und den Verbänden der Schulleitenden (VSLCH) sowie Schulsozialarbeitenden (SSAV) eine Initiative gestartet. Das Projekt «#standup» soll Schulen im Umgang mit Mobbing unterstützen. Ursprünglich für die Mittel- und die Sekundarstufe entworfen, richtet sie sich heute an alle Zyklen der Volksschule. Ziel ist eine frühzeitige und nachhaltige Mobbingprävention an Schulen.
Blinde Flecken analysieren
«Während ein bis zwei Jahren setzen sich die Schulen intensiv mit dem Thema Mobbing auseinander, analysieren ihre Bedürfnisse und auch ihre blinden Flecken», sagt Christiane Willemeit, Projektleiterin bei Pro Juventute. In dieser Zeit erarbeiten die Schulen massgeschneiderte Konzepte wie beispielsweise einen Handlungsleitfaden, der bei einem Mobbingverdacht klare Abläufe und Zuständigkeiten definiert. Das Projekt versteht sich als umfassende Schulentwicklungsmassnahme, die alle Beteiligten – Schulleitung, Lehrpersonen, Eltern, Schulsozialarbeit – einbindet und ist in der Regel im Schulprogramm verankert.
«Im Zentrum steht die Entwicklung einer Schulkultur der Achtsamkeit und Fürsorge.»
Doch wie funktioniert das nun konkret in den Schulen? Das Mittelstufenschulhaus in Urdorf im Kanton Zürich mit 190 Schülerinnen und Schülern hat vor Kurzem das Projekt abgeschlossen. Das Sekundarschulhaus Halden im zürcherischen Opfikon mit knapp 500 Schulkindern war schon in der Pilotphase dabei.
Umfrage zum Wohlbefinden
«Die Schule Urdorf entschied sich 2023 für die Initiative ‹#standup›, nachdem Mobbing bei uns wiederholt Thema war und die Schulpflege nach Strategien fragte», erzählt Schulleiterin Martina Schwarz. Eine Arbeitsgruppe aus drei Lehrpersonen, der Schulleiterin und der Schulsozialarbeiterin Isabelle Hess plante die Einführung.
Der Start erfolgte mit einer Kick-off-Veranstaltung. Alle Klassen schauten gleichzeitig einen Film, diskutierten über Mobbing und formulierten eigene Definitionen. Parallel wurde eine digitale Meldeplattform installiert. Danach folgten vorbereitete Unterrichtseinheiten, die Konfliktbewältigung und Mobbing in den Klassen thematisieren.
Zusätzlich führte die Schule eine jährliche Umfrage zum Wohlbefinden ein, die Sicherheit, Konflikte und Unterstützungsnetzwerke abfragt. Die Projektleitung der Schule nahm, teilweise digital, an sechs Veranstaltungen teil und traf sich regelmässig zu internen Sitzungen. Mit den Hilfestellungen und Unterlagen zum Projekt erarbeitete sie massgeschneiderte Lösungen für ihre Schule. «Die Teilnahme verlangte einiges an Aufwand, aber es hat sich gelohnt», resümiert Martina Schwarz.
Jährliche Inputs zum Thema
Heute hat die Schule Urdorf einen klaren Umgang mit Mobbingverdacht etabliert. Auf der Website 147.ch steht für die Schülerinnen und Schüler der beteiligten Schulen eine digitale Plattform zur Verfügung, wo sie anonym eine Meldung zu einem vermuteten Mobbingvorfall hinterlassen können. Eine Meldung gelangt zur Schulsozialarbeit der jeweiligen Schule, die gemäss dem erarbeiteten Handlungsleitfaden die nächsten Schritte einleitet.