Methodische Vielfalt

Manchmal passt sogar Frontalunterricht

Die freie Wahl der Unterrichtsmethode ist Peter Liechti aus Wohlen im Kanton Bern ein Anliegen. Das gibt er auch angehenden Lehrerinnen und Lehrern als Praxislehrer weiter. Die Allerweltsmethode, die überall funktioniert, gibt es nicht.

Blick durchs Schlüsselloch: Anna Bühler unterhält sich mit Peter Liechti.
Anna Bühler hat von ihrem Praxislehrer Peter Liechti gelernt, wann welche Vermittlungsform passt. Fotos: Marion Bernet

Im Schulhaus Wohlen im Kanton Bern herrscht an diesem Freitag reger Betrieb. Draussen liegt Schnee, drinnen bespricht Lehrer Peter Liechti etwas mit ein paar Schülern. Als er etwas später die Türe öffnet, lacht er. «Wenn es frisch geschneit hat, gerät manchmal einiges durcheinander.» Er nimmt es gelassen.

Rund 150 Kinder besuchen die am Südhang des Frienisbergs gelegene Schule. Liechti ist Klassenlehrer einer Mehrjahrgangsklasse mit Dritt- und Viertklässlern an der Schule Wohlen. Er teilt sich dieses Amt mit einer Stellenpartnerin. Zusätzlich arbeitet er an der Tagesschule und als Praxislehrer mit erweitertem Auftrag für das Pädagogische Hochschulinstitut NMS (PH NMS) in Bern. Daneben betreut er noch einen Wiedereinsteiger im Lehrberuf, der neu an der Schule Wohlen arbeitet.

Als Praxislehrer hat Liechti auch die PH-Studentin Anna Bühler in einem Praktikum an seiner Klasse betreut. Sie ist unterdessen im dritten Semester ihrer Ausbildung und an diesem Freitag ebenfalls nach Wohlen gekommen.

Prägendes Praktikumserlebnis

Mittlerweile hat sich das Klassenzimmer geleert, die Schülerinnen und Schüler sind weg, die Garderobe vor dem Schulzimmer ist aufgeräumt. Der Gang wird auch als Arbeitsplatz genutzt. Hier, in diesem Schulhausgang, aber auch drinnen im Schulzimmer, hat Bühler im Praktikum bei Liechti vieles gelernt – etwa, wie es möglich ist, «dass alle Schülerinnen und Schüler mathematische Volumen begreifen». Nämlich, indem die Schülerinnen und Schüler diese Volumen mit Schachteln erarbeitet haben.

«Wenn mir mathematische Volumen so vermittelt worden wären, hätte ich das sehr geschätzt.»

Das Erlebnis hat sie und ihr Verständnis für Methodik geprägt: «Peter Liechtis Unterricht ist sehr handlungsorientiert. Wenn mir in meiner Schulzeit mathematische Volumen so vermittelt worden wären, hätte ich das sehr geschätzt», sagt sie. Die Schülerinnen und Schüler hätten verglichen, geordnet und zusammengearbeitet. «Schnell ist dabei klar geworden, dass eigentlich jedes Kind schon etwas zum Thema Volumen wusste.» Oder anders ausgedrückt: Jede Schülerin und jeder Schüler hatte ihr beziehungsweise sein eigenes kleines Erfolgserlebnis.

Liechti ist allerdings kein dogmatischer Verfechter des handlungsorientierten Unterrichts. Im Gegenteil: «Ich finde es wichtig, dass ich als Lehrperson auf verschiedene Methoden in meinem Repertoire zurückgreifen kann.»

Situationen bestimmen die Methode

Um die jeweils richtige Lehrmethode für die eigenen Schülerinnen und Schüler zu finden, orientiert sich Liechti an deren unterschiedlichen Lernvoraussetzungen. Er berücksichtigt aber auch das Schulfach, den zu vermittelnden Inhalt und die Ziele, die erreicht werden müssen. So sucht er immer situativ nach der idealen Art der Vermittlung. «Ich wende deshalb durchaus auch immer wieder die klassische Methode des Frontalunterrichts an, wenn sie gewinnbringend ist und Sinn macht», sagt Liechti.

«Der Lehrplan 21 gibt das Ziel vor, aber nicht den Weg.»

Dass er verschiedene Methoden anwenden kann, ist Liechti wichtig. Mit dem Lehrplan 21 habe sich dies glücklicherweise nicht geändert. «Der Lehrplan 21 gibt das Ziel vor, aber nicht den Weg, wie man dorthin gelangen soll. Das schätze ich.»

Lehrplan betont Methodenvielfalt

Die Gewährleistung der Methodenvielfalt war vor der Einführung des Lehrplans 21 ein viel diskutiertes Thema. Dabei waren sich Befürworter und Gegner des Lehrplans 21 aber im Prinzip einig: Die Methodenvielfalt muss gewährleistet bleiben. Christian Amsler, damaliger Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz, betonte dies in der Öffentlichkeit denn auch immer wieder.

Inzwischen ist der Lehrplan 21 längstens eingeführt und in den allgemeinen Hinweisen und Bestimmungen ist explizit Folgendes festgehalten: «Lehrpersonen brauchen Freiräume für die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen. Schulen und Lehrpersonen sollen Handlungsmöglichkeiten nutzen, um den Unterricht individuell zu reflektieren, mit neuen Elementen zu bereichern und weiterzuentwickeln.

Diese Freiheiten sollen den Anstoss zu abwechslungsreichem und motivierendem Unterricht geben.» Lehrpersonen sollen zudem eine «Vielfalt von Methoden und Sozialformen für den Unterricht nutzen». Welche das sind, wird den Lehrpersonen im Lehrplan 21 nicht vorgeschrieben.

Bei Lehrmitteln ist Wahl eingeschränkt

Bei den im Unterricht einsetzbaren Lehrmethoden herrscht also freie Wahl. Weniger frei sind Lehrpersonen allerdings in der Wahl der Lehrmittel: Der Lehrplan 21 weist darauf hin, dass Lehrpersonen die jeweils kantonal obligatorischen Lehrmittel im Unterricht nutzen müssen. Dazu dürfen ergänzend frei wählbare Lehrmittel und Unterrichtsmaterialien eingesetzt werden.

«Eine einheitliche Lehrmittelwahl an einer Schule macht Sinn»

Dass die Wahl der Lehrmittel eingeschränkt ist, stört Liechti nicht. «Eine einheitliche Lehrmittelwahl an einer Schule macht Sinn», findet er. Die Lehrpersonen der oberen Klassen wüssten so, welche Inhalte in den unteren Klassen in etwa erarbeitet worden seien und könnten darauf aufbauen.

Eine Frage der Vielfalt

Wichtiger ist ihm die Methodenfreiheit: «Wir sind eine vielfältige Gesellschaft, deshalb ist es wichtig, dass wir auch vielfältige Methoden und Sozialformen anwenden können», sagt er. Er vermittelt dies deshalb auch seinen Praktikantinnen und Praktikanten.

«Ich habe es sehr geschätzt, in meinem Praktikum bei Peter Liechti eine methodische Vielfalt kennenzulernen», sagt Anna Bühler. Auch in ihrem momentanen Praktikum an einem Kindergarten werde vielfältig unterrichtet. Allerdings sei das nicht überall so, stellt Bühler fest: «Es gibt Lehrpersonen, die eine Lehrmethode bevorzugen und diese auch fast ausschliesslich anwenden.»

Methodenvorgabe als Chance sehen

In den Begleitgesprächen, die Liechti mit seinen Praktikantinnen und Praktikanten führt, ist dies denn auch immer wieder einmal Thema. Studierende wollen laut Liechti ausprobieren und üben. Sie übernehmen dabei jedoch nicht immer gerne die Methoden der Praxislehrpersonen. Liechti ermutigt die Studierenden dann, seine Vorgaben nicht nur negativ zu sehen: «Die Einschränkung kann auch eine Chance sein. Man probiert so eine Lehrmethode aus, die einem persönlich vielleicht nicht so liegt, mit der man aber ganz neue Erfahrungen machen kann.»

«Eine Unterrichtsmethode, die in jedem Fall und immer richtig ist, gibt es nicht.»

Ziel sei in der Ausbildung aber, dass die Studierenden am Ende ihres Studiums einen bunten Strauss an Methoden kennenlernten und wüssten, weshalb jemand die eine oder andere Methode für seinen Unterricht bevorzugt einsetze und welche sich wann eignen würde.

Liechtis ehemalige Praktikantin Anna Bühler weiss nun: «Bei den einen Schülern funktioniert die eine Methode besser, bei den anderen Schülerinnen eine andere. Es braucht deshalb ein Gespür für die Klasse, welche Methode sich eignet und auch die Bereitschaft, spontan etwas anders als geplant zu machen.»

Eine Zauberformel existiert also nicht. Darin sind sich die angehende Lehrerin und ihr ehemaliger Praxislehrer einig: «Es gibt keine Unterrichtsmethode, die in jedem Fall und immer richtig ist.»

 

Autor
Mireille Guggenbühler

Datum

06.03.2024

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