Lehrmittel

Lehrpersonen entwickeln eigene Hörstiftübungen mit neuer Plattform

Die Schule Flawil arbeitet mit Hörstiften, um das interaktive Lernen spielerisch zu fördern. Auf einer Plattform finden die Lehrpersonen neue Inhalten für die Hörstifte – und kreieren individuell angepasste Lernsettings.

Kinder sitzen am Boden. Eines hat den Hörstift "soundolino" in der Hand.
Kinder aus der Pilotschule Flawil im Kanton St. Gallen lassen den Kreisel drehen. Dort, wo der Zeiger stoppt, können sie via Soundsticker mit dem Hörstift kleine Aufgaben abrufen. Fotos: Stefan Edthofer

Manche Kinder brauchen viel Unterstützung, andere müssen länger üben und viele sprechen zu Hause eine andere Sprache als in der Schule. Eine Herausforderung beim Unterrichten. Daniela Vara arbeitet als Kindergärtnerin in Flawil im Kanton St. Gallen und nutzt kleine, digitale Helfer, die sie beim Individualisieren der Lerninhalte unterstützen. Diese Helfer sind Hörstifte, mit denen die Kinder problemlos selbstständig hantieren können. Jedes Kind besitzt einen eigenen Hörstift, der Audiodateien abspielen kann. Versteht es den Inhalt nicht auf Anhieb, kann es ihn beliebig oft wiederholen.

Die Schule Flawil nutzt seit einem Jahr als Pioniergemeinde die Hörstifte in Kombination mit der interaktiven Plattform «soundolino» (siehe Box). Inzwischen gibt es immer mehr Schulgemeinden, die das Projekt einsetzen. Es überzeugt inhaltlich und ist zugleich erschwinglich, wie ein Vergleich zeigen soll: Wird eine Klasse eins zu eins mit Hörstiften ausgestattet, kostet dies etwa gleich viel wie die Anschaffung und der Unterhalt eines einzigen iPads.

«Sage laut Hallihallo»

In der Kindergartenklasse von Daniela Vara kommen die Stifte regelmässig zum Einsatz. Zum Lernen brauchen die Kinder an diesem Nachmittag einen Kartonkreisel, der mit Punkten, sogenannten Soundstickern, und einem Drehpfeil versehen ist. Erst üben die Kinder, den Pfeil auf dem Kartonkreisel zu drehen.

Sobald das klappt, darf das erste Kind mit der eigentlichen Aufgabe beginnen. Wenn der Pfeil bei einem Punkt stillsteht, nimmt es seinen Stift und drückt die Spitze auf den Punkt. Alle warten gespannt, was sie nun zu hören bekommen: «Halte dir die Nase zu und sage laut Hallihallo», tönt es aus dem Stift. Sogleich führen die Kinder diese Anweisung aus. Bei den nächsten Runden heisst es: «Klatsche viermal hinter deinem Rücken in die Hände» oder «gehe auf den Fersen drei Schritte vorwärts». Schon sind die Kinder mittendrin in einer Hör- und Bewegungssequenz und wenden spielerisch verschiedene Kompetenzen an: zuhören, eine Aufgabe verstehen, eine vorgegebene Bewegung ausführen, eine Anzahl Schritte machen oder etwas Bestimmtes sagen.

Individuelle Aufgaben vorbereiten

Nach dieser Sequenz im Kreis dürfen die Kinder wählen, was sie weiter mit dem Hörstift machen möchten. Zur Auswahl stehen: eine Hörschatzsuche, um Sachen im Kindergarten zu suchen; eine Geschichte in der Pixi-Bibliothek auswählen und anhören oder Bewegungen mit dem Hörkreisel ausführen. Motiviert machen sie sich an die Arbeit oder suchen sich ein gemütliches Plätzchen in der Leseecke, um in Geschichtenwelten abzutauchen.

Passend zum Thema und ihren Unterrichtszielen kann die Lehrperson die Soundsticker mithilfe eines Computers, Tablets oder Smartpones besprechen, selber ausdrucken und aufkleben. Das bedeutet zwar etwas Aufwand beim Vorbereiten, aber dafür sind die Inhalte genau auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten. Die Hörstifte können unterschiedlich eingesetzt und genutzt werden. Sie eignen sich, um Verse zu üben, Rätsel zu lösen, für Spielanleitungen, um Geschichten zu hören oder für weitere Ideen. Im Team können Lehrerinnen und Lehrer einander selbstgefertigte Inhalte weitergeben und teilen.

Flawil als Pionierschule

Seit Sommer 2022 wird der Hörstift in Kombination mit der neuen Plattform soundolino in Flawil genutzt. Eingesetzt wird er im Kindergarten, in der Unterstufe, im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht (DaZ) oder in den Englischstunden. Roland Schmid ist Leiter der Fachstelle Medienpädagogik Flawil und erklärt, weshalb Flawil auf dieses Lernsetting setzt: «Um zur frühen Sprachförderung und zur Chancengerechtigkeit beizutragen, stellt die Schule Flawil den Schülerinnen und Schülern im Zyklus 1 Hörstifte unentgeltlich zur Verfügung. Mit der Plattform soundolino werden die Einsatzmöglichkeiten der Hörstifte vervielfacht. Die Kinder können damit selbst Audioinhalte kreieren und sowohl in der Schule als auch zu Hause individuell die Sprache üben und erforschen.»

Bisher hat Roland Schmid nur positive Rückmeldungen von Lehrpersonen vernommen. Geschätzt werde, dass die Schülerinnen und Schüler selbstständig und motiviert arbeiten. Ohne intensive mündliche Begleitung durch die Lehrperson oder die Eltern können die Kinder neue Übungsformen ausführen. Nach der erfolgreichen Pilotphase besitzt nun jedes Kindergartenkind einen eigenen Hörstift. Zudem sind auch die Unterstufenklassen und speziell die DaZ-Kinder mit Hörstiften bestückt.

Auf mögliche Schwachstellen angesprochen, meint Schmid: «Wir sehen im Moment vor allem das Potenzial des Projekts.» Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen überzeugt ihn. Die Hörstifte seien günstig, einfach in der Handhabung, zuverlässig und stabil. Dasselbe gelte für neue soundolino-Projekte. «Sie sind unkompliziert, schnell erstellt und können im Team ausgetauscht werden.» Das Einsprechen, das Drucken von Stickern und das Laden der Stifte erfordere keine besonderen technischen Fähigkeiten. Auf der Website der Plattform finden sich dazu Ideen, vorgefertigte Produkte und Anleitungen.

Auch punkto Abhängigkeiten zu Anbietern hat der Leiter der Fachstelle Medienpädagogik keine Bedenken: «In der Schule werden Produkte verschiedener Firmen eingesetzt. Wir erachten das nicht als problematisch», meint er. Zum Non-Profit-Projekt soundolino bestehe ein kooperatives Verhältnis. Anregungen und Ideen der Lehrpersonen würden aufgenommen und zeitnah umgesetzt. Die Materialien liessen sich zudem mit Hörstiften zweier verschiedener Hersteller nutzen.

Ein nützlicher Helfer für zu Hause

Zurück in den Schulalltag in Flawil: Cornelia Kramer unterrichtet Deutsch als Zweitsprache und auch sie verwendet die Hörstifte und die Plattform. Die erfahrene Lehrerin hatte anfangs etwas Respekt, ob das Handling mit dem Computer nicht zu kompliziert sei. Mittlerweile ist sie eine versierte Anwenderin und schätzt die neuen Differenzierungsmöglichkeiten. «Es dreht sich aber nicht alles um ‹soundolino›», betont sie. Dessen Materialien ergänzten und bereicherten einfach vieles, was sie schon vorher gemacht habe.

Einen grossen Vorteil sieht die DaZ-Lehrerin darin, dass die Kinder die Schul-Hörstifte nach Hause nehmen dürfen. So können sie zu Hause selbstständig die deutsche Sprache hören und vertiefen. Cornelia Kramer stellt fest, dass Geschichten, welche die Kinder zu Hause für sich entdecken, einen grossen Lerneffekt haben. Diese können sie für sich so oft wiederholen, wie es für sie passt. Eine besondere Wirkung habe der Stift auch bei Kindern, die im Unterricht wenig sprechen: «Zu Hause können sie ohne Erwachsene etwas üben und das Gelernte im Unterricht zeigen, wenn sie sich sicher fühlen. Hier wirkt der Hörstift wie eine zusätzliche Lehrperson, die man sogar nach Hause nehmen kann.»

Eigene Kreativität ist gefragt

Das Lernen mit dem Hörstift findet bei den Kindern grossen Anklang. «Der Stift ist robust gebaut, was im Umgang mit Kindern wertvoll ist», bemerkt Cornelia Kramer. Da soundolino noch ein junges Projekt ist und es noch nicht so viel vorgefertigtes Material gibt, tauscht sich die DaZ-Lehrerin rege mit den Klassenlehrpersonen ihrer DaZ-Kinder aus. Ihre Kolleginnen und Kollegen setzen den Stift im Unterricht ebenfalls unterstützend ein. «Wir geben uns gegenseitig Tipps, Hilfestellungen oder tauschen Erfahrungen aus.» Und entsprechend lautet ihr Fazit: «So gesehen ist es vielleicht sogar besser, wenn ich die Materialien zu meinen Lerninhalten und Themen selber erfinden und kreieren kann, als Dinge fixfertig zu kaufen.»

Das Projekt «soundolino»

«soundolino» ist ein Non-Profit-Projekt, das aus der Praxis für die Praxis entwickelt wurde. Finanziert wird es durch die Gebert-Rüf-Stiftung. Die Einnahmen aus dem Shop werden vollumfänglich für die Weiterentwicklung und den Ausbau des Projekts verwendet. soundolino bietet neue Inhalte und kreative Anwendungsmöglichkeiten für die bekannten Hörstifte Tiptoi und BOOKii. Mit der Plattform können aber auch Lehrerinnen sowie Lehrer und sogar Kinder selber Aufgaben kreieren. Ziel des Projekts ist: «Mehr Sprache für alle Kinder!» Mehr Informationen: www.soundolino.ch

Autor
Susan Edthofer

Datum

28.08.2023

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