Manche Kinder brauchen viel Unterstützung, andere müssen länger üben und viele sprechen zu Hause eine andere Sprache als in der Schule. Eine Herausforderung beim Unterrichten. Daniela Vara arbeitet als Kindergärtnerin in Flawil im Kanton St. Gallen und nutzt kleine, digitale Helfer, die sie beim Individualisieren der Lerninhalte unterstützen. Diese Helfer sind Hörstifte, mit denen die Kinder problemlos selbstständig hantieren können. Jedes Kind besitzt einen eigenen Hörstift, der Audiodateien abspielen kann. Versteht es den Inhalt nicht auf Anhieb, kann es ihn beliebig oft wiederholen.
Die Schule Flawil nutzt seit einem Jahr als Pioniergemeinde die Hörstifte in Kombination mit der interaktiven Plattform «soundolino» (siehe Box). Inzwischen gibt es immer mehr Schulgemeinden, die das Projekt einsetzen. Es überzeugt inhaltlich und ist zugleich erschwinglich, wie ein Vergleich zeigen soll: Wird eine Klasse eins zu eins mit Hörstiften ausgestattet, kostet dies etwa gleich viel wie die Anschaffung und der Unterhalt eines einzigen iPads.
«Sage laut Hallihallo»
In der Kindergartenklasse von Daniela Vara kommen die Stifte regelmässig zum Einsatz. Zum Lernen brauchen die Kinder an diesem Nachmittag einen Kartonkreisel, der mit Punkten, sogenannten Soundstickern, und einem Drehpfeil versehen ist. Erst üben die Kinder, den Pfeil auf dem Kartonkreisel zu drehen.
Sobald das klappt, darf das erste Kind mit der eigentlichen Aufgabe beginnen. Wenn der Pfeil bei einem Punkt stillsteht, nimmt es seinen Stift und drückt die Spitze auf den Punkt. Alle warten gespannt, was sie nun zu hören bekommen: «Halte dir die Nase zu und sage laut Hallihallo», tönt es aus dem Stift. Sogleich führen die Kinder diese Anweisung aus. Bei den nächsten Runden heisst es: «Klatsche viermal hinter deinem Rücken in die Hände» oder «gehe auf den Fersen drei Schritte vorwärts». Schon sind die Kinder mittendrin in einer Hör- und Bewegungssequenz und wenden spielerisch verschiedene Kompetenzen an: zuhören, eine Aufgabe verstehen, eine vorgegebene Bewegung ausführen, eine Anzahl Schritte machen oder etwas Bestimmtes sagen.
Individuelle Aufgaben vorbereiten
Nach dieser Sequenz im Kreis dürfen die Kinder wählen, was sie weiter mit dem Hörstift machen möchten. Zur Auswahl stehen: eine Hörschatzsuche, um Sachen im Kindergarten zu suchen; eine Geschichte in der Pixi-Bibliothek auswählen und anhören oder Bewegungen mit dem Hörkreisel ausführen. Motiviert machen sie sich an die Arbeit oder suchen sich ein gemütliches Plätzchen in der Leseecke, um in Geschichtenwelten abzutauchen.
Passend zum Thema und ihren Unterrichtszielen kann die Lehrperson die Soundsticker mithilfe eines Computers, Tablets oder Smartpones besprechen, selber ausdrucken und aufkleben. Das bedeutet zwar etwas Aufwand beim Vorbereiten, aber dafür sind die Inhalte genau auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten. Die Hörstifte können unterschiedlich eingesetzt und genutzt werden. Sie eignen sich, um Verse zu üben, Rätsel zu lösen, für Spielanleitungen, um Geschichten zu hören oder für weitere Ideen. Im Team können Lehrerinnen und Lehrer einander selbstgefertigte Inhalte weitergeben und teilen.
Flawil als Pionierschule
Seit Sommer 2022 wird der Hörstift in Kombination mit der neuen Plattform soundolino in Flawil genutzt. Eingesetzt wird er im Kindergarten, in der Unterstufe, im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht (DaZ) oder in den Englischstunden. Roland Schmid ist Leiter der Fachstelle Medienpädagogik Flawil und erklärt, weshalb Flawil auf dieses Lernsetting setzt: «Um zur frühen Sprachförderung und zur Chancengerechtigkeit beizutragen, stellt die Schule Flawil den Schülerinnen und Schülern im Zyklus 1 Hörstifte unentgeltlich zur Verfügung. Mit der Plattform soundolino werden die Einsatzmöglichkeiten der Hörstifte vervielfacht. Die Kinder können damit selbst Audioinhalte kreieren und sowohl in der Schule als auch zu Hause individuell die Sprache üben und erforschen.»