Experte im Gespräch

Schulsozialarbeit übernimmt mehr Aufgaben

Schulen sind zunehmend mit erzieherischen Aufgaben konfrontiert, sagt Jermaine Minelli, Vorstandsmitglied des Verbands für Schulsozialarbeit. Er beantwortet  hier zentrale Fragen zu seiner Arbeit. 

Schülerinnen und Schüler tummlen sich auf der Treppe.
Soziale Probleme kommen nicht nur an sogenannten Brennpunktschulen vor, sagt Jermaine Minelli. Foto: iStock/Rawpixel

BILDUNG SCHWEIZ: Es gibt immer mehr zu tun für die Schulsozialarbeit. In der Schweiz wächst der Bereich gemäss Wikipedia «enorm». Weshalb?

JERMAINE MINELLI: Die Schulsozialarbeit wächst, weil Schulen zunehmend mit erzieherischen Aufgaben konfrontiert sind und sich nicht mehr ausschliesslich auf die Wissensvermittlung konzentrieren können. Die Komplexität des Lebens hat zugenommen, was neue Herausforderungen für Schulen mit sich bringt. Durch die Öffnung für andere Professionen können Kinder und Jugendliche besser unterstützt und Lehrkräfte entlastet werden. Ursprünglich zur Intervention bei Problemen wie Gewalt oder Mobbing gedacht, hat sich das Aufgabenspektrum der Schulsozialarbeit erweitert. Sie soll nun auch Prävention und Früherkennung von Problemen in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler ermöglichen.

«Die Schulsozialarbeit wächst, weil Schulen zunehmend mit erzieherischen Aufgaben konfrontiert sind.»

Sie arbeiten selbst an einer Schule. Wie verstehen Sie Ihre Aufgabe als Schulsozialarbeiter?

Als Schulsozialarbeiter an der Schule Fehraltorf (ZH) für Mittel- und Oberstufe umfasst meine Aufgabe eine Vielzahl von Aspekten. Dazu gehören einfache Themen wie das Knüpfen von Freundschaften, aber auch schwerwiegendere Angelegenheiten wie Selbstgefährdung oder Depressionen. Ich stehe den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung, begleite sie so lange wie notwendig und arbeite eng mit den Lehrpersonen und der Schulleitung zusammen. Die Schweigepflicht ist dabei essenziell und ich respektiere die Entscheidung der Kinder, wen sie einbeziehen möchten und wen nicht. Hauptbestandteil meiner Arbeit sind persönliche Gespräche mit den Kindern, ergänzt durch Präventions- und Interventionsarbeit sowie die Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrpersonen.

«Situationen wie an Brennpunktschulen kommen überall vor.»

Zuweilen ist von Brennpunktschulen die Rede – und wo’s brennt, kommen Sie zum Einsatz. Stimmt das?

Nach über 20 Jahren Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen an verschiedenen Schulen kann ich bestätigen, dass sie oft schwierigen und komplexen Einflüssen ausgesetzt sind. Generell wird die Schulsozialarbeit oft in Krisensituationen hinzugezogen. Die Bewältigung jedoch erfolgt in Teamarbeit mit Lehrkräften, Schulleitung und je nach Situation natürlich auch mit den Eltern. Manchmal waren Krisen so präsent, dass ich kaum meinen regulären Terminen nachgehen konnte. Situationen wie an Brennpunktschulen kommen überall vor. Ich bemerke niedrigere Hemmschwellen bei einigen Schülerinnen und Schülern sowie das vermehrte Eingreifen von Eltern auf eine oft destruktive Weise. Diese Situationen können für Schulmitarbeitende sehr anspruchsvoll sein. Dennoch geht es den meisten Kindern gut, was mich freut.

Autor
(red)

Datum

23.07.2024

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