SICHT DER ELTERN

«Kinder werden oft unterschätzt»

Die ehemalige TV-Moderatorin und Unternehmerin Andrea Jansen hat die Plattform «Mal ehrlich» für Eltern gegründet. Im Gespräch mit BILDUNG SCHWEIZ erklärt sie, was sich Eltern von Lehrpersonen wünschen.

Frau in Beige.
Andrea Jansen fragt sich, ob in der Schule aktuell noch die richtigen, zukunftsgerichteten Kompetenzen vermittelt werden. Foto: Raphael Hug

Bildung Schweiz: Wo sehen Eltern häufig Herausforderungen bei ihrer Beziehung zu den Lehrpersonen ihrer Kinder?

ANDREA JANSEN: Herausforderungen zwischen Eltern und Lehrpersonen entstehen oft, wenn kein gemeinsames Verständnis darüber besteht, wie man Kindern begegnet und wer sie sind. Ich habe Lehrpersonen erlebt, die Kinder formen wollen – als müssten sie erst zu «gesellschaftlich passenden Menschen» gemacht werden. Für mich sind Kinder einfach kleine Menschen mit weniger Erfahrung, nicht weniger Wert. Wir alle lernen ständig weiter. Deshalb braucht es eine Begegnung auf Augenhöhe, mit Respekt – nicht von oben herab. Wo Werte geteilt werden, funktioniert die Beziehung oft gut.

Lernen wird oft als das Abarbeiten von Stoff verstanden, nicht als echter, motivierender Prozess.

Schwieriger wird es, wenn Lehrpersonen nicht kommunizieren. Oder wenn sie Eltern ausschliessen. Wobei es auch nichts bringt, wenn sich die Eltern im Einzelnen zu stark einmischen. Der grösste Knackpunkt: Lernen wird oft als das Abarbeiten von Stoff verstanden, nicht als echter, motivierender Prozess. Viele Lehrpersonen beziehungsweise Schulleitungen hängen noch im alten Rollenbild fest. Dabei braucht es heute ganz andere Voraussetzungen für die Zukunft.

Welche Tipps geben Sie diesbezüglich am häufigsten?

Mit «Mal ehrlich» geben wir nicht unbedingt Tipps. Wir hinterfragen eher bestehende Systeme oder Regeln und fragen: Ginge das auch besser? Gerade in Bezug auf die Schule gibt es eine grosse Anzahl an Punkten, wo das System aktuell harzt. Viele davon betreffen die Mikroebene, aber manche eben auch die Makroebene: Wie wollen wir Schule denken? Welche Skills sind heute wichtig? Macht es wirklich Sinn, in der Ära von künstlicher Intelligenz Tests zu schreiben, für die man auswendig lernen muss? Oder warum hält man an Lehrmethoden fest, von denen wissenschaftlich erwiesen ist, dass sie den Lernerfolg nicht fördern, sondern sogar dämmen? Ja, ich spreche hier von Noten und Hausaufgaben. Wir versuchen die Eltern darin zu unterstützen, den richtigen Weg für sich und ihre Familie zu finden. Dazu gehören auch konstruktive Gespräche mit den Lehrpersonen und Schulen. Übrigens sind wir ebenfalls in Kontakt mit sehr vielen Lehrerinnen und Lehrern, die sich auch einen Schulwandel wünschen hin zu einem modernen, intrinsischen Lernen.

Was wünschen sich Eltern von den Lehrpersonen und was nicht?

Die Eltern respektive die Community bei «Mal ehrlich» wünschen sich Empathie, Verständnis und eine Kommunikation auf Augenhöhe. Unsere Kinder sollen in ihren Stärken gefördert, bei Schwächen unterstützt und mit Begeisterung sowie Kreativität unterrichtet werden. Jedes Kind will lernen. Entscheidend ist, wie wir diesen Wunsch begleiten. Aktuell wird zu wenig zum eigenständigen Denken angeregt. Kinder nehmen viel wahr – sie verstehen nur noch nicht alles. Gerade deshalb wünschen wir uns mehr Einbindung in den Schulalltag. Wenn es heisst, Kinder seien für etwas nicht bereit, widersprechen wir klar. Sie werden oft unterschätzt in ihrer Beobachtungskompetenz – und überschätzt in ihrer Fähigkeit, lange stillzusitzen. Dabei wissen wir längst, dass Bewegung das Lernen fördert. Kurz: Wir wünschen uns Lehrpersonen, die unsere Kinder dort abholen, wo sie wirklich stehen und nicht dort, wo der Lehrplan sagt, dass sie sein sollten.

Autor
(red)

Datum

19.06.2025

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