Aufklärung

In der Schule muss mehr über Menstruation gesprochen werden

Die Monatsblutung und die damit verbundenen Schmerzen sind ein schambehaftetes Thema. Es ist wichtig, mit Jugendlichen darüber zu sprechen – nicht nur zur Aufklärung. Wer über Probleme spricht, erhält eher Hilfe.

Illustration einer Frau, die ihre Hände schützend auf dem Bauch hält.
Menstruationsschmerzen erschweren den Schul- und Arbeitsalltag. Dass man darüber kaum spricht, ist keine Hilfe – im Gegenteil. Illustration: iStock/Svetlana Larshina

Die Menstruation war lange ein Tabuthema und ist es zum Teil heute noch. Die Wissenschaft erforschte den weiblichen Zyklus früher wenig bis gar nicht. Darüber aufgeklärt wurde erst recht nicht. Das hat nachhaltig zur Stigmatisierung der Menstruation beigetragen. Denkt man heute an den eigenen Aufklärungsunterricht zurück, dürften viele feststellen, dass die Menstruation dabei kaum oder gar nicht thematisiert wurde. Die Periode war lange ein schambehaftetes Thema, über welches nicht offen gesprochen wurde. Und das, obwohl rund die Hälfte der Menschheit menstruiert.

Menstruation gehört in den Aufklärungsunterricht

Heute ist das Thema Menstruation fester Bestandteil des sexualpädagogischen Unterrichts und im Lehrplan 21 verankert. Dieser schreibt vor, dass die Schülerinnen und Schüler das Wachstum und die Entwicklung des menschlichen Körpers wahrnehmen und verstehen können. Dabei setzen sie sich mit den körperlichen Veränderungen während der Pubertät sowie mit dem Bau und der Funktion der Geschlechtsorgane auseinander.

Auch der weibliche Zyklus und die Menstruation werden im Unterricht thematisiert. Meist wird die Sexualaufklärung von externen, ausgebildeten Sexualpädagoginnen und Sexualpädagogen übernommen. Es gibt verschiedene kantonale Fachstellen, die Besuche in Schulklassen des 2. und 3. Zyklus anbieten. Sie ergänzen die schulische und familiäre Sexualerziehung.

«Es braucht eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der sich die Heranwachsenden trauen, mit der Lehrperson über solch intime Dinge zu sprechen.»

Themen wie Liebe, Körper und Sexualität setzen eine gute Beziehung zwischen Klasse und Lehrperson voraus. «Es braucht einen offenen Umgang und eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der sich die Heranwachsenden trauen, mit der Lehrperson über solch intime Dinge zu sprechen», sagt Claudia Mösching von S&X, der Fachstelle für Sexuelle Gesundheit der Zentralschweiz. Um mögliche Hemmschwellen abzubauen, kann auch über einen längeren Zeitraum hinweg eine Leseecke mit Literatur zum Thema aufgestellt werden. «Das zeigt die Normalität und Integration in den Alltag», so Mösching.

Die Themen, die S&X behandelt, sind breit gestreut. Sie reichen von Liebe und Flirt über Verhütung und Geschlechtskrankheiten sowie sexuelle Gewalt und Pornografie bis hin zu sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Dabei werden dank anonymen Fragerunden immer auch die aktuellen Interessen der Jugendlichen berücksichtigt.

Gemäss den WHO-Standards soll Sexualaufklärung zudem interaktiv unterrichtet werden. S&X ergänzen das Erklären im sexualpädagogischen Unterricht mit interaktiven Spielen wie zum Beispiel dem bekannten TV-Quiz Jeopardy. Spiele können helfen, wenn es Jugendlichen schwerfällt, über ein Thema zu sprechen.

Schmerzen gelten als normal

Doch trotz dieses offeneren Umgangs mit der Menstruation und dem ausgebauten Sexualunterricht gibt es noch gewisse Themen rund um den weiblichen Zyklus, über die längst nicht ausreichend gesprochen oder informiert wird. So zum Beispiel Menstruationsbeschwerden wie Dysmenorrhoe oder Endometriose (siehe Infobox). Laut einer kürzlich publizierten Umfrage der Groupe Mutuel leidet in der Schweiz etwa jede fünfte Frau während der Periode unter starken Schmerzen und mehr als die Hälfte der Befragten nehmen Medikamente zur Linderung der Schmerzen ein.

Nur 10 Prozent der Frauen absolvieren den Alltag während der Periode ohne Abstriche.

Dadurch fühlen sich viele Frauen während der Menstruation im Alltag eingeschränkt, verzichten auf gewisse Aktivitäten oder bleiben der Arbeit oder Schule fern. Nur 10 Prozent der Frauen absolvieren ihren Alltag während der Periode ohne irgendwelche Abstriche. Zudem leiden in der Schweiz rund 10 Prozent aller Frauen im fruchtbaren Alter an Endometriose. Trotzdem werden Mädchen und Frauen oftmals nicht ernst genommen, wenn sie von Menstruationsschmerzen berichten – denn diese Schmerzen gelten als normal. Im Fall einer Endometriose vergehen so im Durchschnitt immer noch mehr als neun Jahre vom Auftreten der Symptome bis zur Diagnose.

Dysmenorrhoe und Endometriose

Viele Mädchen und Frauen leiden kurz vor oder während ihrer Menstruation unter krampfartigen Schmerzen. Der Fachbegriff dafür lautet Dysmenorrhoe. Damit sich die Schleimhaut während der Periode von der Uteruswand lösen kann, ziehen sich die Muskeln in diesem Bereich in unregelmässigen Abständen zusammen und entspannen sich wieder. Diese Kontraktionen sind der Grund für die Menstruationskrämpfe, die jedoch nicht alle Frauen gleich stark spüren. Die Schmerzen können vom Unterleib in den unteren Rücken oder die Beine ausstrahlen und zu Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall oder Erbrechen führen.

Dysmenorrhoe kann auch ein Anzeichen für Endometriose sein. Etwa zwei Drittel der Frauen, die von dieser Krankheit betroffen sind, leiden unter starken Menstruationsschmerzen. Aber auch andere Beschwerden wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, beim Stuhlgang oder beim Wasserlassen, Harndrang, Blut im Stuhl oder ein häufiger Blähbauch können auf Endometriose hindeuten. Endometriose ist eine gutartige chronische Krankheit, bei der sich Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutter ansiedelt. Diese Endometrioseherde bluten während der Menstruation, was zu Entzündungen im Bauchraum und entsprechend zu starken Schmerzen im Unterleib führt. Endometriose kann zu Sterilität führen. Rund 30 bis 40 Prozent der Frauen, die unter Endometriose leiden, sind unfruchtbar.

Wo das Bewusstsein fehlt

Für die Krankheit Endometriose fehlt zudem das Bewusstsein in der breiten Bevölkerung. Besonders hier bräuchte es bessere Aufklärung. «Das Kennen der Krankheit ist das A und O, um das Stigma rund um Menstruationsschmerzen zu eliminieren», sagt Cloé Vaineau, Oberärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital. Aufklärung könne die Hemmungen beseitigen, wenn sich junge Frauen wegen ihrer Beschwerden an jemandem wenden wollen.

Mädchen und Frauen sollten ihre Menstruationsschmerzen nicht einfach als normal hinnehmen

Mit dem Projekt Endo Teach, das ein für die Schule entwickeltes Video und ergänzende Unterrichtsmaterialien beinhaltet, will die Frauenklinik Schülerinnen und Schüler für das Thema sensibilisieren und Verständnis schaffen. Das sei wichtig, damit sich die betroffenen Mädchen ernst genommen fühlen, aber auch, damit die Krankheit schneller diagnostiziert werde, so Vaineau. Mädchen und Frauen sollten ihre Menstruationsschmerzen nicht einfach als normal hinnehmen, sondern bei starken Beschwerden oder eingeschränkter Lebensqualität eine medizinische Abklärung machen lassen.

Wichtig ist aber auch ein verständnisvoller Umgang mit Mädchen, die unter Menstruationsschmerzen leiden. So sollten sie etwa monatlich in der Schule fehlen oder den Sportunterricht ausfallen lassen dürfen, findet Vaineau. Eine Möglichkeit wäre der sogenannte Menstruationsurlaub. Dieser wird seit einigen Jahren heftig diskutiert. Die Stadt Zürich führt aktuell ein Pilotprojekt dazu durch.

Autor
Jacqueline Schreier

Datum

22.09.2023

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