Fristlose Kündigung
Formaz holt sich juristische Hilfe und ein Verfahren wird eingeleitet. Sie möchte ihre «Integrität und Würde als Lehrperson, die schon seit über 30 Jahren solide Arbeit an diversen Schulen leistet, wahren». Gerne würde sie ihren Vorgesetzten privatrechtlich belangen – im Schulwesen herrscht jedoch öffentliches Recht. So muss sich nun der Regierungsrat mit dem Fall befassen.
Während das Verfahren läuft, wird die Lehrerin im Januar 2022 fristlos entlassen. Grund: Ein Schüler musste wegen eines Haarrisses am Oberschenkelknochen ins Spital eingeliefert werden. Grund für die Verletzung sei ein Sturz gewesen, der sich einige Tage zuvor bei ihr im Sportunterricht ereignet hatte. «Der Schüler hatte sich das Knie verknackst, war aber am darauffolgenden Tag im Schwimmunterricht bei mir wieder voll einsatzfähig», erinnert sie sich. Die Entlassung vergleicht sie mit «einem schlechten amerikanischen Film». Innert weniger Stunden habe sie ihre Garderobe leeren, den Account säubern und die Schlüssel abgeben müssen.
Beschwerden bleiben ungehört
Gegenüber BILDUNG SCHWEIZ haben sich weitere Lehrpersonen zum Fall geäussert, die ähnliche Geschichten an der gleichen Schule erlebt haben. Aus Angst vor möglichen Konsequenzen möchten sie sich aber öffentlich nicht dazu äussern. Prekär finden alle von ihnen: Das Amt für Volksschule und Sport (AVS) habe sich nicht für die Anliegen der Lehrpersonen interessiert und die Beschwerden nicht ernstgenommen.
«Seitens AVS gab es keinen Anlass, aktiv etwas zu unternehmen.»
Auf Anfrage von BILDUNG SCHWEIZ schreibt Tanja Grimaudo Meyer, Vorsteherin des Amts für Volksschule und Sport: «Wir weisen diesen Vorwurf zurück. Unsere zuständigen Schulinspektoren sind für die Lehrpersonen mögliche Ansprechpersonen, die sie unverbindlich und anonym kontaktieren können. Das betreffende Anliegen wurde ernst genommen und diskret besprochen. Seitens AVS gab es daher keinen Anlass, aktiv etwas zu unternehmen. Man blieb zudem im engen Kontakt mit der Schulleitung.» Die Lehrpersonen hätten weiter die Möglichkeit, sich bei beruflichen Problemen und Schwierigkeiten an die Pädagogische Hochschule Schwyz zu wenden. Das AVS möchte zudem festhalten: «Nach unserem Dafürhalten kann in diesem Fall von Mobbing nicht die Rede sein.»
Vergleichsverhandlung vor Gericht
Alle Lehrpersonen, die sich gegenüber BILDUNG SCHWEIZ geäussert haben, berichten: Sie haben nach den Geschehnissen an der Schule eine Weile gebraucht, um alles zu verarbeiten. «Ich werde trotzdem nie wieder an einer Oberstufe unterrichten können und wollen», sagt Formaz. Zusammen mit ihrer Anwältin hat sie das gerichtliche Verfahren weiterverfolgt. Der Regierungsrat kam zum Schluss, dass die einzelnen Handlungen des Rektors weder gegen klares Recht noch gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstossen. Ob die Handlungen in ihrer Vielzahl als Mobbing zu qualifizieren sei, müsse das Verwaltungsgericht beurteilen.
Dort kam es im Dezember des letzten Jahres schliesslich zu einer Vergleichsverhandlung. Formaz wurde eine Geldsumme zugesprochen. Inzwischen ist sie überzeugt: Die Schulleitung hat sogenanntes Straining angewandt. Dieses liegt vor, wenn Vorgesetzte ihre Angestellten in eine unmenschlich hohe Belastungssituation verstricken, bis die Betroffenen daran körperlich und psychisch erkranken und ihre Stelle aufgeben.
Offene Kommunikationskultur
Auf die Vorwürfe der Lehrpersonen angesprochen, sagt der Rektor: «Ich wehre mich entschieden gegen die Unterstellungen.» Die Auseinandersetzung mit der Sportlehrerin bezeichnet er als «Schlammschlacht gegen unsere Schule, den damaligen vorgesetzten Schulleiter und mich». Das Gericht habe ihr in keinem der gegen ihn vorgebrachten Punkte Recht gegeben. In Folge der ersten Vorkommnisse sei er in Ausstand getreten. Dies habe die Situation allerdings auch nicht zum Positiven verändert. «Wir führen unsere Mitarbeitenden fair, auch wenn wir inhaltlich nicht immer derselben Meinung sind», sagt er.
«Wir pflegen eine offene und direkte Kommunikationskultur.»
Dass Mitarbeitende Angst gehabt hätten, erstaune ihn. «Wir pflegen eine offene und direkte Kommunikationskultur.» Mit der Wahl einer neuen Schulleitungsperson und intensiver Begleitung sei die Schule seit dreieinhalb Jahren wieder auf Kurs. Man sei stolz auf die Schule. «Ein engagiertes Team von Lehrpersonen mit einer klaren und empathischen Schulleitungsperson tragen dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler von einem lernförderlichen Arbeitsklima profitieren. Die Lehrpersonen fühlen sich wohl, finden gute Rahmenbedingungen vor und machen auch mal gemeinsam Ferien.»
Ständige Reflexion wichtig
Beim Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz (VSLCH) ist es bekannt, dass die Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen und Schulleitung konfliktanfällig sein kann. Eine Einschätzung des Falls an der Schwyzer Schule sei von aussen betrachtet nicht möglich, meint Präsident Thomas Minder auf Anfrage. Dass derartige Konflikte vor Gericht ausgetragen werden, komme glücklicherweise selten vor. Er hält fest: «Gewalt ist inakzeptabel, egal ob sie von Lehrpersonen oder der Schulleitung ausgeht.»
Tatsächlich käme es aber an Schulen zu Gewalt – wie überall, wo Menschen zusammenkommen. «Umso wichtiger ist es, sein Verhalten zu reflektieren und auch den Kindern die entsprechenden Kompetenzen weiterzugeben.» Oder mit Begriffen aus der Psychologie ausgedrückt: «Wünschenswert ist es, wenn sich die Mitglieder eines Teams im Annäherungs- und nicht im Vermeidungsmodus befinden.» Der Annäherungsmodus umschreibt die Haltung, sich bei Konflikten offen auf das Gegenüber und seine Perspektive einzulassen. Beim Vermeidungsmodus ziehen sich die Beteiligten zurück und blockieren so die Lösungsfindung.
«Die perfekte Schulleitung gibt es nicht»
Thomas Minder hält ausserdem fest, dass es oft eine Frage der Passung sei, ob es zwischen Lehrpersonen und Schulleitung funktioniere. «Die perfekte Schulleitung gibt es nicht. Es gibt jedoch Schulleitende, die perfekt an einen bestimmten Standort passen.»
«Im zeitgemässen Schulumfeld wird zusammengearbeitet und laufend kommuniziert.»
Kommunikation ist zudem auch ein Indikator für eine gute Schulkultur, schreibt Daniel Gebauer, Schulleiter und Mitglied der Geschäftsleitung LCH, in seinem Kommentar. Die Zeiten, in denen Lehrpersonen als Einzelkämpfer agiert hätten, seien vorbei. «Im zeitgemässen Schulumfeld wird zusammengearbeitet und laufend kommuniziert.»
Für die Sportlehrerin Bea Formaz hat inzwischen ein neuer Abschnitt begonnen: Sie hat sich als Coach für Mobbing-Betroffene selbstständig gemacht. Als Beraterin unterstützt sie Klientinnen und Klienten unter anderem mit Atem- und Bewegungstherapie, die helfen sollen, Traumata zu verarbeiten. «Ich selbst habe damit diese sehr traumatische Angelegenheit durchgestanden.»