Film

Höhen, Tiefen und das normale Chaos im Schulalltag

Wie laut, unübersichtlich und unberechenbar der Alltag von Lehrerinnen und Lehrern sein kann, zeigt der Film «Un métier sérieux». Er hebt aber auch hervor, wo die Freuden liegen und dass Menschlichkeit dazu gehört.

Ein Lehrer steht vor der Klasse und hält eine Orange hoch.
Die Hauptfigur Benjamin übernimmt als unerfahrener Aushilfslehrer die Mathematiklektionen an einem Collège. Fotos: filmcoopi

Die grosse Kinoleinwand zeigt ein Schulzimmer in einem französischen Collège. Vor der Schule lärmt eine Baustelle, im Klassenzimmer rufen die Jugendlichen wild durcheinander. Mittendrin steht Benjamin (Vincent Lacoste), der neu als Aushilfslehrer für Mathematik arbeitet. Sieht man ihn im Trubel des Schulalltags, fragt man sich: Warum tut er sich das an?

Die Antwort zeigt Regisseur Thomas Lilti in seinem Film «Un métier sérieux». Er begleitet Benjamin durch sein erstes Schuljahr. Aushilfslehrer ist dieser eigentlich nur nebenbei, während er an seiner Doktorarbeit schreibt.

Zwischen Notfallübung und Feierabendbier

Der Schulalltag verlangt Benjamin besonders zu Beginn einiges ab. Halt findet er bei seinen Kolleginnen und Kollegen. Diese stehen ihm nicht nur mit ihren Tipps zur Seite. Sie geben sich gegenseitig emotionalen Halt in den verschiedensten Situationen – sei es nach harschem Feedback durch die Schulinspektorin oder bei einem Feierabendbier nach einer Evakuierungsübung, die schiefer nicht hätte laufen können.

Zuschauerinnen und Zuschauer erleben im Film alles aus nächster Nähe mit. Durch die Kamera sitzen sie mitten im Geschehen, erleben fast hautnah die anfängliche Überforderung mit. Sie lernen im Verlauf der Geschichte auch das Lehrerteam besser kennen. Da ist der alte Hase, der enttäuscht ist ob den schulischen Leistungen seines Sohnes und manchmal auch an seinem Beruf zweifelt. Der coole Englischlehrer lebt auf dem Schulgelände. Ihm kann scheinbar nichts die Stimmung verschlagen. Im Gegensatz dazu kämpft sich die Biologielehrerin mit Müh und Not durch den Arbeitsalltag. Daheim leidet sie unter ihrem gewalttätigen Sohn.

Niemand ist gleich und alle haben Schwächen

Die Lehrerinnen und Lehrer könnten verschiedener nicht sein, doch ihr Beruf schweisst sie zusammen. Der Schulalltag zeigt immer wieder, dass der gegenseitige Rückhalt die Mühe wert ist – und dass Lehrpersonen in unbeobachteten Momenten ähnliche Unsicherheiten plagen wie ihre Schülerinnen und Schüler. So wechseln sich im Alltag Chaos, kleine Dramen und Situationskomik ab. Nebenbei geschieht das Leben mit all seinen Zukunftsängsten, Beziehungsproblemen und der Suche nach dem richtigen Platz im Leben.

Benjamins Wendepunkt weist ihm die Richtung

Als ein Problemschüler Benjamin vor dessen Wohnung in einem Einschüchterungsversucht abpasst, verliert dessen Alltag an Leichtigkeit. Dem Schüler droht ein Schulverweis. Obwohl dies Benjamins Arbeit erleichtern würde, merkt er, dass ihm das Wohl seiner Schützlinge wichtiger ist.

Zum Film

«Un métier sérieux», Komödie von Thomas Lilti, Frankreich (2023). Ab 15. Februar im Kino Lichtspiele in Olten und ab 16. Februar im Kino Orient in Wettingen. Mehr Informationen

So wächst Benjamin langsam in den Beruf und der Beruf wächst ihm ans Herz. Er entwickelt eine Leidenschaft fürs Lehren. Dafür zeigt jedoch sein Vater wenig Verständnis. Ihm gefällt die Vorstellung nicht, dass sein Sohn «nur» ein Lehrer sein will. Er solle besser seine Doktorarbeit endlich abschliessen. Diese Geringschätzung des Vaters bestärkt Benjamin jedoch erst recht in seiner Absicht, Lehrer zu werden.

Die vielen Facetten der Schulrealität

Kino kann Realitätsflucht sein. Kino kann aber auch Realitäten in all ihren Facetten zeigen. Regisseur Lilti gelingt eine leichtfüssige Geschichte, der es dennoch nicht an Tiefgang fehlt. Das ist eine angenehme Abwechslung zu Filmen, wo Schule auf das Klischee amerikanischer High-Schools reduziert wird. «Un métier sérieux» erzählt von den menschlichen Seiten der Institution Schule und wie jedes Semester neue Dramen, aber auch immer wieder kleine Erfolge mit sich bringt. Warum also tut man sich den Lehrberuf an? Wahrscheinlich, weil man davon überzeugt ist – und wohl auch ein bisschen verrückt.

Autor
Patricia Dickson

Datum

02.02.2024

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