Gespräch über Bastelbögen
«Etwas mit Händen herzustellen, ist zeitlos»
Martin Bertschinger ist Stiftungsratspräsident des pädagogischen Verlags der Lehrerinnen und Lehrer Zürich, der seit über 100 Jahren existiert. Bekannt wurde der Verlag für seine Modell- und Bastelbögen. Im Interview erklärt Bertschinger, welche Bastelbögen bisher der Renner waren.

BILDUNG SCHWEIZ: Ihre Stiftung bietet Bastelbögen für Schulklassen an. Sind Modellbögen im Unterricht noch zeitgemäss?
MARTIN BERTSCHINGER: Selbst etwas mit den Händen herzustellen und nicht nur auf dem Handybildschirm zu swipen, finde ich immer noch zeitgemäss, eigentlich sogar zeitlos. Die Grundidee des Verlags, kostengünstiges Bastelmaterial für drei bis vier Franken pro Bogen mit hohem Bildungswert anzubieten, ist darum nach wie vor sehr attraktiv. Beim Modellbau sind Fähigkeiten wie genaues Arbeiten, Lesen und danach Handeln sowie ein gutes Vorstellungsvermögen nötig. In der Sprache des Lehrplans 21 ausgedrückt: Viele verschiedene Kompetenzen werden erworben. Der Pädagogische Verlag, gegründet 1919, bietet als Non-Profit-Organisation seit über 100 Jahren Modellbögen an. Die Idee der beiden Gründer und Lehrer Edwin Morf und Heinrich Pfenninger war es, ein interessantes und anspruchsvolles Angebot an Modellbögen für die Schülerinnen und Schüler sowohl für den Unterricht als auch für die Freizeit zu bieten. Die Bestellungen der Modellbögen werden seit jeher über Lehrerinnen und Lehrer in den einzelnen Schulen abgewickelt.
Wie kommt die Arbeit mit den Bögen bei den Schülerinnen und Schülern an?
Es gibt unzählige Möglichkeiten, unsere Bögen im Unterricht einzusetzen: Beliebt sind die Modelle der Schweizer Burgen oder zum Thema Römer. Mit den Modellen erhält man eine Idee, wie unsere Vorfahrinnen und Vorfahren lebten. Ich weiss von einem Lateinlehrer, der die Römerbastelbogen sogar auf Gymistufe einsetzt. Anhand des Dörfli-Bastelbogens kann man eigene Häuser entwerfen und bauen.

So kann die Klasse zum Beispiel ein ganzes Dorf zusammenstellen und in eine dreidimensionale Landschaft betten. Die verschiedenen Verkehrsmittelbögen, also die Flugzeuge, Raketen, Eisenbahnen oder Schiffe, kann man im geschichtlichen Kontext einsetzen. Aus Freude und Interesse basteln die Schülerinnen und Schüler ihre ausgewählten Bögen natürlich auch zu Hause.
Welche Bögen waren bisher die beliebtesten?
Die vorderen Plätze in der 100-Jahres-Hitparade belegen die Bögen goldener Engel, Weihnachtskrippe, Weihnachtslaterne, das Römerhaus Augusta Raurica, das Schloss Kyburg und das Schloss Chillon. Der «Kultbogen» Schloss Chillon gilt seiner vielen Details wegen als anspruchsvollster Bogen unseres Sortiments und wurde von Generationen von Kindern, Eltern und Grosseltern gebastelt. Aktuell am beliebtesten ist der freistehende Weihnachtsbaum, den man ohne Leim und Schere zusammenstecken kann. Zu den Favoriten gehören auch die Saturnrakete, der Regahelikopter Agusta, die MD 11 der Swissair und die diversen Adventsbögen und Puzzles. Wir haben im Moment über 50 Bögen im Sortiment, viele auch vorgestanzt. Wir streben an, jedes Jahr mindestens einen neuen Bogen anzubieten. Dieses Jahr ist es das rund 30 Zentimeter grosse Dinosaurierskelett T-Rex. Seit der Gründung wurden über zwei Millionen Modellbögen verkauft. Am meisten Bögen, über 220 000 pro Jahr, wurden in den 1990er-Jahren versandt. In den letzten Jahren waren die Bestellungen leider so stark rückläufig, dass der Verlag um sein Überleben kämpft.
Autor
red
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