Long Covid nach Koma

«Es hat mich ganz am Anfang der Pandemie erwischt»

Marc Halter sprühte vor Energie und Tatendrang. Dann traf ihn Corona so schwer, dass er ins Koma versetzt wurde. Seit dem Aufwachen kämpft er gegen die Erschöpfung und dafür, wenigstens einer Leidenschaft nachzukommen: dem Lehrberuf.

Ein Porträtfoto von Marc Halter. Darauf trägt er eine Brille und er lehnt gegen eine Wand.
Primarlehrer Marc Halter kämpft seit seiner Erkrankung mit Long Covid. Foto: CH Media/Andrea Zahler

«Es hat mich ganz am Anfang der Pandemie im März 2020 erwischt», erzählt Marc Halter, Primarlehrer im aargauischen Künten. Das Coronavirus traf ihn so schwer, dass um sein Leben gefürchtet werden musste. «Erst hielt ich es für eine heftige Grippe. Doch bald ging es mir so schlecht, dass ich den Notfall aufsuchte», so der Ehemann und Vater zweier Töchter. Im Spital sank die Sauerstoffsättigung in seinem Blut auf ein so gefährlich niedriges Niveau, dass er intubiert und in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Erst nach acht Tagen konnte er aufgeweckt werden.

Nur eine langsame Erholung

«Nachdem ich zeigen konnte, dass ich wieder selbstständig duschen und zur Toilette gehen konnte, verliess ich das Spital nach insgesamt zwei Wochen Aufenthaltszeit», so Halter. «Es war schnell klar, dass ich bis zu den Sommerferien nicht werde arbeiten können. Und da meine Familie aufgrund des Lockdowns meist zu Hause war, konnten wir viel Zeit miteinander verbringen und beginnen, das traumatische Erlebnis zu verarbeiten.»

BILDUNG SCHWEIZ nimmt sich 2025 dem Thema Barrieren an. Die Sommerserie widmet sich entsprechend Personen aus dem Bildungsbereich, die verschiedenste Hindernisse überwinden mussten: Sommerserie

Im August 2020 trat Halter wieder seine alte Stelle als Lehrer an, reduziert auf ein 20-Prozent-Pensum. Dass seine Energie nicht für mehr reichte, fand er noch nicht verdächtig. «Doch bis Ende des Jahres hatte ich nur kleine Fortschritte gemacht», resümiert Halter. Er wusste, dass noch etwas anderes im Busch sein musste. «Von Long Covid sprach zu diesem Zeitpunkt aber noch kaum jemand. Das wurde erst allmählich entdeckt.»

Im Jahr 2022 schaffte der Lehrer den Sprung zurück zu 100 Prozent Arbeit. Seit einem halben Jahr treibt er nebenbei aufgrund seiner Rückenprobleme auch wieder Sport. Trotzdem hat er bisher nicht wieder zu seinem alten Selbst gefunden. Für sein musikalisches Hobby etwa bleibt bis heute keine Energie. Doch ist der Lehrer dankbar, überhaupt am Leben zu sein. 

Glück hat geholfen

Was hat denn dazu beigetragen, dass Halter seine Hürden so erfolgreich meistern konnte? Auf medizinischer Seite half offenbar die erste Impfung gegen Covid. «Die hat bei mir die Symptome massiv reduziert», sagt der Lehrer. Nachdem er sich davon erholt hatte, musste er über Mittag plötzlich nicht mehr schlafen gehen. Trotzdem macht er heute mehr Pausen als früher. Die Balance zwischen Aktivität und Ruhe hat neue Bedeutung erhalten.

Geholfen hat Halter auch seine Arbeit: «Die Schule ist für mich zum Glück ein Kraftort. Die Arbeit laugt mich zwar körperlich aus, doch bin ich danach immer sehr erfüllt.» Aufgrund seines schweren Krankheitsverlaufs hat zudem nie jemand an seinen Symptomen gezweifelt. «Viele andere Long-Covid-Betroffene müssen mit Arbeitgebern und Versicherungen streiten, damit ihnen geglaubt wird», so Halter. «Das blieb mir zum Glück erspart.» 

«Das Thema Long Covid ist für viele Leute bereits Geschichte. Doch die Krankheit ist nicht verschwunden.»

Äusserst wichtig war sein unterstützendes Umfeld. Am Anfang seiner Rehabilitation habe er viele Briefe und Nachrichten erhalten: «Das ist so wertvoll. Für mich war das wie Benzin», so Halter. Auch sonst habe er viel Unterstützung erfahren dürfen: «Das hat mir gezeigt, dass viele Leute da sind, die uns helfen möchten – selbst, wenn man nicht täglich mit ihnen in Kontakt steht.»

Halter findet es schwierig, anhand seiner Erfahrungen einen Ratschlag an Menschen zu geben, die eine hürdenreiche Zukunft vor sich haben. Ihm persönlich haben auch seine Resilienz und positive Lebenseinstellung geholfen, die er in die Wiege gelegt bekommen hatte. Doch daraus lasse sich kein Rat ableiten, der Menschen in jeweils ganz anderen Lebenssituationen helfen könnte. Stattdessen möchte Halter eine andere wichtige Botschaft teilen: «Das Thema Long Covid ist für viele Leute bereits Geschichte. Doch die Krankheit ist nicht verschwunden. Es gibt Tausende, die daran leiden. Sie dürfen nicht vernachlässigt oder vergessen werden.»

Autor
Kevin Fischer

Datum

31.07.2025

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