Ein gängiges Szenario: Mütter und Väter begleiten ihre Kinder im Spätsommer an den ersten Elternabend in der neuen Klasse. So geschehen auch bei Jan Holler (57), Vater zweier Jugendlicher im Berner Breitenrainquartier. «Als ich vor zwölf Jahren erstmals an einem Elternabend meiner Tochter Philine teilgenommen habe, fragte die Lehrerin am Ende des Abends, wer sich gerne im Elternrat vom Schulstandort Spitalacker/Breitenrain engagieren möchte. Nach langem unbehaglichem Schweigen habe ich mich überwunden und mich quasi freiwillig gemeldet.» Holler erinnert sich gut daran, wie er nach der ersten Sitzung mit dem Elternrat ernüchtert nach Hause spaziert ist. «Mir wurde klar, dass die Schulleitung die Eltern primär zum Kuchenbacken oder Räbeliechtlischnitzen verdonnern wollte. Das war aber nicht in meinem Sinn», so der selbstständige Informatiker. «Ich habe realisiert, dass der Sinn und Zweck des Elternrats darin besteht, seinen Sinn und Zweck erst selbst zu finden.» Wenn sich niemand engagiere, passiere auch nichts.
Elternräte kennen per se weder Rechte noch Pflichten, sind niemandem Rechenschaft schuldig – wobei sowohl die Schulleitung als auch die Schulkommission gegenüber den Räten durchaus Auskunft geben müssen. Als Jan Holler vor zwölf Jahren eingestiegen ist, bestand die Aufgabe des Elternrats gemäss seiner Schilderung darin, «für ein besseres Schulklima zu sorgen. Was auch immer das heisst.» Holler war sich sodann nicht zu schade, sich selbst aktiv einzubringen. Er tat dies erst im Elternrat und dann im Kreis-Elternrat. Heute ist er Co-Präsident des Vereins Schule & Elternhaus im Kanton Bern.
«Den Kreis-Elternrat erlebe ich als ideales Gefäss für gemeinsamen Erfahrungs- und Kontaktaustausch.»
Mitwirkung auf mehreren Ebenen
In der Bundeshauptstadt sind die Elternräte nach dem «Bottom-up»-Prinzip organisiert: Die Basis bildet der Elternrat eines Schulstandorts, etwa des Standorts Spitalacker/Breitenrain. Dort nehmen zwei Eltern pro Klasse Einsitz. Gleichzeitig bestimmt jeder Standort ein oder zwei Präsidentinnen oder Präsidenten, die sich im Kreis-Elternrat des entsprechenden Schulkreises einbringen. Dort würden Themen besprochen, die von der Organisation eines Schulhausfestes über die lokale Verkehrssicherheit bis hin zum schulischen Bibliothekswesen gehen könnten. «Den Kreis-Elternrat erlebe ich als ideales Gefäss für gemeinsamen Erfahrungs- und Kontaktaustausch», sagt Jan Holler. Als oberste Ebene der Elternmitwirkung ist pro Semester eine Sitzung angesetzt, an der sich die Präsidentinnen und Präsidenten der Elternräte von den über 20 Schulstandorten der Stadt Bern treffen. An diesen Sitzungen sind laut Holler auch das städtische Schulamt und die Bildungsdirektorin vertreten. «Das sind überaus wertvolle Sitzungen, weil hier standortübergreifende Themen wie die Schulraumplanung diskutiert werden.» Dies erweitere die Perspektive beispielsweise auf die Finanzen, die Anzahl Schülerinnen und Schüler oder auf Fragen der freien Wahl der Schule. Das Problem dieses an sich gut funktionierenden Systems besteht gemäss Holler darin, dass die Eltern aus den Gremien austreten würden, sobald ihre Kinder die Schule verliessen. Da gehe viel Erfahrung und Know-how verloren, das sich die neu eintretenden Eltern erst wieder erarbeiten müssten. Dies lasse sich aber kaum ändern. Schulen und Elternräte müssten sich wohl oder übel damit abfinden.