Deutsch befindet sich – wie andere Sprachen auch – im steten Wandel. Das passiert manchmal unbemerkt, manchmal werden die Veränderungen lautstark angeprangert. Unverhältnismässig viel Aufmerksamkeit erhalten sprachliche Entwicklungen aber, wenn sie zum Anlass für politische Kampagnen werden. Das Ringen um eine gendergerechte Sprache ist ein aktuelles Beispiel dazu.
Zwar stehen nicht bei jeder dieser Diskussionen Grundsatzfragen zur Debatte. Doch Streit und Sorge rund um eine potenzielle Verhunzung der Sprache beschäftigt die Menschen seit Jahrhunderten – so auch vor 100 Jahren. Das zeigt ein Meinungsartikel vom November 1923, der in der «Schweizerischen Lehrerzeitung», der Vorgängerin von BILDUNG SCHWEIZ, erschien.
Ein deutsches für jedes Fremdwort
Der Autor dieses Artikels beklagte die Masse an Fremdwörtern in der deutschen Sprache. Manche dieser Wörter sind heute längst gängig: Konsultieren, korrekt und Redaktion sind nur einige, die gemäss dem Autor für «eine geradezu bedenkliche Verwüstung unserer schönen Sprache» sorgen. Doch egal ob Thema, vital oder konstant: Es könne jedes dieser Fremdwörter «durch ein deutsches Wort ersetzt werden».
Die meisten deutschen Vorschläge des Autors sind aber heute entweder nicht mehr in Gebrauch (lebenskräftig für vital, Schriftleitung für Redaktion) oder existieren als Synonyme parallel zu den angeprangerten Fremdwörtern. Sprachliche Veränderungen sind schwierig aufzuhalten, wenn sie einmal Fahrt aufnehmen. Weil Menschen an dem hängen, was sie kennen, sorgen sprachliche Veränderungen immer wieder für Zwist. Das war vor 100 Jahren nicht anders als heute.