Die Forschungszunft ist sich einig. Die frühkindliche Bildung spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung und das Wohlbefinden von Kindern. Wie aus dem jüngsten Bericht «Bildung auf einen Blick» der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht, haben viele der 38 Mitgliedsstaaten gute Voraussetzungen in diesem Bereich.
So nehmen in besagten Ländern etwa 84 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen an Bildungsgängen teil. Bei den jüngeren Kindern sind es bedeutend weniger. Lediglich 32 Prozent der bis zweijährigen Kinder können bei kostenlosen Programmen zur frühkindlichen Bildung und Betreuung mitmachen.
In acht OECD-Ländern gibt es keine sogenannten Kinderbetreuungslücken.
Die Unterschiede zwischen den Staaten, die untersucht wurden, sind erheblich. Um diese zu beschreiben, wird der Begriff der Kinderbetreuungslücke verwendet. Dabei handelt es sich um den Zeitraum zwischen dem Ende der Auszahlung des Elterngeldes – beziehungsweise der Mutterschaftsentschädigung – und dem Beginn der staatlich finanzierten frühkindlichen Bildung.
Schweiz: Lücke von vier Jahren
In acht OECD-Ländern gibt es diese sogenannten Kinderbetreuungslücke nicht, da die frühkindliche Bildung nahtlos auf die Phase folgt, in der Elterngeld ausbezahlt wird. Die Schweiz hingegen weist eine überdurchschnittlich hohe Kinderbetreuungslücke von vier Jahren auf, schreiben die Verfasserinnen und Verfasser des Berichts. Dies wirkt sich laut Bericht besonders zum Nachteil von Kindern aus, die sozioökonomisch schwächer aufgestellt sind.
Denn diese haben in der Regel weniger oft die Möglichkeit, an solchen Programmen teilzunehmen. Während in der Schweiz lediglich zwölf Prozent der Kinder aus Familien des unteren Einkommensdrittels im Alter von null bis zwei Jahren eine solche Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, sind es beim oberen Einkommensdrittel 57 Prozent. Dies entspricht einer Differenz von 45 Prozent, während der OECD-Durchschnitt lediglich einer Differenz von 19 Prozent entspricht.
Gemäss dem Bericht hilft die frühkindliche Bildung, die Entwicklungsunterschiede zwischen den Kindern zu verringern. Um die Einschreibung von Kindern und Jugendlichen in Bildungsinstitutionen zu erhöhen, hoben zwölf Mitglieds- und Beitrittsstaaten in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl schulpflichtiger Jahre an. Obwohl die Schweiz nicht zu dieser Gruppe gehöre, betrage die hiesige Schulpflicht elf Jahre zwischen dem 4. und 15. Lebensjahr. Diese Anzahl entspreche exakt dem OECD-Durchschnittswert, wie es heisst.
Auffallend ist auch, dass die Schweiz durchaus Geld ausgibt für die frühkindliche Bildung. So heisst es in der Studie, dass öffentliche Investitionen in der Schweiz dafür im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) zwischen 2015 und 2021 um neun Prozent gestiegen seien. Die OECD-Staaten haben im gleichen Zeitraum ihre Ausgaben für die frühkindliche Bildung im Schnitt im selben Mass erhöht.
Schweizer Lehrpersonen arbeiten mehr
Der zweite Bereich, in dem die Schweiz im Bericht auffällt, ist die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer. Die vertraglich vereinbarten Unterrichtsstunden variieren stark. In der Schweiz sind Lehrpersonen der Sekundarstufe I zu jährlich 750 Unterrichtsstunden verpflichtet – Vor- sowie Nachbereitung oder Elterngespräche sind darin nicht enthalten. Der OECD-Durchschnitt liegt lediglich bei 706 Unterrichtsstunden pro Jahr.
Der jährlich erscheinende Bericht «Bildung auf einen Blick» untersucht die Bildungssysteme der 38 OECD-Länder und weiterer ausgewählter Staaten.