Gesellschaftlicher Wandel passiert in der Regel schleichend und fast unbemerkt. Oft begreift man ihn erst, wenn man sich vergangene Lebensweisen vor Augen hält. Genau das ist der Gedanke hinter der Ausstellung «Ausser Gebrauch» in der Basler Barfüsserkirche. Das Historische Museum Basel veranschaulicht die technischen und gesellschaftlichen Veränderungen anhand von über 300 Objekten aus dem täglichen Leben des späten 17. Jahrhunderts bis zur Jahrtausendwende. Älteren Besucherinnen und Besuchern dürften einige Objekte noch bekannt vorkommen. Für Kinder oder Schulklassen ist es eine tolle Möglichkeit, sich anhand dieser ausrangierten Gegenstände mit früheren Lebensweisen auseinanderzusetzen.
Bequemlichkeit gewinnt
Besonders der technische Fortschritt und die Digitalisierung beschleunigen den gesellschaftlichen Wandel auf ungeahnte Weise. Zu Beginn der Ausstellung wird am Beispiel des Smartphones aufgezeigt, wie sehr sich dadurch das Alltagsleben verändert hat. Das Gerät reduzierte den Wert von Dingen wie zum Beispiel Zugfahrplänen, Landkarten, Fotoapparaten, Musikrekordern oder Telefonbüchern. Letztere sind übrigens ganz verschwunden und wurden in der Schweiz 2022 zum letzten Mal gedruckt.
Das Beispiel des Smartphones zeigt auch die Mechanismen, wie Gegenstände ausser Gebrauch kommen: Sie weichen bequemeren Lösungen mit mehr Vorteilen. Dieser Grundsatz lässt sich durch die ganze Ausstellung und bei den verschiedenen Themenbereichen wie Hygiene, Haushalt, Tafelkultur, Mode und Mobilität immer wieder erkennen. Besonders elektrische Geräte vereinfachten vieles. Dank ihnen müssen zum Beispiel Lebensmittel nicht mehr mit einem grossen Eisblock im Eisschrank gekühlt werden oder Kaffee vor der Zubereitung zuerst von Hand geröstet und gemahlen werden.
Alltag kostet nicht immer gleich viel
Welche Gegenstände in einem Haushalt ausser Gebrauch kommen, hängt vom Alter, dem Herkunftsort, aber vor allem auch dem sozialen Status der Menschen ab. Einige Gerätschaften blieben den Vermögenden vorbehalten. Die Ausstellung gibt also auch einen Einblick, wie die Menschen unterschiedlicher Schichten früher gelebt haben. So lässt etwa die Form der Fortbewegung in früheren Jahrhunderten einige Schlüsse ziehen. Nur sehr Vermögende konnten sich eine eigene Kutsche oder Sänfte leisten. Gleiches galt für bestimmte Lebensmittel: Zucker, Muskat oder Schildkrötensuppe zählten zu jenen Luxusgütern, die sich damals nur sehr wenige leisten konnten.
Anders gedacht
Die ausgestellten Gegenstände veranschaulichen ausserdem, wie sich das Denken verändert hat. Sie zeigen somit auch Mentalitätsgeschichte. Zum Beispiel sind viele Dinge, die jemandem früher zu Prestige verhalfen, heute verpönt. Das zeigt sich insbesondere bei bestimmten tierischen Produkten oder Haustieren. Haustiere wie Singvögel oder Fische waren früher vor allem Vorzeigeobjekte. Auch hat sich der Umgang etwa mit Pelz, Reptilienleder oder Elfenbein verändert.
Werkzeuge wie Rasierklingenschärfer oder Stopfeier sind heute ebenfalls (fast) ausser Gebrauch. Das hat aber nichts mit Prestige zu tun: Diese Gegenstände dienten dem Flicken. Früher lebten Menschen gezwungenermassen sparsamer und ressourcenschonender als die moderne Gesellschaft. War etwas beschädigt, war eine Reparatur oft die einzige Lösung – ganz im Gegensatz zu heute, wo man alles einfach neu kaufen kann.