«Sitzungen sind eine Gewohnheit, die sich über Jahre stark in eine Organisation einbrennt», sagt Reto Kuster vom Zentrum für Management und Leadership der pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH). Er sieht zwei Auslöser, die Schulen veranlasst, ihre Sitzungsstruktur zu überdenken: Zum einen die Suche nach der Sinnhaftigkeit und zum anderen das fehlende Engagement der Teilnehmenden. Umfragen im Schulbereich zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrer Sitzungen als bedeutende Stressoren wahrnehmen. «Hier gibt es viel Potenzial für Veränderungen», weiss Kuster. BILDUNG SCHWEIZ sprach mit vier Schulen, die ihre Sitzungen hinterfragten und anpassten – fünf Fragen und Antworten für die Praxis.
1. Müssen immer alle an alle Sitzungen teilnehmen?
Nein, überhaupt nicht. Die Primarschule Feld in Wetzikon (ZH) führte dieses Schuljahr ein neues Sitzungskonzept ein. Die Grundidee: Die Lehrerinnen und Lehrer können bis zu einem gewissen Grad wählen, in welchen Sitzungen sie sich engagieren wollen. Pro Schuljahr müssen sie insgesamt 25 Stunden dafür aufwenden und das auch belegen. Gegenüber früher wurde die Sitzungskadenz gesenkt und die Sitzungsdauer zudem auf eine Stunde beschränkt.
Gewisse Sitzungen bleiben obligatorisch, wie beispielsweise jene des Jahrgangsteams oder des Stufenteams. Zum Pflichtprogramm gehören auch Anlässe, die der Schulentwicklung dienen. Alle anderen Sitzungsgefässe wurden flexibilisiert: Beispielsweise die Schulkonferenz oder der Impulslunch, ein Austausch über Mittag zu einem Thema. Hier können die Lehrpersonen auf einen Teil der Sitzungen verzichten, wenn Interesse oder Betroffenheit fehlen.
«Wir möchten Leute an den Sitzungen, die mitdenken.»
Die Verkürzung der Sitzungen auf maximal eine Stunde bedingt eine gute Planung und eine straffe Führung. Deshalb wurden die Inhalte der jeweiligen Sitzungen klar geregelt. Informationen gehen konsequent ins Wochenmail oder auf eine digitale Pinnwand. Schulleiterin Cornelia Battaglia sagt dazu: «Wir möchten Leute an den Sitzungen, die mitdenken.» Schulleiter Remo Rüppel ergänzt: «Sitzungen effizient und doch mit hoher Betroffenheit zu gestalten, ist eine Kunst. Dafür müssen wir uns alle schulen.»
2. Können Sitzungen vollständig freiwillig sein?
Nein, nur freiwillig geht nicht. Thomas Minder, Schulleiter der Schule am Stutz im zürcherischen Eschlikon, ist ein Fan von agilen Methoden. Vor zwei Jahren führte er zusammen mit seinen beiden Schulleitungskollegen das Prinzip der zwei Füsse ein. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich zwei Fragen stellen: Kann ich von der Sitzung profitieren? Und: Kann ich zu einem Thema etwas beitragen? «In den letzten zwei Jahren befahlen wir nur einmal eine generelle Teilnahme», erinnert sich Minder. Sein Fazit heute: «Gelegentlich lässt eine Lehrperson eine Sitzung aus, das ist aber nicht die Regel.»
Informationen gehen auch hier konsequent in den wöchentlichen Newsletter oder in den Teams-Chat. «Das entlastet die Sitzungen und gibt Zeit für Diskussionen oder für Inputs von unserem pädagogischen ICT-Support», freut sich Minder. Die Lehrpersonen stünden hinter dem Konzept und fühlten sich ernst genommen. Sie würden selbst über ihren Grad an Partizipation bestimmen. Übrigens: Das Prinzip der zwei Füsse gelte auch für Weiterbildungstage.