5 Tipps

Wie Schulen ihre Sitzungen erfolgreich entrümpeln

Zu viele Sitzungen, zu wenig Zeit fürs Kerngeschäft – diese Klage ist unter Lehrerinnen und Lehrern weit verbreitet. Doch wie können Schulen ihre Sitzungslast reduzieren? Eine Gebrauchsanleitung in fünf Punkten.

Ein lächelnder Mann schreibt etwas auf eine Leinwand. Hinter ihm sitzen mehrere Personen an einem Tisch.
Sitzungen können für Lehrpersonen eine grosse Belastung darstellen. Das muss nicht sein. Foto: iStock/Skynesher

«Sitzungen sind eine Gewohnheit, die sich über Jahre stark in eine Organisation einbrennt», sagt Reto Kuster vom Zentrum für Management und Leadership der pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH). Er sieht zwei Auslöser, die Schulen veranlasst, ihre Sitzungsstruktur zu überdenken: Zum einen die Suche nach der Sinnhaftigkeit und zum anderen das fehlende Engagement der Teilnehmenden. Umfragen im Schulbereich zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrer Sitzungen als bedeutende Stressoren wahrnehmen. «Hier gibt es viel Potenzial für Veränderungen», weiss Kuster. BILDUNG SCHWEIZ sprach mit vier Schulen, die ihre Sitzungen hinterfragten und anpassten – fünf Fragen und Antworten für die Praxis.

1. Müssen immer alle an alle Sitzungen teilnehmen?

Nein, überhaupt nicht. Die Primarschule Feld in Wetzikon (ZH) führte dieses Schuljahr ein neues Sitzungskonzept ein. Die Grundidee: Die Lehrerinnen und Lehrer können bis zu einem gewissen Grad wählen, in welchen Sitzungen sie sich engagieren wollen. Pro Schuljahr müssen sie insgesamt 25 Stunden dafür aufwenden und das auch belegen. Gegenüber früher wurde die Sitzungskadenz gesenkt und die Sitzungsdauer zudem auf eine Stunde beschränkt.

Gewisse Sitzungen bleiben obligatorisch, wie beispielsweise jene des Jahrgangsteams oder des Stufenteams. Zum Pflichtprogramm gehören auch Anlässe, die der Schulentwicklung dienen. Alle anderen Sitzungsgefässe wurden flexibilisiert: Beispielsweise die Schulkonferenz oder der Impulslunch, ein Austausch über Mittag zu einem Thema. Hier können die Lehrpersonen auf einen Teil der Sitzungen verzichten, wenn Interesse oder Betroffenheit fehlen.

«Wir möchten Leute an den Sitzungen, die mitdenken.»

Die Verkürzung der Sitzungen auf maximal eine Stunde bedingt eine gute Planung und eine straffe Führung. Deshalb wurden die Inhalte der jeweiligen Sitzungen klar geregelt. Informationen gehen konsequent ins Wochenmail oder auf eine digitale Pinnwand. Schulleiterin Cornelia Battaglia sagt dazu: «Wir möchten Leute an den Sitzungen, die mitdenken.» Schulleiter Remo Rüppel ergänzt: «Sitzungen effizient und doch mit hoher Betroffenheit zu gestalten, ist eine Kunst. Dafür müssen wir uns alle schulen.»

2. Können Sitzungen vollständig freiwillig sein?

Nein, nur freiwillig geht nicht. Thomas Minder, Schulleiter der Schule am Stutz im zürcherischen Eschlikon, ist ein Fan von agilen Methoden. Vor zwei Jahren führte er zusammen mit seinen beiden Schulleitungskollegen das Prinzip der zwei Füsse ein. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich zwei Fragen stellen: Kann ich von der Sitzung profitieren? Und: Kann ich zu einem Thema etwas beitragen? «In den letzten zwei Jahren befahlen wir nur einmal eine generelle Teilnahme», erinnert sich Minder. Sein Fazit heute: «Gelegentlich lässt eine Lehrperson eine Sitzung aus, das ist aber nicht die Regel.»

Informationen gehen auch hier konsequent in den wöchentlichen Newsletter oder in den Teams-Chat. «Das entlastet die Sitzungen und gibt Zeit für Diskussionen oder für Inputs von unserem pädagogischen ICT-Support», freut sich Minder. Die Lehrpersonen stünden hinter dem Konzept und fühlten sich ernst genommen. Sie würden selbst über ihren Grad an Partizipation bestimmen. Übrigens: Das Prinzip der zwei Füsse gelte auch für Weiterbildungstage.

3. Welche Rolle spielt die Selbstverantwortung?

Selbstverantwortung ist wichtig, wie das Beispiel der Primarschule Zwingen (BL) zeigt. «Wir diskutieren ausgiebig über pädagogische Konzepte», sagt Schulleiterin Béa Hilfiker. Vor sechs Jahren führte sie deshalb die wöchentliche Präsenzzeit ein. Alle Lehrpersonen sind jeweils am Dienstag von 16 bis 18 Uhr vor Ort. Früher füllte sich diese Zeit komplett mit Sitzungen: Stufenkonvent, Gesamtkonvent, IT-Konvent, Konvent zu einem pädagogischen Thema und die Sitzungen des pädagogischen Teams.

Auf dieses Schuljahr hin halbierte die Schulleiterin die Anzahl Sitzungen. Neu findet nur noch alle zwei Wochen ein Konvent statt. Zusätzlich führte sie gemäss dem Prinzip der zwei Füsse die freiwillige Sitzungsteilnahme ein. Hilfiker erzählt: «Das bedeutet für die Teammitglieder mehr Selbstverantwortung. Denn sie entscheiden, ob sie vom Sitzungsthema betroffen sind oder ob sie etwas dazu beitragen können. Nur dann nimmt man teil.» Hilfiker erhofft sich dadurch, dass sie ihre Zeit effizienter nutzen können. In der freien Präsenzzeit finden nun kollegiale Kooperationen aller Art statt. Die Zeit darf zwar nicht für die Unterrichtsvorbereitung genutzt werden. Die Grenzen sind jedoch fliessend. Dies gelte beispielsweise, wenn ein Team ein Thema für die Schulstunde gemeinsam vorbereitet.

4. Braucht es zu jeder Sitzung ein Protokoll?

Nein, das kann man besser lösen. Die Tagesschule Thurgauerstrasse in der Stadt Zürich startete dieses Schuljahr mit einem komplett neuen Team. Schulleiterin Nora Bussmann konnte die Sitzungsstruktur von Grund auf entwerfen. Die Tagesschule ist nach dem Clusterprinzip aufgebaut. In einem Cluster werden drei Klassen und eine Betreuungseinheit räumlich und organisatorisch zusammengefasst.

«Im besten Fall nehmen die Teilnehmenden das gar nicht mehr als Sitzung wahr.»

Das Clusterteam trifft sich alle zwei Wochen zu einer Sitzung, wobei die Mitglieder den Zeitpunkt selbst bestimmen können. Im Cluster arbeiten die Lehrpersonen eng zusammen und planen auch gemeinsam den Unterricht. Das gebe diesen Sitzungen eine hohe Sinnhaftigkeit: «Im besten Fall nehmen die Teilnehmenden das gar nicht mehr als Sitzung wahr», sagt Bussmann.

Die Schulkonferenz findet fünfmal im Jahr statt, immer an einem anderen Wochentag. Die Teilnahme ist obligatorisch. Wer am Sitzungstag nicht arbeitet, kann sich online zuschalten. Das Protokoll wurde für alle Sitzungen gestrichen. An seine Stelle tritt das Kanban. Dabei handelt es sich um grosse Plakate, die je nach Bedarf in Vorhaben, zuständige Personen und neue Ideen unterteilt werden. Alle Kanbanboards werden im Teamzimmer aufgehängt und sollen später auch digital zugänglich gemacht werden. «Die Leute wollen mitgestalten und mitentwickeln. Deshalb brauchen wir entsprechende Strukturen. Und es muss für alle sichtbar sein, was passiert», sagt Bussmann.

5. Wie kann eine Schule die Sitzungsstruktur überarbeiten?

Reto Kuster von der PHZH erkennt in den Neuerungen der vier Schulen – zwei davon hat er selbst beraten – viele Themen, die er immer wieder mit Schulen diskutiert. Leider gibt es keine expliziten Studien zu Sitzungen an Schulen. Kuster kann sich deshalb gut vorstellen, dass zum Beispiel die Schulleitung oder die Leitung Bildung einer Gemeinde sich vornimmt, die Sitzungsstruktur und -kultur an den Schulen zu vergleichen und auf deren Sinnhaftigkeit zu prüfen. Zum Schluss gibt er einen Praxistipp: «Die Lehrpersonen sollen mit einer rollenden Traktandenliste schon vor der Sitzung in die Sitzung miteinbezogen werden.» Zum Beispiel mit einer Wand im Teamzimmer, an der Post-it-Zettel mit Themen befestigt werden können.

Autor
Roland Schaller

Datum

14.11.2024

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