Sommercampus

Was mit Weiterbilden begann, wurde zur langjährigen Freundschaft

Eine Weiterbildungsveranstaltung hat mehr zu bieten als Kurse, Wissen und Fähigkeiten. Das zeigt eine Gruppe von befreundeten Lehrpersonen, die sich 1999 während dem Sommercampus von swch.ch kennengelernt hat. Seither treffen sich die Freundinnen und Freunde jährlich.

Drei Frauen und ein Mann posieren für ein Foto.
Irene Höltschi, Helena Lüthi-Kunisch, Gabi Ammann und Reto Attenhofer (von Links) lernten sich in einer Weiterbildung kennen. Fotos: Daniel Trogler

Im Hintergrund spielt Musik, vermischt mit Gesprächen und Lachen. Leute stossen nach einem Tag der Weiterbildungen zusammen an und verleihen der St. Galler Kantonsschule am Burggraben ungewöhnlich viel Leben – zumindest für diese Jahreszeit. Immerhin sind hier während den Juliwochen Schulferien. Doch das hat viele Lehrpersonen aus der ganzen Schweiz nicht davon abgehalten, den diesjährigen Sommercampus zu besuchen. Das ist die zweiwöchige Weiterbildungsveranstaltung von Schule und Weiterbildung Schweiz swch.ch. Neben der Kantonsschule steht während dieser Zeit die «Treffbar».

Ebenfalls dabei sind Gabi Ammann, Irene Höltschi und Reto Attenhofer. Sie sitzen auf einer Bank vor der Bar. Die Lehrerinnen und der Lehrer besuchen den Sommercampus bereits seit Jahren. Für sie zählt nicht nur die Weiterbildung, sie kommen auch immer wieder, um alte Freundinnen und Freunde zu sehen. Die Lehrerinnen und der Lehrer sind Teil einer Gruppe, die sich bereits vor über zwei Jahrzehnten in einem Kurs kennengelernt hat und sich seither jährlich trifft.

Kinesiologiekurs markiert den Beginn von 20 Jahren Freundschaft

«Unsere Gruppe hat sich am Sommercampus 1999 in Thun kennengelernt», erzählt Gabi Ammann. Sie besuchte damals einen mehrtägigen Kinesiologiekurs. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer genossen ihre gemeinsame Zeit während der Weiterbildung sehr – so sehr, dass Ammann beschloss, dass sich diese Gruppe wieder treffen muss.

«Gabi und ich haben das erste Treffen der Gruppe zusammen mit einer Kollegin organisiert», sagt Höltschi gutgelaunt. Auch der Kursleiter des Kinesiologie-Kurses sei eingeladen gewesen. «Im darauffolgenden Jahr organisierte er dann das Treffen.»

«Zum 20-jährigen Bestehen der Gruppe haben wir uns wieder in Thun getroffen.»

Seither treffen sich die Freundinnen und Freunde regelmässig – unterdessen bereits seit 24 Jahren. «Zum 20-jährigen Bestehen der Gruppe haben wir uns wieder in Thun getroffen. Zu dem Anlass habe ich auch noch extra eine Torte organisiert», sagt Ammann lachend. Zu Beginn zählten ungefähr 13 Personen zur Gruppe, heute sind es noch 11.

Die Freundinnen und Freunde treffen sich zwei Mal pro Jahr. Das erste Wiedersehen findet jeweils am Sommercampus für diejenigen statt, die nahe genug am Veranstaltungsort wohnen. «Sie reisen für ein Nachtessen und den Austausch in der Gruppe an», erzählt Attenhofer. Das zweite Treffen findet an einem Wochenende im August oder im September statt: «Dort erscheinen möglichst alle. Das ist zentral für die Gruppe.» Auf dem Programm stehen dann meist lokale kulturelle Erlebnisse, Essen und Trinken. Auch pensionierte Mitglieder der Gruppe lassen es sich nicht nehmen, weiterhin dabei zu sein.

Wenn sich Weiterbildung wie Ferien anfühlt

Weiterbildung vor Ort lebt auch vom geselligen Beisammensein. Das zeigt sich an den Leuten, die gut gelaunt zusammen an der Bank, auf der die Dreiergruppe sitzt, vorbei zur Treffbar schlendern. Einige stossen an, andere sind in Gespräche vertieft. Die Stimmung ist fröhlich und entspannt.

«Mir gefällt es, Lehrpersonen aus anderen Kantonen zu treffen.»

Dieser soziale Aspekt ist für Attenhofer, Höltschi und Ammann eine der Stärken der swch.ch-Veranstaltung – auch ausserhalb ihrer besonderen Gruppe. «Für mich ist der Besuch des Sommercampus wie eine gelungene Kombination von Weiterbildung und Ferien», so Höltschi. «Daneben gefällt es mir sehr, abends Lehrpersonen aus anderen Kantonen zu treffen, mit ihnen zusammenzusitzen und einen Blick über den eigenen Tellerrand zu erhalten.»

Ausser der Geselligkeit lobt Ammann auch die inhaltliche Qualität: «Es gibt immer gute Kurse, die für die Arbeit nützlich sind.» Höltschi stimmt zu und sieht den Sommercampus als «schönes Kontrastprogramm» zu den Weiterbildungen, die sie schulhausintern absolviert. «Die internen Weiterbildungen sind auf das ausgerichtet, was es im Schulzimmer gerade braucht. Hier kann ich auch Kurse aussuchen, die ich persönlich wichtig finde», erklärt sie.

Auch das Rahmenprogramm muss stimmen

Trotzdem ist nicht jeder Sommercampus automatisch ein Erfolg. Die Vertreterinnen und Vertreter der Gruppe können sich gut an einige Ausgaben erinnern, die ihnen nicht gefallen haben. Der Hauptgrund für Ärger war in der Regel, dass es bei diesen Veranstaltungen keinen vernünftigen «Lehrpersonentreff» oder kein nennenswertes Rahmenprogramm zu den Weiterbildungen gab.

Abgesehen davon sei der Campus für die Gruppe immer einen Besuch wert gewesen. Auch in diesem Jahr in St. Gallen gefällt er den Anwesenden. Die einzelnen Gruppenmitglieder bemühen sich deshalb stets aktiv darum, auch jüngere Lehrpersonen für den Anlass zu begeistern. Wenn man einmal dabei war, möchte man ihn nicht mehr missen, davon sind sie überzeugt.

Nicht alle können sich nach Lust und Laune weiterbilden

Doch das Gewinnen junger Lehrpersonen ist nicht einfach. Attenhofer sieht zwei Schwierigkeiten. Es fehle bei manchen Kantonen und Gemeinden an ausreichend finanzieller Unterstützung für freiwillige Weiterbildung. «Das ist vor allem für jüngere Lehrpersonen ein Problem.» Es gebe aber auch Kantone, die selbst obligatorische Weiterbildungen durchführen würden. «Danach ist vermutlich nicht mehr viel Motivation da, auch noch freiwillig an gesamtschweizerischen Kursen teilzunehmen», meint Attenhofer.

Wie sehr ihm der Anlass auch gefällt, die Zeit lässt sich nicht aufhalten. Nächstes Jahr wird Reto Attenhofer pensioniert und er ist sicher, dass der Sommercampus 2023 sein letzter sein wird. Davon zeigt er sich jedenfalls zum Zeitpunkt des Gesprächs überzeugt – obwohl bereits jemand versucht hat, ihn davon abzubringen.

Mit der Pensionierung muss nicht Schluss sein

Dieser jemand ist Jana Baumgartner, Geschäftsleiterin swch.ch. Auch sie kennt die Gruppe schon seit Jahren. Das Gespräch mit ihr findet in einem verlassenen Zimmer der Kantonsschule statt. Trotz der geschlossenen Türe dringt Chorgesang von den Gängen der Schule herein.

Baumgartner zeigt sie sich zufrieden mit der diesjährigen Ausgabe des Sommercampus: «Es gab viele Gelegenheiten, sich auszutauschen und miteinander Zeit zu verbringen. Das ist ein wichtiger Aspekt, den wir dieses Jahr gut umsetzen konnten.» Ausserdem sei es dieses Jahr gelungen, die berühmte «Campusstimmung» zu erzeugen: eine Art konzentrierte Ausgelassenheit.

Doch die anstehende Pensionierung von Reto Attenhofer ist für Baumgartner ein Wermutstropfen. Sie möchte nicht auf den treuen Sommercampus-Besucher verzichten. Deshalb entstand dieses Jahr die Idee, eine Art Alumni-Verein zu gründen, der sich aus pensionierten Lehrpersonen zusammensetzt. Als Wunschkandidaten für das Präsidentenamt sieht Baumgartner Attenhofer.

Zukünftig soll er pensionierten Lehrpersonen ein eigenes Angebot kuratieren, das sie im Rahmen des Campus nutzen können, so die Hoffnung. Als Baumgartner am Ende des Tages in der Treffbar mit dem Lehrer zusammen anstösst, steht er der Idee noch skeptisch gegenüber. Doch das änderte sich im Verlauf des Abends: Künftig steht er dem Sommercampus nämlich als Präsident der swch.ch Silberfüchse zur Seite. Vielleicht schafft er es in dieser Funktion, weitere unzertrennliche Gruppen von Freundinnen und Freunden zusammenzubringen.

Weiterbildung mit swch.ch

Der Verein Schule und Weiterbildung Schweiz, kurz swch.ch, organisiert jeden Sommer Weiterbildungskurse für Lehrerinnen und Lehrer. Das Angebot des Sommercampus ist gross: 94 Kurse fanden dieses Jahr statt – von Denksport über Bildnerisches Gestalten bis hin zu Gesang. Rund 1000 Lehrpersonen nahmen an den Kursen in St. Gallen teil. Der nächste Sommercampus findet in Solothurn statt. Mehr Informationen: www.swch.ch

Autor
Kevin Fischer

Datum

07.09.2023