Individuelle Bedürfnisse

Was es für eine gute Lernstrategie braucht

Es gibt nicht die eine, richtige Lernstrategie. Aber gut eingeübte Methoden helfen beim Lernen. Lehrerinnen und Lehrer spielen dabei als Coaches und Vermittelnde eine wichtige Rolle.

Ein Kind rauft sich die Haare und blickt auf einige offene Bücher, die vor ihm auf einem Tisch liegen.
Kinder können beim Lernen auch einmal frustrierende Erfahrungen machen. Entscheidend ist nicht das Gefühl, sondern wie man damit umgeht. Foto: iStock/Prostock-Studio

Eine lange Liste von Wörtern lernen, die bevorstehende Matheprüfung als Angstgegnerin wahrnehmen oder tausend Gründe finden, das Lernen aufzuschieben – wer kennt dies nicht? Wenn die Lernmotivation fehlt, helfen Lernstrategien dabei, gar nicht erst in solche Situationen zu geraten.

Einer, der sich praxisnah mit dem Thema auseinandersetzt, ist der Psychologe und Lerncoach Fabian Grolimund, der mit Stefanie Ritzler die «Akademie für Lerncoaching» leitet. Er weiss: Lernfrust zu überwinden, braucht zunächst Akzeptanz. Man müsse Kindern und Jugendlichen ehrlich vermitteln, dass Lernfrust und schwierige Phasen dazugehörten, hält Grolimund im Podcast «Bildungsreise» im Gespräch mit Journalist Damian Haas fest. Wenn ein Kind äussere, dass es etwas nicht schaffe, reagierten viele Erwachsene mit Bestärken: «Doch, ich weiss, dass du das kannst» – eine gut gemeinte, aber kontraproduktive Haltung, die bei Kindern das Gefühl verstärkt, dass die Erwachsenen es nicht «checkten».

Über das Lernen nachdenken

Fabian Hug, Primarlehrer im Zyklus 2 in Neuenhof (AG) und Projektmitarbeiter im Projekt «FORAS:Q» (Forschung zur ausserschulischen Unterrichtsqualität) am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich, findet es wichtig zu reflektieren: «Ich leite meine Schülerinnen und Schüler an, über ihr Lernen nachzudenken, um so potenzielle Hürden zu identifizieren und zu überwinden.» Er weiss: Das Nachdenken über das Lernen ist keine vergeudete Zeit. Die Lernforschung belegt, dass die Verarbeitungstiefe des Gelernten zentral ist: Je mehr es uns gelingt, das Gelernte wirklich zu verstehen, desto länger bleibt es im Gedächtnis. Dazu gehört, mit allen «Sinnesmodalitäten» zu lernen, wie Lerncoach Grolimund festhält: Sich innere Bilder machen, in eigenen Worten wiedergeben, was man gelesen hat und Querverbindungen zum Lernstoff suchen.

Die Sache mit der Motivation

Doch es ist nicht immer einfach, Motivation für eine ungeliebte Aufgabe aufzubringen. Wie gehen Lehrpersonen damit um? Fabian Hug ist der Meinung, dass es für ihn als Lehrer nicht möglich ist, Motivation in seinen Schülerinnen und Schülern zu erzeugen: «Nur sie selbst können sich motivieren. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass die Voraussetzungen, welche die Entstehung und Förderung von Motivation unterstützen können, durchaus beeinflussbar sind.» So bemühe er sich, seinen Schülerinnen und Schülern den Sinn hinter einem Thema zu erklären und Hinweise zu geben, wie sie das Gelernte später im Leben nutzen könnten, auch wenn dies nicht immer einfach sei.

«Unser Gehirn merkt sich alles, was neu ist, was mit Gefühlen verbunden und was uns persönlich wichtig ist.»

Hug arbeitet zudem so oft wie möglich mit anregenden Lernumgebungen, variiert Lehr- und Lernformen und bezieht häufig ausserschulische Lernorte, an denen authentische Begegnungen möglich sind, in den Unterricht mit ein. «Wenn meinen Schülerinnen und Schülern die Motivation fehlt, versuche ich, gemeinsam mit ihnen ihrem Frust auf den Grund zu gehen und sie anzuleiten, entweder die Situation oder ihre Einstellung dazu zu verändern.»

Fabian Grolimund und Stefanie Ritzler widmen dem Thema «Motivation» im Buch «Clever lernen» ein eigenes Kapitel. Sie resümieren, dass Schülerinnen und Schüler sich fragen sollten, inwiefern der Lernstoff persönlich relevant ist. Denn: «Unser Gehirn merkt sich alles, was neu ist, was mit Gefühlen verbunden ist und was uns persönlich wichtig ist.»

Für Géraldine Eliasson gehören unmotivierte Schülerinnen und Schüler der Vergangenheit an. Die Sekundarlehrerin (Grundniveau) in Neuenhof (AG) erklärt: «Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeitsschritte selbstständig planen, wird die intrinsische Motivation angeregt. Fehlende Motivation kommt in meiner Klasse nicht mehr vor.»

Ihre Schülerinnen und Schüler legen ihre Bewertungsanlässe wie Lernkontrollen individuell fest, beurteilen diese auch selbst und können den Lernstoff im eigenen Tempo bearbeiten. «Die Unterstützung, das Coaching sowie die Reflexion während der individuellen Arbeitsphase bilden die Grundlage für den Erfolg.»

«Selbstreguliertes Lernen soll immer wieder an konkreten Aufgaben geübt werden.»

In der Ausbildung verankert?

Nicht alle Lehrpersonen setzen sich mit gleichem Engagement mit den Lernstrategien ihrer Schülerinnen und Schüler auseinander. Das sieht auch Yves Karlen so, Professor für Gymnasialpädagogik sowie Lehr- und Lernforschung an der Universität Zürich. Er hat bereits in seiner vormaligen Tätigkeit an der pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz selbstreguliertes Lernen (SRL) und Lernstrategien fest in der Ausbildung integriert. In der Unterrichtspraxis geschieht die Verankerung der Thematik seiner Meinung nach oft noch zu wenig: «Selbstreguliertes Lernen und Lernstrategien sollen nicht nur im projektartigen Lernen, sondern vor allem und immer wieder an konkreten Aufgaben im Fach erlernt, geübt und gefestigt werden.»

Karlen ist die Kooperation der Wissenschaft mit Schulen und deren Lehrpersonen ein grosses Anliegen, da das wechselseitige Lernen die Qualität und Wirksamkeit der Konzepte für selbstreguliertes Lernen steigert. Verschiedene Forschungsprojekte hätten gezeigt, dass SRL und Lernstrategien während der ganzen Schulzeit in allen Fächern geübt werden sollten. Gezeigt habe sich auch, dass die Lehrpersonen selbstreguliertes Lernen teilweise fördern, «aber noch zu wenig beispielhaft verschiedene Lernstrategien aufzeigen, erklären und mit den Schülerinnen und Schülern üben».

Einübung bereits ab Kindergarten

Der Erziehungswissenschaftler wünscht sich, dass Schülerinnen und Schüler am Ende der Pflichtschulzeit über ein breiteres Repertoire an Lernstrategien verfügen. Das Potenzial über das Wissen über Lernstrategien und bei der Selbsteinschätzung der SRL-Kompetenzen sei bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Er plädiert dafür, dass Lernstrategien schon im frühen Kindesalter systematisch eingeübt werden.

Forschungsergebnisse zeigen, dass auch schulschwache Kinder von Lernstrategien profitieren: Früh erworbene SRL-Kompetenzen, wozu auch überfachliche Kompetenzen gehören, wirken sich positiv auf den späteren Schulerfolg aus. Hier sind die Lehrpersonen gefragt: Je besser sie die Lernstrategien kennen, desto besser können sie diese ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln – über die ganze Schulzeit hinweg.

Weiter im Netz

selbstreguliertes-lernen.uzh.ch

Weiter im Text

Stefanie Ritzler, Fabian Grolimund: Clever lernen, 2. aktualisierte Auflage 2024

Autor
Irene Schertenleib

Datum

05.05.2025

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