Ausstellung
Was ein verschmiertes Wandbild über Rassismus erzählt
Jahrzehntelang hing ein Wandbild mit rassistischen Motiven in einer Berner Schule. Eine Ausstellung im Bernischen Historischen Museum nimmt das zum Anlass, die Gegenwart von rassistischen Denkmustern einst und heute zu thematisieren.

Wie ist mit Rassismus im Schulalltag umzugehen? Im Schulhaus Wylergut in der Stadt Bern war diese Frage in den letzten fünf Jahren ein Dauerthema. Grund dafür war ein historisches Wandbild mit rassistischen Motiven – mitten im Treppenhaus des Schulgebäudes. Jetzt hängt das Wandbild im Museum. Und ermöglicht so eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und Aktualität von Rassismus.
Erschaffen wurde das Wandbild im Jahr 1949. Im Auftrag der Stadt bemalten die Künstler Emil Zbinden und Eugen Jordi 24 Tafeln, wobei jede Tafel für einen Buchstaben im Alphabet und einen entsprechenden Begriff stand – von A wie Affe bis Z wie Ziege. Das Wandbild vereinte so Kunst und Lehrmittel in einem.
Die Ausstellung will Rassismus und koloniale Denkmuster aufzeigen.
Die Rassismus-Kontroverse begann 2019 mit einem Artikel der Berner Tageszeitung «Der Bund». Mehrere Personen kritisierten darin die stereotypisierte Darstellung nicht-weisser Menschen bei den Buchstaben C, I und N. Insbesondere störte sie die Gleichstellung dieser mit Tieren, Pflanzen und Gegenständen. Die Stadt reagierte, indem sie öffentlich nach Vorschlägen suchte, wie mit dem Wandbild umzugehen sei. 2020 – der Wettbewerb war noch nicht beendet – übermalten Unbekannte drei rassistische Motive mit schwarzer Farbe. Letztlich beschloss die Stadt, das Wandbild in das Bernische Historische Museum zu überführen.
Hitzige Debatte, nüchterne Ausstellung
Fünf Jahre nach ihrer Lancierung bildet die Wandbild-Kontroverse so den Rahmen für die Ausstellung «Widerstände. Vom Umgang mit Rassismus in Bern». Die Ausstellung will aufzeigen, dass Rassismus und koloniale Denkmuster in der Schweiz des 21. Jahrhunderts weiterexistieren. Dazu ist die Ausstellung in drei Teile gegliedert, aufgeteilt auf zwei Räume: Der erste Teil widmet sich mittels Zeitleiste der Geschichte des Wandbilds. Dabei wird deutlich, dass bereits in den 1980er-Jahren erste Kritik am Bild geäussert worden war. Doch auch kritische Stimmen gegenüber dem Demontage-Projekt kommen hier zu Wort.
Eine Reproduktion rassistischer Motivesoll verhindert werden.
Der zweite Teil der Ausstellung besteht aus unterschiedlichsten Beiträgen – etwa zur ersten schwarzen Nationalrätin oder zur Präsenz rassistischer Darstellungen in Lehrmitteln und Kinderliteratur. Der dritte Teil ist der Bereich mit dem Wandbild selbst. Dessen Platzierung in einem separaten Raum am Ende der Ausstellung ist bewusst gewählt. Die Besuchenden sollen so animiert werden, sich zunächst mit dessen historischem und gesellschaftlichem Kontext zu beschäftigen.
Für Schulklassen ab Zyklus 3
Auffällig ist – im Kontrast zur hitzig geführten Debatte im Vorfeld – der sachliche Ton der Ausstellung. Mit ein Grund dafür ist, dass rassistische Darstellungen nur spärlich vorkommen; man muss sich bücken oder den Kopf verrenken, um sie überhaupt zu sehen. Damit soll eine Reproduktion rassistischer Motive verhindert werden. Diese konsequente Haltung hat für die Ausstellung eine gewisse Textlastigkeit zur Folge. Gerade für jüngere Schülerinnen und Schüler ist sie deshalb weniger geeignet. Das Museum empfiehlt einen Besuch für Schulklassen ab der siebten Klasse. Für diese ist ein Besuch im Bernischen Historischen Museum eine geeignete Möglichkeit, um sich mit der Vergangenheit und Gegenwart von Rassismus in der Schweiz zu beschäftigen.
Didaktisches Angebot
«Widerstände» im Bernischen Historischen Museum ist bis zum 1. Juni 2025 zu sehen. Für den Besuch mit Schulklassen empfiehlt das Museum ein Vermittlungsangebot, das 60 bis 90 Minuten dauert. Weitere Angebote und didaktische Unterlagen werden in den kommenden Wochen auf der Website des Museums veröffentlicht. Bereits vorhanden ist ein Glossar, das bei der Erarbeitung relevanter Begrifflichkeiten (Kolonialismus, Othering etc.) hilft. Sämtliche Angebote sind für angemeldete Klassen kostenlos. An vier Montagen ist die Ausstellung zudem exklusiv für Schulklassen geöffnet. Mehr Informationen gibt es hier auf der Webseite des Bernischen Historischen Museums.
Autor
Mathias Streit
Datum
Themen