Kindgerechtes Lernen

«Spielen ist ein starker Motor für das Lernen»

Für Kindergartenlehrerin und Podcasterin Andrea Eichmüller ist Spielen zentral für das Lernen. Ideen dafür hat sie viele. Ihr Motto: je einfacher, desto besser.

Porträt von Andrea Eichmüller
Andrea Eichmüller ist Kindergartenlehrerin in Wald (ZH) und Podcasterin.

Wird in der Schule zu wenig gespielt?

ANDREA EICHMÜLLER: Leider. Wir entziehen damit den Kindern etwas, das essenziell ist. Spielen ist nämlich keineswegs kindlich. Wir Erwachsenen verbringen auch viel Zeit damit – im Sport, in der Musik oder auch wenn wir beim Lesen oder im Kino in gespielte Geschichten eintauchen. Spielen steht für Kreativität, Freiheit, Gesundheit und Ausdruck. Spielen ist zudem ein starker Motor für das Lernen. Es ist also Zeit, den Spieltrieb der Kinder nicht als Störfaktor, sondern als Superkraft zu sehen.

Wo sollte das Spiel im Unterricht noch ausgebaut werden?

Neben dem freien Spiel bieten Spiel- und Lernprojekte zu spezifischen Themen eine grosse Chance für Kinder. Hilfreich für das Spiel im Unterricht sind sogenannte Wunsch-Lernorte: Die Lehrpersonen wählen und gestalten gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Orte, an denen sie gerne spielen, lernen, forschen oder etwas herstellen möchten. Wenn Kinder mitreden und mitgestalten dürfen, entsteht echte Motivation. So erleben sie sich als selbstwirksam – das stärkt ihr Selbstvertrauen und fördert den Lernerfolg.

Zur Person

Andrea Eichmüller ist Kindergartenlehrerin in Wald, Kanton Zürich. Zusammen mit ihrer Berufskollegin Ursula Flammer und der Schulleiterin Petra Mächler produziert sie den Podcast «Out of the Znüni-Box». Darin reden die drei Frauen über Spiel- und Lernprojekte für den Zyklus 1.

Was brauchen gute Spiel- und Lernprojekte, damit sie gelingen?

Projektbasierte Spiel- und Lernformen folgen im Grunde einem ähnlichen Aufbau: Projektidee, Planung, Durchführung, Reflexion, Präsentation und Auswertung. Ein Beispiel dafür ist, ein Fortbewegungsmittel aus Kartonschachteln zu kreieren. Das ist ein grösserer Projektauftrag, der die Fähigkeit, in der Gruppe zu arbeiten, und viele andere Kompetenzen fördert. Dabei wird Vorwissen aktiviert. Die Kinder diskutieren Ideen und entwerfen die Pläne. Sie recherchieren, reflektieren und messen. Im praktischen Teil arbeiten sie dann mit Heissleim, Messern, Klebeband und Kabelbindern. Mit viel Freude, Motivation und wachsendem Können und Wissen entstehen so unter anderem Traktoren, Heissluftballone, Geländewagen oder Schiffe. Man kann auch einen Schritt weitergehen und mit den Fahrzeugen kleine Animationsfilmchen produzieren.

Wie kann man Kinder, die sich nicht einbringen oder sich sogar zurückziehen, ins Gruppenspielen integrieren?

Nicht jedes Kind tritt offen einer Gruppe bei und ruft: «Hier bin ich, lasst uns spielen!» Das ist völlig legitim.

«Integration gelingt, wenn sich Kinder gesehen fühlen.»

Zurückhaltung kann vielfältige Ursachen haben, etwa Unsicherheit, Überforderung oder innere Blockaden. Partizipation und Mitgestaltung in Spiel- und Lernprojekten schaffen da Vertrauen und Sicherheit. Integration gelingt dann, wenn sich die Kinder gesehen, verstanden und nicht gedrängt fühlen.

Haben Sie ein Lieblingsspiel, das Sie Kolleginnen und Kollegen empfehlen?

Ja, ich empfehle besonders Spiele, die auf einfachen Materialien basieren. Also solche mit Holzleitern, Tüchern, Seilen, Klammern, Holzklötzen und Kissen. Damit können Kinder ihre eigene Welt erschaffen. Das fördert Kreativität, Kooperation, Fantasie und Eigeninitiative und ermutigt die Kinder, sich auf vielfältige Weise einzubringen und zu entdecken. Das ist wichtig, denn Kindheit ist echtes Leben mit eigenem Wert und eigener Bedeutung. Deshalb: Lasst die Kinder spielen – im freien Spiel und in Spiel- und Lernprojekten. 

Autor
(red)

Datum

11.12.2025

Themen