Beat A. Schwendimann, Leiter der pädagogischen Arbeitsstelle vom Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), ordnet ein: «Technische Schutzmittel bieten punktuell Vorteile wie Standortorientierung oder SOS-Notrufe. Aber ihr Nutzen bleibt ohne pädagogische Begleitung begrenzt.» Entscheidend sei, dass sie transparent, situationsbezogen und zeitlich befristet eingesetzt werden. Auch Sandra Husi sieht in einzelnen Übergangssituationen einen sinnvollen Nutzen der Geräte, zum Beispiel beim ersten selbstständigen Heimweg. «Aber sicher nicht rund um die Uhr.»
Was bedeutet eine digitale Überwachung aus pädagogischer Sicht?
«Kinder lernen Selbstständigkeit durch eigene Entscheidungen, nicht durch Kontrolle», so Schwendimann. Der LCH empfehle deshalb, Regeln gemeinsam mit den Kindern zu gestalten, Schritt für Schritt Freiräume zu geben und technische Überwachung mit klar definierten Endpunkten zu versehen. Sandra Husi plädiert für eine gewisse Eigenverantwortung: «Wenn Kinder wissen, dass Mami und Papi jederzeit eingreifen, fehlt ihnen die Chance, Konflikte selbst zu lösen.» Anja Meier verweist auf das Recht auf Privatsphäre. «Geheime Überwachung ist auch in rechtlicher Hinsicht problematisch.»
Und wie erleben Kinder die Überwachung?
Alle Fachpersonen betonen: Transparenz ist entscheidend. Werden Kinder heimlich überwacht, kann dies das Vertrauen nachhaltig beschädigen. Laut Husi sollten Eltern offen erklären, weshalb sie ein Gerät einsetzen wollen, und die Reaktionen der Kinder ernst nehmen. «Kinder müssen wissen, in welchem Umfang sie überwacht werden und wozu.»
Wie lernen Kinder und Erwachsene zu vertrauen?
«Eltern können ihren Kindern dann vertrauen, wenn sie von Beginn an mit ihren Kindern im Dialog stehen, Regeln nachvollziehbar erklären und sich vor allem auch bewusst machen, dass die mittels Überwachung suggerierte Sicherheit keine ist», so Sandra Husi. Und sie fügt an: «Eltern sollen sich auch zurückerinnern und sich fragen, ob denn ihre Kindheit ohne Überwachung so viel gefährlicher war als die heutige?» Kinder lernen, indem man ihnen Raum gibt. Für Husi beginnt das im Kleinen: «Statt den definierten Schulweg nimmt das Kind eine andere Nebenstrasse. Oder es geht auf dem Nachhauseweg am Kiosk vorbei und kauft etwas Süsses.» Solche Entscheidungen treffen zu können, seien wichtig für die Entwicklung.
Wo sind die Grenzen beim Einsatz dieser Geräte?
Rechtlich ist heimliches Abhören heikel. Schwendimann stellt klar: «Gespräche von Lehrpersonen oder Mitschülerinnen ohne Einverständnis aufzuzeichnen, kann strafrechtlich relevant sein.» Schulen müssten hier klare Regeln durchsetzen. Auch Eltern sollten wissen, dass sie sich mit solchen Praktiken strafbar machen könnten. Anja Meier fasst zusammen: «Die Grenze liegt dort, wo Kontrolle wichtiger wird als Eigenständigkeit.»
«Kinder müssen wissen, in welchem Umfang sie überwacht werden und wozu.»
Ist digitale Überwachung ein gesellschaftlicher Trend?
Die Nachfrage nach Kinderuhren wächst rasant. «Bei Galaxus stiegen die Verkäufe 2025 um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr», sagt Keller. Sandra Husi beobachtet, dass Überwachung im privaten Kontext zunehmend akzeptiert werde. Es gebe Paare, die sich rund um die Uhr tracken würden. «Paradox», findet die Datenschutzexpertin. «Staatliche Überwachung lehnen wir oft ab, aber die lückenlose Kontrolle der eigenen Kinder gilt plötzlich als normal.»
Fazit: Sicherheit oder Scheinsicherheit?
GPS-Tracker und Smartwatches können punktuell entlasten. Sie ersetzen aber in keiner Weise Erziehung zur Selbstständigkeit, noch tragen sie zum Vertrauensverhältnis von Eltern und Kindern bei. Echte Sicherheit entsteht, wenn Kinder wissen, wie sie sich im Alltag verhalten können, wo sie Hilfe finden und wie sie Gefahren einschätzen müssen. Technik kann allenfalls eine Übergangshilfe sein. Doch langfristig bleibt Vertrauen das beste Fundament.