Lebensnaher Unterricht

Schulklasse macht einen Podcast – und gibt alles dafür

Eine Kleinklasse im St. Galler Rheintal produziert Podcasts. Das ist nicht nur lehr-, sondern auch abwechslungsreich. Unter Titeln wie «Ferienluft» oder «Gedankenachterbahn» lassen sie ihrer Kreativität freien Lauf.

Ein Schüler interviewt für seinen Podcast einen Gesprächspartner.
Wer einen guten Podcast machen will, muss sich auf das Gegenüber einlassen können. Fotos: Roger Wehrli

In der ehemaligen Stickerei von Altstätten (SG) betreiben die 13 Schulgemeinden des oberen Rheintals gemeinsam eine Tagesschule. Sie kümmert sich um Kinder, die wegen ihres Sozialverhaltens vom regulären Schulbetrieb ausgeschlossen wurden. Das altehrwürdige Haus der Tagesschule strahlt eine unerschütterliche Ruhe und Behaglichkeit aus.

Die Kinder und Jugendlichen der Kleinklasse, die in eine Ober- und eine Unterstufe eingeteilt ist, fühlen sich an diesem Ort laut eigener Aussage pudelwohl. Das hängt damit zusammen, dass die gemütlich eingerichteten Räume nur entfernt an ein Schulhaus erinnern. Mittags wird hier gemeinsam gekocht, gegessen und aufgeräumt.

An diesem besonderen Ort arbeitet Karl von Arb seit neun Jahren. Er leitet die Schule und unterrichtet die älteren Schülerinnen und Schüler der Kleinklasse. Letzten Sommer startete er mit ihnen ein ganz besonderes Projekt: die gemeinsame Produktion von Podcasts.

Professionelles Equipment

Es ist ein Wesenszug des Lehrers und ehemaligen Eishockey-Spielers, dass er gewissenhaft und professionell umsetzt, was er sich vorgenommen hat.

«Das professionelle Equipment spornt die Schüler zum seriösen Arbeiten an.»

So wurde von Beginn weg mit technischem Gerät von einwandfreier Qualität gearbeitet. Mikrofone, Kopfhörer und Mischpult lassen keine Wünsche offen. Eines der Zimmer wurde zum Tonstudio umgebaut.

«Dieses professionelle Equipment spornt die Schüler zum seriösen Arbeiten an», erklärt von Arb. Denn so sei eines klar: «Wenn ein Podcast schlecht herauskommt, liegt es nicht am technischen Gerät und auch nicht am Gast.»

So produzieren die gut ausgerüsteten Schülerinnen und Schüler unter dem gemeinsamen Namen «Regionale Podcast Klasse» Hörsendungen von zehn bis fünfzig Minuten Länge. Die Beiträge sind auf Spotify und Suisse Podcast abrufbar.

Ein vielseitiges Handwerk

Die Produktion eines Podcasts ist wie das Erlernen eines Handwerks – oder eigentlich mehrerer Handwerke, wie von Arb sagt. Zum einen müssen die technischen Geräte beherrscht werden. Zum anderen lernen die Jungs und das einzige Mädchen im Projekt das Handwerk der Recherche und die Kunst der Kommunikation. Möchte man zudem jemand Bestimmtes vors Mikrofon holen, wie das bei den meisten Podcasts der Klasse der Fall ist, sollte man sich vorher überlegen, was diese Person interessant macht und welche Fragen man ihr stellen möchte.

Solche Überlegungen sind für Kinder dieses Alters Neuland und sie müssen noch viel Erfahrung sammeln. Aus diesem Grund war es bestimmt keine schlechte Idee von Ilias, dass er für seinen ersten Podcast einen Mitschüler zum Gespräch bat. Ihr Gespräch drehte sich um die Frage: «Was wäre, wenn Schülerinnen und Schüler alles selbst entscheiden könnten?»

Die Podcasts von Ilias tragen die Überschrift «Gedankenachterbahn». Er ist nur einer von vielen, die ihr eigenes Programm unter einem eigens gesetzten Titel und gemäss eigenen Interessen verfolgen. Angelica etwa findet ganz besonders das Reisen und fremde Kulturen spannend. Zur ersten Folge ihres Podcasts «Ferienluft» lud sie deshalb Frau Masina ein, die schulische Heilpädagogin. Diese erzählte der Schülerin von Erlebnissen und Beobachtungen aus dem Tessin, von ihrem Aufenthalt auf Kreta und von einem Unfall, den sie in Italien hatte.

Dorian wiederum lässt am liebsten Leute aus deren Leben erzählen, die seiner Meinung nach etwas Besonderes geleistet haben. Für ihn handelt es sich dabei um eine Art regionale Heldengeschichten. Der schulische Sozialpädagoge Boris Niederer dürfte sich darum geehrt gefühlt haben, unter diesem Aspekt aus seinem Leben erzählen zu dürfen.

Dorian selbst wurde dafür schon in Admirs Podcast interviewt. Dessen Podcast dreht sich um lustige Missgeschicke. Dorian erzählte, wie es war, als er den coolen Typen mimte, um bei den Mädchen Eindruck zu machen, und wie dann alles anders kam als erhofft.

Dem Klassenlehrer ist es wichtig, dass seine Schützlinge etwas Zeitgemässes und Lehrreiches tun dürfen.

Und so geht es weiter: Veaceslav interessiert sich in seinem Podcast «Leben voller Möglichkeiten» für erfolgreiche Menschen und ihren Weg zum Erfolg. Kron lässt in «Schulgeflüster» verschiedene Leute ihre Geschichten erzählen, und Gianluca berichtet als «rasender Reporter» über Schulausflüge etwa zum Kerzenziehen oder aus dem Ski- und Snowboardlager.

Klare Beurteilungskriterien, nebensächliche Noten

Die Entstehung der Sendungen wird vom Klassenlehrer von Arb eng begleitet und betreut. Ihm ist es ein Anliegen, dass seine Schützlinge etwas Zeitgemässes tun dürfen, bei dem sie zudem viel lernen können. Dabei wird ihre Arbeit nach klaren Kriterien beurteilt. Das beginnt bereits mit den Bewertungskriterien für das Podcast-Skript. Es gibt beispielsweise Punkte für Überschriften und Struktur, Absatzformatierung, Nummerierung, Aufzählung und Seitenlayout.

Auch zum eigentlichen Podcast hat der Lehrer ein detailliertes Bewertungsblatt erstellt. Dabei achtet er besonders auf die deutliche Aussprache, das Sprechtempo und den -rhythmus, die Lockerheit, die Natürlichkeit sowie die Fähigkeit, zuzuhören und spontan nachzufragen. Weitere wichtige Kriterien sind die Empathie, die Struktur der gesamten Sendung, die inhaltliche Vorbereitung, die Einleitung und der Abschluss. Schliesslich zählen auch die Originalität, die Kreativität und die technische Qualität der Sendung.

Die Schulnote, die es für das Podcast-Projekt gibt, ist für den Lehrer aber eher Nebensache: Von Arb geht es darum, dass die Kinder erkennen, wozu sie fähig sind und was sie alles erreichen können, wenn sie mit dem nötigen Ernst dabei sind.

Das Schneiden übernimmt der Lehrer

Der Lehrer bewertet die Aufnahmen nicht nur, er bearbeitet sie auch nach. Dabei achtet er darauf, nur so viel wie nötig daran herumzuschneiden. Die Podcasts sollen möglichst nah am Original bleiben, auch auf das Risiko hin, dass der eine oder andere etwas zu lange wird. «Das ist eine sehr aufwendige und zeitintensive Arbeit, aber es ist Teil des Deutschunterrichts», sagt der Lehrer. Das Schneiden der Beiträge mache er dann in seiner Freizeit.

Die fertiggestellten Podcasts werden in der Klasse besprochen. So lernen die Schülerinnen und Schüler, genau hinzuhören und mit Kritik umzugehen. Dieser Prozess führt nicht nur dazu, dass ihre Arbeiten immer besser werden, sondern stärkt auch das Selbstwertgefühl. Das wiederum nützt ihnen bei der Lehrstellensuche. Tatsächlich haben ausnahmslos alle Schülerinnen und Schüler der Kleinklasse einen Lehrvertrag in der Tasche, wenn sie dieses Schulhaus zum letzten Mal verlassen. Darauf sind Karl von Arb und seine Mitarbeitenden zu Recht stolz.

Weiter im Netz

Der Podcast «Regionale Podcast Klasse» lässt sich online hören. Hier via Suisse Podcast und da via Spotify.

Autor
Roger Wehrli

Datum

22.07.2025

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