AUSSTELLUNG

«Schule für alle» fällt durch, «Future Skills» sind beliebt

Das Schulmuseum Bern hat in einer Ausstellung die Schule der Zukunft in Form von fünf Initiativen dargestellt. Die Besuchenden wurden aufgefordert, ihrem Wunschszenario ihre Stimme zu geben. Gewünscht wird unter anderem mehr Digitalisierung. Chancengerechtigkeit erhält nicht so viele Stimmen.

Ein Plakat mit einer in die Luft gestreckten Faust. Diese trägt an Armband, auf dem das Wort Chancengleichheit steht.
In der Ausstellung Schule der Zukunft konnten Besucherinnen und Besucher darüber abstimmen, welches Zukunftsszenario ihnen wichtig ist. Foto: Lukas Tschopp

Wie soll die Schule der Zukunft aussehen? Diese Frage diskutieren Fach- und Interessenkreise stets. Doch setzen sich damit zu wenig Leute auseinander, fand das Schulmuseum Bern. Es wollte eine lebhafte und grundlegende öffentliche Diskussion um die Zukunft des Bildungswesens anstossen – und lancierte deshalb die Ausstellung «Schule – Experiment Zukunft», die nach über einem Jahr Laufzeit im November 2024 zu Ende ging.

Die Besuchenden durftenüber ihre bevorzugte Schule der Zukunft abstimmen.

Die Kuratorinnen und Kuratoren der Ausstellung hatten dazu fünf politische Initiativen für eine fiktive Schule der Zukunft entworfen. Diese Szenarien inszenierten sie als politische Kampagnen mit Wahlplakaten und Infotexten. Gefordert wurden zum Beispiel eine smarte Schule oder ein Fokus auf künftig gefragte Fähigkeiten. Die Besuchenden durften dann ihrem persönlichen Wunschszenario via Smartphone ihre Stimme geben. Die Ausstellung machte an verschiedenen pädagogischen Hochschulen (PH) der Schweiz Halt. Zum Abschluss lud das Schulmuseum im Schlosshof Köniz (BE) zur Finissage und zeigte dort die Auswertung der Abstimmungsergebnisse.

Mehr Fähigkeiten, weniger Wissen

Hans-Ulrich Grunder, emeritierter Professor für Pädagogik und Stiftungsrat des Schulmuseums, zählte zum Zeitpunkt der Finissage über 2800 abgegebene Stimmen. Seither sind es einige mehr geworden, da die Abstimmung auch unabhängig von der Ausstellung online möglich ist. Bis Ende November haben praktisch ausschliesslich Leute aus dem professionell-pädagogischen Feld über die Schule der Zukunft befunden. PH-Studierende machten rund die Hälfte der Abstimmenden aus. Dazu kamen Lehrpersonen, Dozierende, Bildungs- und Kulturbeamte oder (deutschsprachige) Eltern.

Am Tag der Finissage war die Initiative «Future Skills» der Spitzenreiter mit 36 Prozent der Stimmen. Diese erkennt in der Schule ein veraltetes Relikt aus dem 19. Jahrhundert, das es gründlich zu überarbeiten gilt: mehr vernetztes Denken, Problemlöse- und Teamfähigkeit statt Auswendiglernen, mehr Individualität und Kreativität statt Pauken eines ewig gestrigen Wissenskanons. So verführerisch und simpel die Slogans, so populär das politische Vorhaben bei den Abstimmenden.

Zum Projekt

Mehr Informationen zu den Rückmeldungen im Rahmen der Ausstellung Schule der Zukunft finden Sie hier: schule-zukunft.ch/ausstellung

Auch die Initiative «Für eine smarte Schule» war erfolgreich. Deren Ziel: eine konsequente Digitalisierung, die Aufstockung von ICT-Infrastruktur und mehr Gewicht für Informatikunterricht. Quasi als Gegenpol zu diesen Digitalisierungsinitiativen stiess auch das Vorhaben «Nein zu Bildungsexperimenten» auf Anklang. Gefragt ist demnach keine Bildungsreform, sondern eine Rückbesinnung auf traditionelle Erziehungs- und Bildungsmethoden.

Chancengerechtigkeit chancenlos

Mit drei Prozent auffallend wenig Stimmen erhielt die Initiative «Eine Schule für alle». Was die Schule der Zukunft angeht, fokussieren die Besucherinnen und Besucher scheinbar lieber auf digitalen Wandel als auf eine gerechte Verteilung der Bildungschancen.

Das ist ein interessantes Ergebnis. Denn in der pädagogischen Forschung wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es im Schweizer Schulsystem in puncto Chancengerechtigkeit nicht zum Besten steht. Was den Schulerfolg betrifft, wird die Lücke zwischen Kindern aus benachteiligten Milieus und jenen aus gut situierten Familien von Jahr zu Jahr grösser. Darauf weist etwa die Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm hin. Die Forschung spricht vom sogenannten Matthäus-Effekt: Wer hat, dem wird gegeben. Wer in Akademikerkreisen aufwächst, profitiert schon daheim und bringt diesen Heimvorteil mit in die Schule.

Die Abstimmung der Ausstellung «Schule – Experiment Zukunft» ist natürlich nicht repräsentativ. Aber sie regt auf jeden Fall zum Nachdenken und Diskutieren an. Spannend wäre auch zu sehen, wie Leute abseits akademischer Professionen über solche Initiativen abstimmen würden.

Autor
Lukas Tschopp

Datum

22.01.2025

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